Branche kompakt | Brasilien | Chemische Industrie
Branchenstruktur
Einfuhrzölle sollen die lokale Produktion vor preisgünstigen Chemieimporten schützen. Investitionen konzentrieren sich auf Kraftstoffe, Düngemittel und die Chlor-Alkali-Industrie.
14.05.2025
Von Gloria Rose | São Paulo
Brasilien ist einer der wichtigsten Märkte für die Chemieindustrie weltweit. Laut dem Verband der Chemischen Industrie (VCI) bezifferte sich der Umsatz mit Chemieprodukten in dem Land 2023 auf 91 Milliarden Euro. Nur in China, den USA, Deutschland, Japan, Südkorea, Indien und Frankreich lag der Umsatz noch höher. In Bezug auf den Verbrauch erreichte Brasilien global Platz 6.
Die Chemieindustrie ist eine der wichtigsten Branchen Brasiliens. Die landesweit rund 1.650 Hersteller von Industriechemikalien und chemischen Endprodukten tragen etwa 11 Prozent zur Bruttowertschöpfung der brasilianischen Industrie bei.
Sparte | 2024 | Veränderung 2024/2023 1) | Marktanteil 2) |
---|---|---|---|
Industriechemikalien | 57,7 | -4,9 | 36,4 |
Pharmazeutika | 38,2 | 10,7 | 24,1 |
Pflanzenschutzmittel | 19,4 | -8,1 | 12,2 |
Düngemittel | 13,9 | -15,2 | 8,8 |
Kosmetika | 12,3 | -6,1 | 7,8 |
Reinigungsmittel | 7,5 | 5,6 | 4,7 |
Farben und Lacke | 5,8 | 3,6 | 3,7 |
Andere | 2,7 | -3,6 | 1,7 |
Künstliche und synthetische Fasern | 1,1 | 0,0 | 0,7 |
Insgesamt | 158,6 | -2,3 | 100,0 |
Schutz vor Billigimporten und Industrieförderung sind essentiell
Im Oktober 2024 hat Brasilien die Einfuhrzölle auf 30 Chemikalien angehoben. Der Verband Abiquim registrierte in den letzten beiden Monaten 2024 einen Anstieg der Produktion um 6,4 Prozent und sieht darin direkte Impulse der für ein Jahr gültigen Schutzzölle.
Im Jahr 2024 legte die Einfuhr von Industriechemikalien um 11,5 Prozent zu. Den höchsten Anstieg registrierte Abiquim bei Polymeren. Die Importabhängigkeit bei Industriechemikalien liegt heute bei 45 Prozent. Die gesamten Chemieimporte umfassten 2024 rund 65,3 Millionen Tonnen. Etwa 63 Prozent davon entfielen auf Nährstoffe für die Düngemittelproduktion.
Preisgünstige Importprodukte setzen die Branche seit 2022 zunehmend unter Druck. Globale Überkapazitäten hauptsächlich in China, aber auch den USA und anderen Ländern überschwemmen den brasilianischen Markt. Lokal erzeugte Chemikalien können preislich nicht mithalten. Das liegt an höheren Preisen für Naphtha und Erdgas, hohen Steuern und Logistikkosten sowie an der geringen Kapazitätsauslastung. Im Durchschnitt lastete die Branche ihre Anlagen wie bereits im Vorjahr nur zu 64 Prozent aus. Laut Abiquim liegt die Produktion bereits seit 2007 unterhalb der wirtschaftlich notwendigen Grundauslastung.
Über das Förderprogramm Regime Especial da Indústria Química (REIQ) erhalten etwa 25 Petrochemieunternehmen Steuererleichterungen. Wichtige Maßnahmen sind zudem der Ausbau der Gasinfrastruktur und das Förderprogramm Gás para Empregar.
Gás para Empregar – Förderprogramm zur Öffnung des Gasmarktes
Die Regierung rief das Programm am 26. August 2024 ins Leben. Über die Verordnung Dekret Nr. 12.153/2024 werden bestehende Regelungen (Dekret Nr. 10.712/2021) angepasst. Die Öffnung des Marktes soll die Gasproduktion und -verteilung stimulieren. Brasiliens Energieforschungsunternehmen EPE gab bekannt, dass das Förderprogramm Investitionen von über 17 Milliarden US$ anstoßen könnte.
Hauptziele: Höheres Gasangebot auf dem heimischen Markt und geringere Infrastrukturkosten in der Gasindustrie
Wichtige Punkte:
- Produktion und Zugang: Reduzierung der Gasreinjektion bei der Ölförderung; Bereitstellung von mehr Gas für die lokale Produktion von Stickstoffdüngern sowie petrochemischen und anderen Produkten
- Transparenz und Regulierung: Transparenz bei Informationen über Zugang, Betrieb und Wirtschaftlichkeit der Infrastrukturen
- Harmonisierung der Regulierungen: Harmonisierung der föderalen, staatlichen und lokalen Regulierungen im Gassektor
- Sicherstellung der Versorgung: Maßnahmen zur Überwachung der Versorgungssicherheit und Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Produzenten
Aussicht auf Investitionen verbessert sich
Ende 2024 bezifferte Abiquim das Investitionsvolumen im Bereich Industriechemikalien zwischen 2025 und 2029 auf 2,3 Milliarden US$. Der Trend zur Dekarbonisierung und Verbesserungen bei den Rahmenbedingungen erhöhen die Attraktivität des Standorts. Investoren aus China und dem Nahen Osten haben Brasilien längst im Blick. Auf der Grundlage des Förderprogramms REIQ kündigten die Unternehmen Braskem, Innova, OCQ (Oswaldo Cruz Química) und Unipar im Januar 2025 Investitionen von 140 Millionen US$ an.
Brasiliens Wasserwirtschaft expandiert. Damit steigt auch der Bedarf an Chlor. Die Chlor-Alkali-Industrie steigerte die Produktion 2024 um mehr als 5 Prozent und investiert.
Förderung für Düngemittel
Über den Plano Nacional de Fertilizantes (PNF) will die Regierung die Importabhängigkeit bei Düngemitteln in den kommenden 30 Jahren von derzeit 87 auf 50 Prozent reduzieren. Das Förderprogramm Profert soll steuerliche Anreize setzen. Es wurde bislang jedoch noch nicht verabschiedet.
Laut Sinprifert, dem Branchenverband der Düngemittelindustrie, plant die Branche Projekte mit einem Investitionsvolumen von insgesamt 6,5 Milliarden US$. Auf Brasiliens Düngemittelmarkt herrscht eine hohe Marktkonzentration: Die vier größten Unternehmen Mosaic, Yara, Fertipar und Eurochem bedienen etwa drei Viertel der Nachfrage.
Hoher Wettbewerb am Pflanzenschutzmarkt
Biochemische und biologische Pflanzenschutzmittel erwirtschaften einen immer höheren Umsatzanteil. Die Branche investiert entsprechend. Aufgrund schnellerer Zulassungsverfahren und der Harmonisierung im Außenhandel kommen mehr Produkte auf den Markt, darunter hauptsächlich Generika.
Petrobras investiert in Diesel, Biokraftstoffe und Dünger
Große Investitionspläne verfolgt der Ölkonzern Petrobras. Rund 19,6 Milliarden US$ wendet das halbstaatliche Unternehmen zwischen 2025 und 2029 für die Verarbeitung, den Transport und den Vertrieb von Kraftstoffen sowie für die Düngemittelproduktion auf. Die Dieselproduktion wird an fünf Raffinerien ausgebaut. Im Bereich Bioraffinerien investiert Petrobras in ein breites Spektrum alternativer Kraftstoffe – Biodiesel, erneuerbarer Diesel (HVO) und Biokerosin (SAF) – sowie in Forschung und Entwicklung.
Im Bereich Stickstoffdünger plant Petrobras 900 Millionen US$ für die Fabrik UFN 3 in Três Lagoas (Mato Grosso do Sul) bis 2028 und für die Wiederaufnahme des Betriebs in Araucária (Paraná) im 2. Halbjahr 2025. Darüber hinaus laufen Verhandlungen mit Unigel über die Pacht von zwei Stickstoffdüngeranlagen, die seit Mitte 2023 stillstehen.
Petrobras verkaufte bis Ende 2022 vier seiner landesweit 14 Raffinerien. Heute wird der Kraftstoffmarkt des Landes zu etwa 60 Prozent von Petrobras bedient. Rund 20 Prozent des Treibstoffs werden importiert. Weitere 20 Prozent stammen von acht privaten Raffinerien.
Erdgas aus Tiefseefeldern und Argentinien
Brasilien profitiert von großen Öl- und Gasvorkommen vor der Küste. Im Oktober 2024 nahm Petrobras die 355 Kilometer lange Gaspipeline Rota 3 in Betrieb, über die Erdgas aus dem Tiefseefeld im Santos-Becken zum Industriekomplex in Itaboraí (Rio de Janeiro) gelangt. Durch die zusätzlichen Möglichkeiten steigt die Förderkapazität der sogenannten Pré-sal-Felder um 18 Millionen auf bis zu 58 Millionen Kubikmeter Erdgas pro Tag.
Zwei weitere Erdgasprojekte könnten 2028 in Betrieb gehen:
- Raia: bis zu 16 Millionen Kubikmeter Erdgas pro Tag; Investor: Konsortium aus Equinor, Repsol Sinopec Brasil und Petrobras
- Sergipe Águas Profundas: bis zu 18 Millionen Kubikmeter Erdgas pro Tag zur Versorgung des Nordostens Brasiliens; Investor: Petrobras.
Außerdem verhandelt Brasilien mit Argentinien, um Erdgas aus der Ölschieferlagerstätte Vaca Muerta zu beziehen und über Pipelineverbindungen durch Bolivien nach Brasilien zu transportieren.
Unternehmen | Sparte | Umsatz 2023 1) | Veränderung 2023/2022 2) |
---|---|---|---|
Braskem | Petrochemie | 14,1 | -26,9 |
Mosaic | Düngemittel | 5,7 | -32,5 |
Syngenta | Pflanzenschutz | 4,9 | -13,9 |
BASF | Chemie | 4,1 | -15,9 |
Fertipar | Düngemittel | 3,8 | -27,8 |
Yara Brasil | Düngemittel | 3,6 | -39,0 |
Bayer | Chemie | 1,4 | 40,9 |
Cibra | Düngemittel | 1,4 | -13,2 |
Heringer | Düngemittel | 1,1 | -6,0 |
Oxiteno | Chemie | 1,1 | -37,2 |