Brasilianische Pharmakonzerne expandieren und erweitern die Produktion von Generika und Biosimilars. Auch die Herstellung von Wirkstoffen rückt in den Fokus.
Den Marktforschern von IQVIA zufolge gibt es in Brasilien 380 Hersteller von Pharmazeutika, darunter 257 lokale Unternehmen, die überwiegend Generika sowie zunehmend Biosimilars produzieren. Die lokalen Hersteller standen 2024 für rund 83 Prozent der Absatzmenge, vereinigten aber nur die Hälfte des Branchenumsatzes auf sich.
Unter den 20 umsatzstärksten Anbietern finden sich acht multinationale Unternehmen: Sanofi, Novo Nordisk, Sandoz, AstraZeneca, GSK, Merck, Boehringer Ingelheim und Novartis.
Fast ein Drittel des Marktumsatzes entfiel 2024 auf die drei größten KonzerneFührende Pharmaunternehmen in Brasilien (Umsatz in Milliarden US-Dollar, Veränderung in Prozent)Unternehmen (Land) | Umsatz 2024 1) | Veränderung 2024/23 2) |
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Grupo NC (Brasilien) | 4,8 | 12,8 |
Eurofarma (Brasilien) | 3,4 | 29,7 |
Hypera Pharma (Brasilien) | 2,9 | 8,9 |
Sanofi (Frankreich) | 1,7 | 6,7 |
Aché (Brasilien) | 1,5 | 3,8 |
Grupo Cimed (Brasilien) | 1,4 | 38,8 |
Novo Nordisk (Dänemark) | 1,2 | 26,4 |
Teuto (Brasilien) | 1,0 | 20,0 |
Biolab (Brasilien) | 0,9 | 28,2 |
União Química (Brasilien) | 0,8 | 22,5 |
1 umgerechnet zum Jahresdurchschnittskurs 2024: 1 US$ = 5,39 R$; 2 bezogen auf den Umsatz in Landeswährung.Quelle: Marktforschungsunternehmen Close Up International 2025
Fusionen, Verkäufe und Expansion: Hohe Dynamik am Pharmamarkt
Der Sektor weist eine hohe Marktkonzentration auf. Die zehn größten Hersteller erwirtschafteten 2024 rund 48,6 Prozent des gesamten Branchenumsatzes. Wirtschaftsprüfer KPMG beobachtete 2024 eine zunehmende Anzahl an Fusionen und Übernahmen und erwartet für 2025 eine Fortsetzung dieses Trends. Dabei begünstige die Schwäche des R$ Investitionen aus dem Ausland.
Eine erste große Transaktion ist bereits unter Dach und Fach: Zur Finanzierung seiner geplanten Expansion hat der lokale Hersteller Cimed im März 2025 eine Minderheitsbeteiligung an GIC, den staatlichen Investmentfonds Singapurs, veräußert. Die in São Paulo ansässige Gruppe will ihren Umsatz bis 2030 verdoppeln und investiert 2025 rund 400 Millionen US$. Auch União Química strebt den Verkauf einer Minderheitsbeteiligung an.
Eine weitere große Transaktion ist der geplante Verkauf der Sanofi-Tochter Medley. Der französische Pharmariese möchte den in Campinas ansässigen Generikahersteller für bis zu 1,5 Milliarden US$ verkaufen. Die lokalen Hersteller Cimed, Eurofarma und União Química sowie die Investmentfonds Advent, CVC und Bain Capital haben Interesse bekundet, allerdings zu einem deutlich niedrigeren Preis.
Auch die vor Ort vertretenen multinationalen Hersteller könnten die Gelegenheit nutzen, wieder in die Produktion in Brasilien zu investieren. In den vergangenen Jahren taten sie das Gegenteil: Um sich auf die Entwicklung komplexer Medikamente zu konzentrieren, verkauften sie ihre Portfolios an lokale Hersteller oder gingen Produktionspartnerschaften ein. Zu den größten Vertragsherstellern, gehören heute die Marktführer Grupo NC und Eurofarma sowie Aché, Prati-Donaduzzi und União Química.
Ablauf von Patenten belebt Investitionen
Die Produktion von Generika und Biosimilars dürfte künftig stark steigen. Allein 2024 lief der Patentschutz für 16 Präparate aus, die in Brasilien einen Umsatz von 2 Milliarden US$ erzielen. Zwischen 2024 und 2028 verlieren insgesamt 117 Arzneimittel mit einem Umsatz von bis zu 6 Milliarden US$ den Schutz. Dies ergab eine Studie des Spezialchemieverbands Abifina.
Der Generikaverband PróGenéricos gibt an, dass in Brasilien landesweit 88 Generikahersteller über 2.557 Arzneimittelzulassungen verfügen und mehr als 4.665 Produkte anbieten. Hinzu kommen 29 Produzenten von Biosimilars mit mehr als 70 Zulassungen und 80 Produkten.
Besonders im Blick haben Brasiliens Pharmakonzerne das Patent auf Semaglutid, das 2026 ausläuft. Produkte mit dem Wirkstoff bringen Novo Nordisk in Brasilien einen Jahresumsatz von rund 0,5 Milliarden US$ ein. Um mit den Generikaherstellern konkurrieren zu können, investieren die Dänen in den Ausbau ihrer Fabrik in Minas Gerais.
Minas Gerais ist nach São Paulo inzwischen der zweitwichtigste Produktionsstandort für die Pharmaindustrie – vor Rio de Janeiro, Goiás und Paraná. Minas Gerais fördert den Biotechnologiesektor über die Stiftung Biominas.
Ausgewählte Investitionsprojekte in der Pharmaindustrie in BrasilienInvestitionssumme in Millionen US-Dollar *)Unternehmen | Projekt | Investitionssumme | Projektstand |
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Novo Nordisk | Ausbau der Fabrik in Montes Claros (Minas Gerais) | 1.187 | Angekündigt im April 2025, geplante Inbetriebnahme 2028 |
Bionovis (Biotechnologie-Joint-Venture der Konzerne Aché, EMS, Hypera Pharma und União Química) | Bau einer neuen Anlage zur Produktion hochkomplexer Biopharmazeutika in Valinhos (São Paulo) | 121 | Ankündigung im Januar 2025, Inbetriebnahme 2026 |
Cimed | Bau eines Lagerzentrums an der Fabrik in Pouso Alegre (Minas Gerais) | 93 | Ankündigung im Januar 2025, Inbetriebnahme 2026 |
EMS | Entwicklung von 25 Produkten im Forschungs- und Produktionszentrum Eurolab in Itapevi (São Paulo) | 93 | Die staatliche Förderbank BNDES genehmigte die geförderte Finanzierung im August 2024. |
Eurofarma | Entwicklung von 60 Produkten im Forschungs- und Produktionszentrum Eurolab in Itapevi (São Paulo) | 93 | Die staatliche Förderbank BNDES genehmigte die geförderte Finanzierung im Juli 2024. |
Instituto Butantan | Neue Anlage im Komplex des Instituts in São Paulo | 72 | Die staatliche Förderbank BNDES genehmigte die geförderte Finanzierung im Juli 2024. |
Aché | Entwicklung von 80 Produkten im Forschungs- und Produktionszentrum und Ausbau des Labors in Guarulhos (São Paulo) | 72 | Die staatliche Förderbank BNDES genehmigte die geförderte Finanzierung im August 2024. |
Libbs | Expansion der Produktion in Embu das Artes (São Paulo) | 37 | Die staatliche Förderbank BNDES genehmigte die geförderte Finanzierung im Dezember 2024. |
* umgerechnet zum Jahresdurchschnittskurs 2024: 1 US$ = 5,39 R$.Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2025
Hohe Importabhängigkeit bei Wirkstoffen
Obwohl Brasilien zu den Top-Ten-Pharmamärkten weltweit gehört und der größte Teil der Arzneimittel vor Ort produziert wird, importieren die Hersteller rund 95 Prozent der etwa 2.000 Wirkstoffe. Drei Viertel der Einfuhren stammen aus China und Indien.
In der Coronakrise rückte die hohe Importabhängigkeit ins Augenmerk der Politik. Als größter Einzelabnehmer von Medikamenten nutzt der Staat seine Marktmacht und fördert den Aufbau der lokalen Produktion über öffentlich-private Produktionspartnerschaften ("Parcerias para o Desenvolvimento Produtivo" – PDP). Das Interesse der Hersteller ist groß. Im Jahr 2024 reichten sie 350 Projekte ein. Darüber hinaus bietet die Entwicklungsbank BNDES zinsgünstige Kredite an. Mit der neuen Industriepolitik verdoppelte BNDES 2024 das Kreditvolumen für die Pharmaindustrie.
Laut einer aktuellen Erhebung des Instituts Fiocruz stellen heute 37 Unternehmen Wirkstoffe in Brasilien her, darunter Cristália, Libbs, Globe, Nortec Química, Blanver, Prati-Donaduzzi und Biomm. Der Großteil dieser Hersteller betreibt Forschung und Entwicklung (F&E) und verfügt über freie Produktionskapazitäten. Fiocruz sieht gute Chancen, dass zukünftig wieder 20 Prozent der Wirkstoffe lokal hergestellt werden. Ein Wettbewerbsvorteil des Standorts seien dabei auch die großen Viehbestände des Landes.
Anreize für Forschung und Entwicklung
Der Staat weitet die Förderung für Forschungsprojekte aus. BNDES stellt bis 2026 ein Kreditvolumen von 1,1 Milliarden US$ für die Entwicklung und Produktion neuer Arzneimittel bereit. Auch die niedrigen Gewinnmargen im hart umkämpften Generikamarkt motivieren immer mehr lokale Hersteller dazu, in F&E zu investieren. Eurofarma, Cristália und Hypera Pharma greifen dabei auch auf das agile Start-Up-Ökosystem zurück. Die zwölf Laboratorien, die über den Verband Grupo FarmaBrasil zusammengeschlossen sind, investieren bis 2027 voraussichtlich 2,5 Milliarden US$.
Im internationalen Vergleich sind die Ausgaben für F&E in Brasilien relativ niedrig. Das liegt auch an der unzulänglichen Rechtssicherheit. Nach fast einem Jahrzehnt intensiver Debatten verabschiedete Brasilien im Mai 2024 mit dem Gesetz Nr. 14.874/2024 einen Rechtsrahmen für klinische Forschung. Dieser trat im August 2024 in Kraft. In einigen Bereichen müssen noch konkrete Vorgaben festgelegt werden, damit die Pharmaindustrie die Risiken einkalkulieren kann. Erst dann wird Brasilien für die Erforschung neuer Medikamente wettbewerbsfähiger.
Von Gloria Rose
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São Paulo