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Hochbau: Marktlage und Marktentwicklung

Hohe Zinsen dämpfen die Aussichten für den Hochbau. Auch im Wirtschaftsbau sind die Erwartungen nur verhalten positiv.

Von Gloria Rose | São Paulo

Schwaches Wachstum im Jahr 2023

Trotz der Abschwächung der gesamtwirtschaftlichen Konjunktur wuchs der Bausektor auch im Jahr 2022 kräftig. Die Wertschöpfung der Bauwirtschaft stieg real um 6,9 Prozent, während Brasiliens Bruttoinlandsprodukt (BIP) nur um 2,9 Prozent zulegte. Für 2023 erwartet der Bauwirtschaftsverband Câmara Brasileira da Industria da Construção (CBIC) nur ein geringeres Wachstum. Mit einem Plus von 2 Prozent dürfte es aber erneut über dem Zuwachs des BIP liegen, das voraussichtlich nur um rund 1 Prozent steigen wird.

Angesichts der Abkühlung der Baukonjunktur sah sich die CBIC im April 2023 erstmals seit zehn Quartalen dazu angehalten, die Wachstumserwartungen nach unten zu korrigieren. Bereits im 4. Quartal 2022 nahm die Wertschöpfung um 0,7 Prozent ab. Der Negativtrend setzte sich in den ersten zwei Monaten des Jahres 2023 fort. Auch das Vertrauen der Bauunternehmer entwickelt sich rückläufig.

Finanzierungsbedingungen trüben die Aussichten

Grund für die Abkühlung sind die stark gestiegenen Zinsen. Seit August 2022 liegt der Leitzins Selic auf einem Niveau von 13,75 Prozent. Selbst wenn die brasilianische Zentralbank den Leitzins in diesem Jahr wieder absenken sollte, dürften die Zinsen für Immobilienkredite stagnieren oder sogar noch weiter steigen. Denn für Wohnimmobilien stellen die staatlichen Banken derzeit immer weniger Mittel bereit.

Weil die Baukosten stärker gestiegen sind als die Obergrenzen der staatlich geförderten Darlehen für den Wohnungsbau, konnten sich immer weniger Haushalte eine Immobilie leisten. Im Sozialwohnungsbau, wo Baukosten ohnehin sehr knapp kalkuliert werden, kamen somit immer weniger Projekte auf den Markt. Seit 2020 werden erstmals weniger als die Hälfte aller Neuangebote über Förderprogramme abgewickelt.

An den Wohnungsmärkten von 150 Städten kamen im Jahr 2022 laut CBIC-Angaben mit 295.447 Einheiten 8,6 Prozent weniger Neuangebote auf den Markt als im Vorjahr. Der Verkauf und der Bestand an Immobilienangeboten ging um jeweils 3 Prozent zurück.

Sozialwohnungsbau soll wieder anziehen

Eine der allerersten Maßnahmen Lulas galt dem sozialen Wohnungsbau. Über die Neuauflage des Programms Minha Casa Minha Vida (MCMV) sollen bis Ende der Legislaturperiode im Jahr 2026 rund 2 Millionen Familien Zugang zu begünstigtem Wohneigentum erhalten. Der Fokus liegt auf ruhenden Baustellen. Bis Ende 2023 soll der Bau von 30.000 Wohneinheiten wieder aufgenommen werden.

Der Bundesstaat São Paulo, der das höchste Wohnungsdefizit des Landes aufweist, errichtet Wohnungen in öffentlich-privaten Partnerschaften (PPP) über das eigene Programm Nossa Casa. Zudem bietet die Stadt São Paulo Förderung an. Über das Programm Pode Entrar sollen 38.000 Wohnungen vergeben werden. Die Wohnungsbaugesellschaften Plano&Plano, MRV, Direcional und Tenda gehören zu den Interessenten.

Differenzierte Lage im Wirtschaftsbau

Der schnelle Wandel zu E-Commerce und Lieferdiensten treibt die Nachfrage nach Logistikhallen und Last-Mile-Lösungen an, auch wenn sich der Boom derzeit wieder abschwächt. Dafür verbessert sich die Lage am Markt für Büroräume, auch aufgrund der steigenden Nachfrage nach Coworking-Plätzen. Der Leerstand von Büroflächen ging am wichtigsten Markt São Paulo leicht zurück. 

Der Bau von Shoppingzentren entwickelt sich wieder positiv. Im Jahr 2022 wurden acht neue Malls eröffnet. Damit zählt der Branchenverband Abrasce nun landesweit 628 Einkaufszentren. Für 2023 erwartet der Verband 15 Neueröffnungen. Insgesamt stieg der durchschnittliche Quadratmeterpreis zur Anmietung von Gewerbeimmobilien 2022 um 5,7 Prozent.

Im Industriebau herrscht dagegen weiterhin Zurückhaltung. Für neue Impulse bedarf es klarer Signale für ein stärkeres Wirtschaftswachstum. Und diese Signale sind bislang ausgeblieben. Für die globale Energiewende bringt Brasilien jedoch wichtige Standortvorteile mit, etwa dass jetzt schon 90 Prozent des Stroms über erneuerbare Energien erzeugt werden. Dies wiederum dürfte in den kommenden Jahren Investitionen in umweltfreundliche Industrieanlagen beflügeln. Im Bereich der Metallverarbeitung kündigten einige Unternehmen erste Investitionen an. 

Der Bau öffentlicher Gebäude stockt. Die Budgets wurden in den vergangenen Jahren ausgehöhlt. Im Jahr 2022 ruhten knapp 39 Prozent der etwa 14.000 staatlichen Baustellen. Fast 4.000 Projekte sind auf den Bildungssektor ausgerichtet. Über die Plattform Mãos à Obra werden derzeit Daten über die Projekte gesammelt, um Prioritäten festzulegen. Allein im Jahr 2023 plant die neue Regierung mit knapp 4,5 Milliarden US-Dollar mehr Mittel bereitzustellen, als die Vorgängerregierung im Laufe ihrer vierjährigen Amtszeit.

Start-ups entwickeln die Gebäudemodernisierung

São Paulos Markt für ältere Wohnungen zieht bereits seit 2018 wieder an. Für Baugesellschaften lohnt sich der spekulative Kauf kaum. Doch beleben immer mehr Start-ups, sogenannte iBuyers, und innovative Dienstleister den Markt. Schließlich erlebte der Immobilienmarkt einen Digitalisierungsschub. Von der Ansicht der Grundrisse bis zur Vertragsunterzeichnung geht jetzt alles digital. Auch virtuelle Besichtigungen sind möglich. Die Start-ups Loft und Keycash sowie das landesweit größte Immobilienportal ZAP konzentrieren sich auf São Paulo. Durch spezialisierte Retrofit-Dienstleister und innovative Verfahren gelingt es, die Verkaufsabwicklung zu beschleunigen. Im Jahr 2020 startete der Baukonzern Vitacon eine eigene iBuyer-Plattform. Auch Portale zur Vermietung wie QuintoAndar beleben die Renovierungen. 

Zudem stimuliert der Verkauf staatlicher Gebäude das Segment. Zur Haushaltskonsolidierung stoßen die Regierungen aller drei Ebenen Immobilien ab. Insgesamt stehen 55.000 Aktiva für den Verkauf zur Verfügung. Statt klassischer Versteigerungen können potenzielle Käufer nun nach dem System Propostas de aquisição de imóveis (PAI) eigene Vorschläge einreichen. Außerdem treibt Brasiliens größte Metropole São Paulo die Wiederbelebung des seit Jahrzehnten vernachlässigten Stadtzentrums voran.

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