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Branche kompakt | Brasilien | Pharmaindustrie, Biotechnologie

Brasiliens Pharmamarkt wächst rasant

Die Nachfrage nach Arzneimitteln wächst stark. Mit der Marktdurchdringung von Generika und Biosimilars gewinnen brasilianische Pharmakonzerne an Bedeutung. (Stand: Mai 2025)

Von Gloria Rose | São Paulo

Ausblick der Pharmaindustrie in Brasilien

Bewertung:

 

  • Der Umsatz mit Arzneimitteln legte 2024 um 14 Prozent zu. Im Jahr 2025 soll der Markt um 9 Prozent wachsen.
  • Zwischen 2024 und 2028 laufen 117 Patente aus. Brasiliens Hersteller von Generika bereiten sich auf die Erweiterung der Produktion vor.
  • Brasilien fördert die lokale Pharmaindustrie über zinsgünstige Kredite der Entwicklungsbank BNDES.

Anmerkung: Einschätzung der Autorin für die kommenden zwölf Monate auf Grundlage von prognostiziertem Umsatz- und Produktionswachstum, Investitionen, Beschäftigungsstand, Auftragseingängen, Konjunkturindizes etc.; Einschätzungen sind subjektiv und ohne Gewähr; Stand: Mai 2025

  • Markttrends

    Brasiliens Arzneimittelmarkt ist der mit Abstand größte in Lateinamerika. Deutschland ist zweitwichtigstes Lieferland.

    Das Marktforschungsinstitut IQVIA sieht Lateinamerika als die Region, in der die Nachfrage nach Arzneimitteln von 2023 bis 2028 weltweit am stärksten wachsen wird. Die Analysten gehen davon aus, dass der Pharmaabsatz zwischen Mexiko und Feuerland im genannten Zeitraum im Durchschnitt um 19,3 Prozent pro Jahr steigen wird. Weltweit erwarten sie nur ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 7,9 Prozent und für Europa eine Rate von 7,1 Prozent.

    Wachstumstreiber in Lateinamerika und Brasilien sind:

    1. eine wachsende und rasch alternde Bevölkerung
    2. Zunahme chronischer Krankheiten
    3. besserer Zugang zu Medikamenten dank steigender staatlicher Gesundheitsausgaben und Telemedizin
    4. Etablierung moderner Behandlungen
    5. breiteres Angebot an preisgünstigen Generika und Biosimilars

    Dabei ist Brasilien als größte und einwohnerreichste Volkswirtschaft der mit Abstand größte Arzneimittelmarkt in der Region. Weitere Informationen zum Land bietet unser Wirtschaftsstandort Brasilien.

    42 %

    des gesamten Umsatzes mit Arzneimitteln in Lateinamerika entfiel 2024 auf Brasilien, gefolgt von Mexiko mit 17 Prozent.

    Brasiliens Pharmamarkt wächst – kontinuierlich und mit hohem Tempo

    Der Pharmamarkt in Brasilien verzeichnete in den jüngsten Jahren ein hohes Wachstum. Im Jahr 2024 wurden 6,3 Prozent mehr Arzneimittelpackungen verkauft als im Vorjahr. Der Einzelhandelsumsatz stieg auf 37,9 Milliarden US-Dollar (US$) an. Laut Angaben von IQVIA legte er 2024 in der Landeswährung Real (R$) nominal um 14 Prozent zu. Gerechnet in US-Dollar fällt der Zuwachs mit 5,6 Prozent aber deutlich geringer aus. Grund hierfür ist die hohe Abwertung des R$ seit Sommer 2024.

    Wie stark der Pharmaumsatz zulegt, verdeutlicht ein Vergleich mit dem Konsum insgesamt. So stieg der Verkauf von Medikamenten 2024 dreimal so stark wie der gesamte Einzelhandel, zeigen Daten des brasilianischen Statistikinstituts IBGE. IQVIA erwartet für 2025 eine nominale Umsatzsteigerung in R$ in Höhe von 9,3 Prozent.

    Der Wertverlust des R$ ist auch der Grund, weshalb Brasilien 2024 laut Branchenverband Sindusfarma auf Platz 10 der größten Pharmamärkte weltweit zurückgefallen ist, hinter die USA, China, Japan, Deutschland, Frankreich, Italien, das Vereinigte Königreich, Spanien und Kanada. Im Jahr 2023 hatte Brasilien noch auf Rang 8 gelegen. Doch die eingangs genannten Faktoren führen zu einem weiterhin stark steigenden Medikamentenbedarf. Brasilien dürfte mittelfristig den sechsten Platz einnehmen, erwartet IQVIA.

    Staat ist größter Einzelabnehmer

    Brasilien bietet seiner Bevölkerung eine kostenlose Gesundheitsversorgung im Rahmen des "Sistema Único de Saúde" (SUS). Dieses umfasst auch die Bereitstellung bestimmter Medikamente, insbesondere für chronische Krankheiten und schwere Erkrankungen. Der Staat investiert stark in die Bereitstellung von Biopharmaka – mit biotechnologischen Verfahren aus lebenden Zellen oder Organismen hergestellte Arzneimittel– insbesondere für Krebsbehandlungen und Autoimmunerkrankungen. Außerdem werden alle Impfstoffe des "Plano Nacional de Imunização" (PNI) kostenlos angeboten.

    Für den Medikamentenkauf stellte die Regierung 2024 ein Budget von 3,7 Milliarden US$ bereit. Eine Reihe essentieller Arzneimittel ist kostenlos über das Programm "Farmácia Popular" erhältlich. Oft werden diese Medikamente über das private Apothekennetz ausgegeben. Die landesweit 93.700 Apotheken und Drogerien wickeln den Großteil des Arzneimittelvertriebs in Brasilien ab. Wer Medikamente außerhalb der SUS-Liste benötigt, muss sie privat kaufen oder über eine Krankenkasse finanzieren.

    Den größten Teil seiner Umsätze erwirtschaftet der Pharmasektor über den Verkauf an den Großhandel (Anteil 2023: 63 Prozent). Auf den Einzelhandel und Verkäufe an staatliche Akteure entfallen je 15 Prozent. Die restlichen 7 Prozent gehen an private Gesundheitseinrichtungen.

    Trends im Verbraucherverhalten und Vertrieb

    1. Gesundheitsdienstleistungen in Apotheken: Apotheken erweitern ihr Angebot mit medizinischen Dienstleistungen wie Impfungen und Schnelltests, um Kundennähe und Umsatz zu steigern.
    2. Expansion des Omnichannels: Digitale und physische Einkaufserlebnisse werden zunehmend verknüpft, sodass Kunden flexibel zwischen Onlinebestellung und Ladenabholung wählen können. Brasiliens Onlinehandel mit Medikamenten wächst zweistellig. Rund 11,6 Prozent der Arzneimittel bestellten die Kunden 2023 über das Internet. Laut IQVIA war der Anteil nur in Deutschland und in den USA höher.
    3. Fokus auf die Kundenerfahrung: Durch Self-Checkout, Chatbots und WhatsApp-Support verbessern Apotheken ihre Servicequalität und erleichtern die Kundenkommunikation.
    4. Treueprogramme: Kundenbindungsprogramme gewinnen an Bedeutung, da personalisierte Angebote und Rabatte die Kaufbereitschaft steigern.
    5. Automatisierung und technologische Verwaltung: Apotheken setzen verstärkt auf digitale Systeme, um Lagerverwaltung und Verkaufsprozesse effizienter zu gestalten.

    Generika und Biosimiliars gewinnen weiter an Bedeutung

    In Brasilien müssen Generika mindestens 35 Prozent günstiger sein als die entsprechenden Referenzarzneimittel. In der Praxis sind sie jedoch oft noch preiswerter. Die tatsächliche Ersparnis liege bei durchschnittlich 60 Prozent, meldet der Verband PróGenéricos. Mengenmäßig machen Generika immer noch einen niedrigeren Anteil des Medikamentenverkaufs aus als in reifen Märkten wie den USA oder Deutschland. Doch der Siegeszug preisgünstiger Nachahmerpräparate wird sich fortsetzen, zumal die brasilianischen Generikahersteller ihr Portfolio fortlaufend erweitern.

    Brasiliens Markt für Biopharmazeutika wächst überdurchschnittlich stark. Seit der Markteinführung des ersten entsprechenden Medikaments im Jahr 2016, ließ Brasiliens Gesundheitsaufsichtsbehörde Anvisa bisher mehr als 50 Biosimilars für den Markt zu.

    Anvisa aktualisiert die Liste der rezeptfreien Arzneimittel ("medicamentos isentos de prescrição" (MIP)) fortwährend. MIP stehen für etwa 23 Prozent des Arzneimittelumsatzes. Weitere 15 Prozent sind Medikamente, die einer vereinfachten Registrierung unterliegen ("notificação simplificada"), sowie Nahrungsergänzungsmittel. Beim Großteil von 62 Prozent des Marktumsatzes handelt es sich um verschreibungspflichtige Medikamente, deren Verpackungen mit einem roten Streifen beziehungsweise einem schwarzen Streifen für kontrollierte Substanzen gekennzeichnet sind.

    Deutschland ist zweitwichtigstes Lieferland

    Die USA sind Brasiliens wichtigstes Lieferland für Arzneimittel. Im Jahr 2024 kamen sie auf einen Anteil von 17,7 Prozent. Deutschland lag mit 13 Prozent auf Rang 2, gefolgt von der Schweiz (8,3 Prozent), Irland (7 Prozent) und Italien (6,5 Prozent). Zu den Top Ten zählten außerdem Dänemark, China, Indien, Frankreich und Spanien.

    Unter den Top Ten hat Deutschland im vergangenen Jahrzehnt am stärksten an Bedeutung verloren. Während Dänemark, Spanien und Irland den Verkauf von Arzneimitteln nach Brasilien mehr als verdreifachten, legten die Importe deutscher Pharmazeutika seit 2014 gerade einmal um 15 Prozent zu.

    Aus der Perspektive deutscher Pharmaexporte lag Brasilien 2024 weltweit auf Rang 18. Dabei bezog Brasilien aus Deutschland nur 14 Prozent mehr Arzneimittel als Mexiko, obwohl der Markt mehr als doppelt so groß ist.

    Von Gloria Rose | São Paulo

  • Lokale Branchenstruktur

    Brasilianische Pharmakonzerne expandieren und erweitern die Produktion von Generika und Biosimilars. Auch die Herstellung von Wirkstoffen rückt in den Fokus.

    Den Marktforschern von IQVIA zufolge gibt es in Brasilien 380 Hersteller von Pharmazeutika, darunter 257 lokale Unternehmen, die überwiegend Generika sowie zunehmend Biosimilars produzieren. Die lokalen Hersteller standen 2024 für rund 83 Prozent der Absatzmenge, vereinigten aber nur die Hälfte des Branchenumsatzes auf sich.

    Unter den 20 umsatzstärksten Anbietern finden sich acht multinationale Unternehmen: Sanofi, Novo Nordisk, Sandoz, AstraZeneca, GSK, Merck, Boehringer Ingelheim und Novartis.

    Fast ein Drittel des Marktumsatzes entfiel 2024 auf die drei größten KonzerneFührende Pharmaunternehmen in Brasilien (Umsatz in Milliarden US-Dollar, Veränderung in Prozent)
    Unternehmen (Land) 

    Umsatz 2024 1)

    Veränderung 2024/23 2)

    Grupo NC (Brasilien)

    4,8

    12,8

    Eurofarma (Brasilien)

    3,4

    29,7

    Hypera Pharma (Brasilien)

    2,9

    8,9

    Sanofi (Frankreich)

    1,7

    6,7

    Aché (Brasilien)

    1,5

    3,8

    Grupo Cimed (Brasilien)

    1,4

    38,8

    Novo Nordisk (Dänemark)

    1,2

    26,4

    Teuto (Brasilien)

    1,0

    20,0

    Biolab (Brasilien)

    0,9

    28,2

    União Química (Brasilien)

    0,8

    22,5

    1 umgerechnet zum Jahresdurchschnittskurs 2024: 1 US$ = 5,39 R$; 2 bezogen auf den Umsatz in Landeswährung.Quelle: Marktforschungsunternehmen Close Up International 2025

    Fusionen, Verkäufe und Expansion: Hohe Dynamik am Pharmamarkt

    Der Sektor weist eine hohe Marktkonzentration auf. Die zehn größten Hersteller erwirtschafteten 2024 rund 48,6 Prozent des gesamten Branchenumsatzes. Wirtschaftsprüfer KPMG beobachtete 2024 eine zunehmende Anzahl an Fusionen und Übernahmen und erwartet für 2025 eine Fortsetzung dieses Trends. Dabei begünstige die Schwäche des R$ Investitionen aus dem Ausland.

    Eine erste große Transaktion ist bereits unter Dach und Fach: Zur Finanzierung seiner geplanten Expansion hat der lokale Hersteller Cimed im März 2025 eine Minderheitsbeteiligung an GIC, den staatlichen Investmentfonds Singapurs, veräußert. Die in São Paulo ansässige Gruppe will ihren Umsatz bis 2030 verdoppeln und investiert 2025 rund 400 Millionen US$. Auch União Química strebt den Verkauf einer Minderheitsbeteiligung an.

    Eine weitere große Transaktion ist der geplante Verkauf der Sanofi-Tochter Medley. Der französische Pharmariese möchte den in Campinas ansässigen Generikahersteller für bis zu 1,5 Milliarden US$ verkaufen. Die lokalen Hersteller Cimed, Eurofarma und União Química sowie die Investmentfonds Advent, CVC und Bain Capital haben Interesse bekundet, allerdings zu einem deutlich niedrigeren Preis.

    Auch die vor Ort vertretenen multinationalen Hersteller könnten die Gelegenheit nutzen, wieder in die Produktion in Brasilien zu investieren. In den vergangenen Jahren taten sie das Gegenteil: Um sich auf die Entwicklung komplexer Medikamente zu konzentrieren, verkauften sie ihre Portfolios an lokale Hersteller oder gingen Produktionspartnerschaften ein. Zu den größten Vertragsherstellern, gehören heute die Marktführer Grupo NC und Eurofarma sowie Aché, Prati-Donaduzzi und União Química.

    Ablauf von Patenten belebt Investitionen

    Die Produktion von Generika und Biosimilars dürfte künftig stark steigen. Allein 2024 lief der Patentschutz für 16 Präparate aus, die in Brasilien einen Umsatz von 2 Milliarden US$ erzielen. Zwischen 2024 und 2028 verlieren insgesamt 117 Arzneimittel mit einem Umsatz von bis zu 6 Milliarden US$ den Schutz. Dies ergab eine Studie des Spezialchemieverbands Abifina.

    Der Generikaverband PróGenéricos gibt an, dass in Brasilien landesweit 88 Generikahersteller über 2.557 Arzneimittelzulassungen verfügen und mehr als 4.665 Produkte anbieten. Hinzu kommen 29 Produzenten von Biosimilars mit mehr als 70 Zulassungen und 80 Produkten.

    Besonders im Blick haben Brasiliens Pharmakonzerne das Patent auf Semaglutid, das 2026 ausläuft. Produkte mit dem Wirkstoff bringen Novo Nordisk in Brasilien einen Jahresumsatz von rund 0,5 Milliarden US$ ein. Um mit den Generikaherstellern konkurrieren zu können, investieren die Dänen in den Ausbau ihrer Fabrik in Minas Gerais.

    Minas Gerais ist nach São Paulo inzwischen der zweitwichtigste Produktionsstandort für die Pharmaindustrie – vor Rio de Janeiro, Goiás und Paraná. Minas Gerais fördert den Biotechnologiesektor über die Stiftung Biominas.

    Ausgewählte Investitionsprojekte in der Pharmaindustrie in BrasilienInvestitionssumme in Millionen US-Dollar *)
    UnternehmenProjekt

    Investitionssumme

    Projektstand
    Novo NordiskAusbau der Fabrik in Montes Claros (Minas Gerais)

    1.187

    Angekündigt im April 2025, geplante Inbetriebnahme 2028
    Bionovis (Biotechnologie-Joint-Venture der Konzerne Aché, EMS, Hypera Pharma und União Química)Bau einer neuen Anlage zur Produktion hochkomplexer Biopharmazeutika in Valinhos (São Paulo)

    121

    Ankündigung im Januar 2025, Inbetriebnahme 2026
    CimedBau eines Lagerzentrums an der Fabrik in Pouso Alegre (Minas Gerais)

    93

    Ankündigung im Januar 2025, Inbetriebnahme 2026
    EMSEntwicklung von 25 Produkten im Forschungs- und Produktionszentrum Eurolab in Itapevi (São Paulo)

    93

    Die staatliche Förderbank BNDES genehmigte die geförderte Finanzierung im August 2024.
    EurofarmaEntwicklung von 60 Produkten im Forschungs- und Produktionszentrum Eurolab in Itapevi (São Paulo)

    93

    Die staatliche Förderbank BNDES genehmigte die geförderte Finanzierung im Juli 2024.
    Instituto ButantanNeue Anlage im Komplex des Instituts in São Paulo

    72

    Die staatliche Förderbank BNDES genehmigte die geförderte Finanzierung im Juli 2024.
    AchéEntwicklung von 80 Produkten im Forschungs- und Produktionszentrum und Ausbau des Labors in Guarulhos (São Paulo)

    72

    Die staatliche Förderbank BNDES genehmigte die geförderte Finanzierung im August 2024.
    LibbsExpansion der Produktion in Embu das Artes (São Paulo)

    37

    Die staatliche Förderbank BNDES genehmigte die geförderte Finanzierung im Dezember 2024.
    * umgerechnet zum Jahresdurchschnittskurs 2024: 1 US$ = 5,39 R$.Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2025

     

    Hohe Importabhängigkeit bei Wirkstoffen

    Obwohl Brasilien zu den Top-Ten-Pharmamärkten weltweit gehört und der größte Teil der Arzneimittel vor Ort produziert wird, importieren die Hersteller rund 95 Prozent der etwa 2.000 Wirkstoffe. Drei Viertel der Einfuhren stammen aus China und Indien.

    In der Coronakrise rückte die hohe Importabhängigkeit ins Augenmerk der Politik. Als größter Einzelabnehmer von Medikamenten nutzt der Staat seine Marktmacht und fördert den Aufbau der lokalen Produktion über öffentlich-private Produktionspartnerschaften ("Parcerias para o Desenvolvimento Produtivo" – PDP). Das Interesse der Hersteller ist groß. Im Jahr 2024 reichten sie 350 Projekte ein. Darüber hinaus bietet die Entwicklungsbank BNDES zinsgünstige Kredite an. Mit der neuen Industriepolitik verdoppelte BNDES 2024 das Kreditvolumen für die Pharmaindustrie.

    Laut einer aktuellen Erhebung des Instituts Fiocruz stellen heute 37 Unternehmen Wirkstoffe in Brasilien her, darunter Cristália, Libbs, Globe, Nortec Química, Blanver, Prati-Donaduzzi und Biomm. Der Großteil dieser Hersteller betreibt Forschung und Entwicklung (F&E) und verfügt über freie Produktionskapazitäten. Fiocruz sieht gute Chancen, dass zukünftig wieder 20 Prozent der Wirkstoffe lokal hergestellt werden. Ein Wettbewerbsvorteil des Standorts seien dabei auch die großen Viehbestände des Landes.

    Anreize für Forschung und Entwicklung

    Der Staat weitet die Förderung für Forschungsprojekte aus. BNDES stellt bis 2026 ein Kreditvolumen von 1,1 Milliarden US$ für die Entwicklung und Produktion neuer Arzneimittel bereit. Auch die niedrigen Gewinnmargen im hart umkämpften Generikamarkt motivieren immer mehr lokale Hersteller dazu, in F&E zu investieren. Eurofarma, Cristália und Hypera Pharma greifen dabei auch auf das agile Start-Up-Ökosystem zurück. Die zwölf Laboratorien, die über den Verband Grupo FarmaBrasil zusammengeschlossen sind, investieren bis 2027 voraussichtlich 2,5 Milliarden US$.

    Im internationalen Vergleich sind die Ausgaben für F&E in Brasilien relativ niedrig. Das liegt auch an der unzulänglichen Rechtssicherheit. Nach fast einem Jahrzehnt intensiver Debatten verabschiedete Brasilien im Mai 2024 mit dem Gesetz Nr. 14.874/2024 einen Rechtsrahmen für klinische Forschung. Dieser trat im August 2024 in Kraft. In einigen Bereichen müssen noch konkrete Vorgaben festgelegt werden, damit die Pharmaindustrie die Risiken einkalkulieren kann. Erst dann wird Brasilien für die Erforschung neuer Medikamente wettbewerbsfähiger.

    Von Gloria Rose | São Paulo

  • Rahmenbedingungen

    Die strenge Preisregulierung, hohe Steuern und lange Bearbeitungszeiten gehören zu den Hauptkritikpunkten der Pharmaindustrie in Brasilien.

    Der Arzneimittelmarkt in Brasilien ist streng reguliert. Die Regulierungsbehörde des Pharmamarktes "Câmara de Regulação do Mercado de Medicamentos" (CMED) setzt für rund 5.500 regulierte Arzneimittel Preisobergrenzen für den Groß- und Einzelhandel fest. Einmal im Jahr, jeweils Anfang April, passt CMED diese Obergrenzen an. Die Höhe der Anpassung orientiert sich in der Regel an dem Verbraucherpreisindex IPCA. 

    Für 2025 hat CMED eine maximale Preisanpassung für regulierte Arzneimittel exakt in Höhe der Inflationsrate von 5,06 Prozent beschlossen. Dies ist jedoch nicht jedes Jahr der Fall. Beispielsweise gestand CMED dem Sektor 2024 nur relativ niedrige Preiserhöhungen zu. Die strenge Preisregulierung kann zum Problem werden, wenn die Produktionskosten deutlich schneller steigen als das Preisniveau insgesamt. 

    Um Herstellern mehr Planungssicherheit zu geben, diskutiert die Regierung eine Beschleunigung der Einfuhr medizinischer und pharmazeutischer Rohstoffe.

    Auswirkungen der anstehenden Steuerreform 

    Im Jahr 2024 trieben höhere Umsatzsteuersätze in 15 Bundesstaaten die Arzneimittelpreise in die Höhe. Die Steuerreform, die Brasilien zwischen 2026 und 2033 etappenweise durchführt, wird die Steuerbelastung auf Arzneimittel deutlich reduzieren: 383 Medikamente werden von jeglicher Steuer befreit. Auf alle anderen Arzneimittel wird ein um 60 Prozent ermäßigter Umsatzsteuersatz erhoben. Das besagt das Gesetz 214/2025, das Präsident Lula da Silva im Januar 2025 verabschiedete. 

    Allerdings steht nicht fest, dass die Industrie die Begünstigungen in vollem Umfang an die Verbraucher weitergeben wird. Schließlich entfallen durch die Reform auch Steuervorteile, die der Sektor bislang in Anspruch nimmt. Doch die Unternehmen sparen auch dadurch Kosten, dass das neue System wesentlich einfacher und weniger arbeitsintensiv sein wird.

    Vertrieb an das staatliche und private Gesundheitswesen

    Brasiliens Pharmaindustrie erzielt rund drei Viertel des Umsatzes über Apotheken, Drogerien und den wachsenden Onlinehandel. Hier handelt die Pharmaindustrie mit den einzelnen Vertriebspartnern Preise aus. Ein Viertel der Verkäufe erfolgt direkt an das öffentliche Gesundheitswesen "Sistéma Único de Saúde" (SUS) sowie an private und gemeinnützige Gesundheitseinrichtungen.

    SUS spielt eine große Rolle in Brasilien. Das Land mit seinen kontinentalen Ausmaßen ist der weltweit einzige Staat mit über 100 Millionen Einwohnern, der allen Bürgern eine kostenfreie Gesundheitsversorgung bietet. Die Lebensbedingungen in den 5.570 Städten und Gemeinden und auch die Erkrankungen variieren stark. Entsprechend groß ist die Herausforderung, eine gleichwertige Versorgung zu bieten.

    Beschaffungen für das SUS verhandelt der Staat entweder direkt mit den Pharmaherstellern, beispielsweise im Rahmen der erwähnten öffentlich-privaten Produktionspartnerschaften ("Parcerias para o Desenvolvimento Produtivo" – PDP), oder er erwirbt Arzneimittel über öffentliche Ausschreibungen. Beim zentralisierten Medikamenteneinkauf kann das Gesundheitsministerium die höchsten Preisabschläge verhandeln. Doch nicht in jedem Falle ist die zentralisierte Beschaffung praktikabel. Vielfach schreiben auch die Bundesstaaten oder die Gemeinden ihren Medikamentenbedarf aus.

    Im Gegensatz zum Staat kann das parallel existierende private Krankenversicherungssystem keine Verhandlungsmacht beim Arzneimittelkauf geltend machen, da die Versicherer selbst keine Medikamente beschaffen dürfen. Derzeit sind 52,2 Millionen Brasilianer bei einer der rund 700 Gesellschaften versichert. Direkt bezahlt werden Medikamente nur im Falle einer stationären Behandlung. Bestimmte Apothekenketten gewähren den privat Versicherten Ermäßigungen, die sie mit den Versicherern und der Industrie aushandeln. Dadurch unterscheiden sich die Preise für den Endverbraucher oft immens. 

    Behörden beschleunigen Verfahren 

    Bürokratische Engpässe verlangsamen die Anmeldung von Patenten in Brasilien. Bis zum Abschluss des Verfahrens braucht das Institut zum Schutz des gewerblichen Eigentums INPI im Durchschnitt 3,8 Jahre. Im Jahr 2024 warteten zeitgleich etwa 4.000 Pharmaprodukte auf ein anerkanntes Patent. Brasiliens Regierung sicherte im März 2025 Investitionen zu, um moderne IT-Systeme einzurichten und den Prozess der Patentanmeldung und -prüfung künftig in deutlich kürzerer Zeit abzuwickeln. 

    Brasiliens Gesundheitsaufsichtsbehörde Anvisa konnte die Wartezeiten bei der Marktzulassung von Medikamenten bereits zurückfahren und lange Warteschlangen reduzieren. Über die Verordnung RDC Nr. 954/2024 vom 20. Dezember 2024 baut Anvisa bürokratische Hürden ab, beschleunigt Genehmigungsprozesse und senkt dadurch die Kosten für neue Arzneimittelzulassungen.

    Zuständige nationale Stellen und Portale

    Rückverfolgbarkeit und Fälschungssicherheit bei Medikamenten

    Seit April 2022 müssen alle Arzneimittel serialisiert und über ein Track-and-Trace-System entlang der gesamten Lieferkette rückverfolgbar sein. Die Einführung des Überwachungssystems "Sistema Nacional de Controle de Medicamentos" (SNCM) per QR-Code ist jedoch immer noch nicht vollständig abgeschlossen. Die Rückverfolgbarkeit und Fälschungssicherheit bei Medikamenten liegt in der Verantwortung von Anvisa sowie aller Akteure vom Hersteller bis zu den Groß- und Einzelhändlern. 

    Die wichtigsten neuen Regelungen zum Arzneimittelmarkt in Brasilien bietet das Pharma Update Brasilien, der kostenlose Newsletterservice der Exportinitiative Gesundheitswirtschaft. Informationen zur Regulierung bietet auch die Reihe "So geht's... in Brasilien" der Auslandshandelskammer (AHK) São Paulo.

    Germany Trade & Invest stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nicht tarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Von Gloria Rose | São Paulo

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    AHK Brasilien

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen in São Paulo, Rio de Janeiro, Porto Alegre und Curitiba

    VDMA BrasilVDMA Verbindungsbüro in São Paulo

    Exportinitiative Gesundheitswirtschaft

    Die Exportinitiative bündelt Unterstützungsangebote für die Internationalisierung der Gesundheitswirtschaft

    Ministério da Saúde

    Brasilianisches Gesundheitsministerium
    Agência Nacional de Vigilância Sanitária (Anvisa)Nationale Gesundheitsaufsichtsbehörde
    Sindicato da Indústria de Produtos Farmacêuticos no Estado de São Paulo (Sindusfarma)Branchenverband für Pharmaprodukte
    Associação das Indústrias de Medicamentos Genéricocs e Biossimilares (PróGenéricos)Branchenverband der Generika-Laboratorien
    Associação Brasileira da Indústria de Química Fina, Biotecnologia e suas Especialidades (Abifina)Verband für Spezialchemie und Biotechnologie
    Associação Brasileira da Indústria Farmoquímica (Abiquifi)Industrieverband für Pharmachemie und Wirkstoffe
    Associação da Indústria Farmacêutica de Pesquisa (INTERFARMA) Verband der Pharmaindustrie und -forschung
    Associação Brasileira de Distribuição e Logística de Produtos Farmacêuticos (Abradilan)Verband für Vertrieb und Logistik von Pharmazeutika
    FCE PharmaFachmesse
    Abradilan Conexão FarmaFachmesse, 10.-12.03.26, São Paulo Expo Center Norte

    Panorama Farmacêutico

    Internetportal zur Branche
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