Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Wirtschaftsumfeld | Belgien | Wirtschaftsstruktur

Industrie will in Zukunft noch stärker auf Hightech setzen

Belgiens Wirtschaftsstruktur steht vor einem Wandel. Ein Fokus ist die Chemieindustrie. Auch die Wasserstoffindustrie gewinnt an Bedeutung.

Von Michael Sauermost | Bonn

Belgien ist eine kleine Volkswirtschaft. Die Wirtschaftsleistung erreicht Statistiken der Europäischen Kommission zufolge etwa ein Fünftel des Niveaus von Frankreich. Im Vergleich zu Deutschland ist es rund ein Siebtel. Was allerdings die Wirtschaftsleistung pro Kopf angeht, so spielt das Land in der Liga der Großen mit und erzielt Werte wie Deutschland. Laut Eurostat bedeutete dies 2022 Platz 8 im Europaranking. Deutschland belegte Platz 9.

Rund um den Hafen Antwerpen stimmt die Chemie

Die geographische Lage macht Belgien zu einem bedeutenden Handelsknotenpunkt Westeuropas. Die Infrastruktur ist sehr gut entwickelt. Von besonderer logistischer Bedeutung ist dabei Europas zweitgrößter Hafen Antwerpen-Brügge. Der Umschlagplatz in Flandern gilt als Herzstück des belgischen Wirtschaftswachstums. Im Einzugsgebiet des Hafens haben sich viele Industrieunternehmen angesiedelt. Dabei ist besonders das größte Petrochemiecluster Europas hervorzuheben.

Der Dienstleistungssektor hat im Laufe der Zeit eine bedeutende Rolle gewonnen. Laut Wirtschaftsministerium entfielen auf ihn im Jahr 2021 etwa 57 Prozent der Unternehmen und 49 Prozent der Erwerbstätigen. Der Handel stellte ein Fünftel der Unternehmen und 22 Prozent der Arbeitsplätze. Die Industrie kam lediglich auf 6 Prozent der Unternehmen. Allerdings entfielen auf das verarbeitende Gewerbe rund 18 Prozent der Beschäftigten.

Bild vergrößern

 

11,7 Mio.

Personen lebten 2023 in Belgien.

Quelle: Statbel 2024

554 Mrd. Euro

Bruttoinlandsprodukt (BIP, 2023, vorläufige Angabe)

Quelle: Banque Nationale de Belgique 2024

47.689 Euro

machte das BIP pro Kopf damit 2023 aus.

Quelle: Banque Nationale de Belgique 2024

Rang 10

der wichtigsten deutschen Exportmärkte (2023)

Quelle: Destatis 2024

Rang 16

nimmt Belgien im Corruption Perceptions Index 2022 ein (unter 180 Ländern).

Quelle: Transparency International 2023

rund 1 %

betrug die Analphabetenquote im Jahr 2021.

Quelle: Statbel 2024

Ausführliche Informationen zur Wirtschaft finden Sie in den Wirtschaftsdaten kompakt.

Gewinnbringende Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland 

Auch wenn die Geschäftserwartungen deutscher Unternehmen im Rahmen der Herbstumfrage der AHK debelux 2023 für 2024 analog zur allgemeinen Konjunkturlage Belgiens gedämpft blieben: an Lukrativität hat der industriell ausgerichtete Wirtschaftspartner in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewonnen. Vor allem in Hightech-Bereichen wie der Industrie 4.0 ist der Spielraum für bilaterale Kooperationen deutlich größer geworden.

Für Technologieunternehmen wie Siemens bietet Belgien zahlreiche Möglichkeiten. Die Technologiebranche vereint mehr als 15.000 Arbeitgeber in der belgischen Industrielandschaft, wobei die Aktivitäten breit gefächert sind.

Ilse Geukens Chief Financial Officer Siemens Belgien

Dazu kommen neue Entwicklungen im Energiesektor. Dort - sowie generell, wenn es um Nachhaltigkeit geht - können deutsche Firmen in Nischenbereichen ihre Stärken ausspielen. Bei etwa einem Drittel der Mitgliedsunternehmen der AHK debelux handelt es sich um Industrieunternehmen. Rund 18 Prozent entfallen auf Dienstleistungen und knapp 23 Prozent auf den Handel/Großhandel.

Unsere Geschäftskunden schätzen in Belgien die allgemeine politische Stabilität und wettbewerbsfähige Steuersätze. Belgien verfügt zudem über gut ausgebildete und multikulturelle Arbeitskräfte, auf die unsere Kunden angewiesen sind.

Michael Krüger Chief Executive Officer BeNeLux Region, Commerzbank AG

SWOT-Analyse Belgien

S

Stärken Strengths

  • Günstige Lage im Zentrum von Nordwesteuropa
  • Offenheit der Volkswirtschaft
  • Mix aus Hightech-Industrien und Dienstleistungen
  • Hohe Kaufkraft
  • Gutes Ausbildungsniveau
W

Schwächen Weaknesses

  • Wirtschaftskraft variiert stark nach Regionen
  • Strukturwandel traditioneller Wirtschaftszweige
  • Hohe Staatsverschuldung
  • Hohe Kosten; auch durch Lohnindexierung
  • Regional unterschiedliche Verwaltungsstrukturen
O

Chancen Opportunities

  • Investitionen in erneuerbare Energien
  • Dichtes Forschungsnetzwerk
  • Start-up-Ökosystem für Zukunftsbranchen entwickelt sich
  • Großprojekte im Städtebau
  • Investitionen im Verkehrs- und Gesundheitssystem
T

Risiken Threats

  • Atomkraft und fossile Brennstoffe bestimmen noch den Energiemix
  • Hohe Abhängigkeit von globalen Konjunkturschwankungen
  • Niederländisch-französischer Sprachenstreit und regionale Autonomiebestrebungen
  • Strukturelle Arbeitslosigkeit Geringqualifizierter im Raum Brüssel und in der Wallonie
  • Zunehmender Fachkräftemangel und Alterung der Gesellschaft

Forschung rückt Hightech-Branchen in den Fokus

In Zukunft wird Belgien noch stärker auf Innovation setzen. Universitäten und weitere Forschungseinrichtungen sind auch international gut vernetzt. Der Technologieverband Agoria unterstützt Firmen bei ihren Hightech-Aktivitäten und ihrer nachhaltigen Ausrichtung.

Was die Digitalisierung angeht, ist Belgien gut aufgestellt. Das Chemiecluster im Hafengebiet von Antwerpen entwickelt sich zu einem führenden Testgebiet für die  Industrie 4.0. Die Fertigung von Elektro-, Hybrid- sowie Brennstoffzellenfahrzeugen schreitet voran. Neben dem innovativen Pharmasektor werten auch Fortschritte in Sachen Biotechnologie sowie künstlicher Intelligenz die belgische Industrielandschaft auf. 

Laut einem Bericht der Handels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen bestehen in Belgien insbesondere für elektrische und elektronische Geräte sowie im Maschinenbau noch besonders große Chancen für die Diversifizierung beziehungsweise für das Exportgeschäft. Allerdings seien auch die Möglichkeiten bei Chemie und Pharma noch nicht ausgeschöpft. Als zukunftsträchtiger Bereich in einer dynamischen Entwicklungsphase gilt der Wasserstoffsektor. Belgien will sich als europäische Logistikdrehscheibe für grünen Wasserstoff etablieren.

Bedeutung der Wirtschaftszweige in Belgien
Anteile in Prozent *)

Sektoren

Anteil an der Bruttowertschöpfung 2022

Agrarsektor

0,7

Verarbeitendes Gewerbe

14,1

Energie

2,9

Baugewerbe

5,3

Dienstleistungen (Handel, Finanzdienstleistungen)

55,6

Andere Dienstleistungen (inklusive Health Care)

21,3

*) Abweichung durch Rundungen möglichQuelle: Wirtschaftsministerium (SPF) 2023

Regionale Unterschiede machen sich bemerkbar

Belgien ist ein komplexer Föderalstaat mit den drei Regionen Flandern im Norden, der Wallonie im Süden und der Hauptstadtregion Brüssel. Aus geografischer Sicht konzentriert sich die belgische Wirtschaftstätigkeit auf den industriell entwickelten Norden des Landes. Flandern erwirtschaftete 2022 einen Anteil von 62,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die Wallonie kam auf knapp 20, die Hauptstadtregion auf 18,3 Prozent. Die Wallonie bleibt nach wie vor mit strukturellen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der industriellen Umstellung konfrontiert. Von der einstigen Montan- und Textilindustrie geprägte Gebiete erleben einen anhaltenden Strukturwandel.

Das BIP pro Kopf war 2022 in der Hauptstadtregion Brüssel 60 Prozent höher als im niederländischsprachigen Flandern und mehr als doppelt so groß wie in der frankophonen Wallonie. Die belgischen Regionen unterscheiden sich nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sprachlich, historisch und kulturell. Autonomieforderungen - vor allem von flämischer Seite - haben in den vergangenen Jahrzehnten zu Kompetenzverlagerungen vom Zentrum hin zu den Regionen geführt. Die Folge sind vielerorts komplexe und aufwändige Verwaltungsstrukturen. Dies kann den administrativen Aufwand für Unternehmen merklich erhöhen.

Eckdaten der wichtigsten Regionen/Provinzen in Belgien (2022)

Gebiet

Anteil am BIP (in %)

BIP pro Kopf (in Euro) 

Bevölkerung (in Mio.)

Brüssel

18,3

78.344

1,2

Flandern, darunter die Provinzen:

62,5

49.058

6,8

  Antwerpen

20,2

58.038

1,9

  Limburg

6,6

38.776

0,9

  Ost Flandern

13,2

44.501

1,6

  Brabant

12,1

62.288

1,2

  West Flandern

10,5

47.194

1,2

Wallonie, darunter die Provinzen:

19,2

34.502

3,6

  Hainault

7,5

29.266

1,5

  Lüttich

7,2

34.061

1,2

  Luxemburg

1,5

28.811

0,3

  Namur

3,0

31.555

0,6

Quelle: Belgische Zentralbank 2024

Dieser Inhalt gehört zu

nach oben
Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.