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Brasiliens Kosmetikindustrie expandiert
Brasilien bleibt ein wichtiger Wachstumsmarkt für Kosmetika und ein bedeutender Innovator mit Fokus auf Nachhaltigkeit und Biodiversität. Die Nachfrage nach Premiumprodukten boomt.
23.07.2025
Von Gloria Rose | São Paulo
Mit einem Branchenumsatz von 26,6 Milliarden US-Dollar (US$) verfügte Brasilien 2024 über den fünftgrößten Markt für Kosmetika weltweit. Dies zeigen Zahlen von Statista Market Insights. Übertroffen wurde das Marktvolumen nur von den USA, China, Japan und Indien.
Für das Jahr 2025 prognostiziert Statista ein Umsatzwachstum von nominal 6 Prozent auf 28,2 Milliarden US$. Dabei ist das höchste Wachstum im Bereich Parfüm und Deo (+7,6 Prozent) zu erwarten, gefolgt von den Segmenten Kosmetika (+6,3 Prozent) sowie Hygiene- und Körperpflegeartikel (+5,7 Prozent). Der Absatz von Hautpflegeprodukten könnte 2025 um 5,4 Prozent steigen, der von Beauty-Tech-Produkten um 2,6 Prozent.
Brasilien ist Wachstumstreiber
Unter den größten Märkten weltweit weist Brasilien das mit Abstand höchste Wachstum auf. Bis 2030 erwartet Statista eine durchschnittliche Umsatzsteigerung von rund 5 Prozent pro Jahr. In den vergangenen Jahren trieben höhere Umsatzsteuern und teurere Vorprodukte die Preise in die Höhe – auch wegen der wachsenden Nachfrage nach Premiumqualität sowie nach individuell auf den Kunden zugeschnittenen Angeboten. Eine Studie der Marktforschungsfirma Kantar zeigt, dass 2024 alle Einkommensklassen teurere Produkte nachfragten. Haushalte mit mittlerem Einkommen steigerten ihre durchschnittlichen Ausgaben sogar zweistellig.
Nachfrage nach Qualitätsprodukten wächst besonders stark
Der Verkauf von Premiumkosmetika stieg 2024 um 19 Prozent, der von hochwertigem Make-up sogar um 26 Prozent. Bei Sonnenschutzprodukten ist Brasilien der drittgrößte Markt weltweit, nach den USA und China. Die Marktforscher von Euromonitor erwarten eine Fortsetzung des starken Wachstums in dem Segment. Bis 2029 soll der Absatz um 67 Prozent wachsen. Das ist wesentlich mehr als der weltweite Durchschnitt.
Auch bei Haarpflegeprodukten erwartet Euromonitor ein überdurchschnittliches Wachstum. In dieser Kategorie liegt Brasilien ebenfalls auf dem 3. Rang nach den USA und China. Weitere Marktsegmente mit einer überdurchschnittlichen Verkaufssteigerung sind Insektenschutzmittel, nicht zuletzt infolge der Dengue-Epidemien der jüngsten Jahre.
Bei Parfum und Deos sowie Körperpflegemitteln liegt Brasilien im weltweiten Vergleich auf Rang 2 nach den USA, bei speziellen Produkten für Männer auf Rang 4 nach den USA, China und Japan. Diese Produktkategorien bieten stabile Wachstumsaussichten.
Trends im Verbraucherverhalten
- Produkte in Premiumqualität zu erschwinglichen Preisen werden immer beliebter. Doch auch Luxusprodukte haben nach wie vor eine gute Konjunktur.
- Im Marketing geben Influencer den Ton an. Soziale Medien haben in Brasilien einen außergewöhnlich hohen Stellenwert.
- Nachhaltigkeit und Klimaschutz gewinnen an Bedeutung, mit Folgen auf allen Ebenen – vom Einkauf der Vorprodukte bis zur Verpackung.
Große Hersteller dominieren den Markt
Viele neue Marken drängen auf den Markt. Der Großteil der Nachfrage entfällt jedoch auf etablierte Konzerne. Die lokalen Hersteller Natura und Grupo Boticário sind durch den traditionellen Direktverkauf sehr präsent und genießen breite Anerkennung. Dazu kommen die großen multinationalen Hersteller, darunter auch deutsche Konzerne. Beiersdorf ist mit den Marken Nivea und Eucerin auf dem Markt vertreten und produziert in Itatiba (São Paulo).
Unternehmen (Herkunftsland) | Marken | Aktuelle Entwicklung in Brasilien / Lateinamerika |
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Grupo Boticário (Brasilien) | Eudora, Vult, Quem Disse Berenice?, Beauty Box, O.u.i, Truss | Boticário expandiert aggressiv im Rahmen von Produktionspartnerschaften mit elf Fabriken und gewinnt Marktanteile. Im Jahr 2024 steigerte die Gruppe den Gesamtumsatz um 20 Prozent auf 6,8 Milliarden US$, überholte Natura und eroberte die Marktführung.
In den Jahren 2023 und 2024 erhielt Boticário die Auszeichnung als zweitplatziertes Unternehmen im Nachhaltigkeitsranking Brasiliens (Ranking Merco de Responsabilidade ESG) |
Natura&Co (Brasilien) | Natura und Avon | Nach der Übernahme von Avon durchläuft Natura eine Phase der Reorganisation. Natura verzeichnete 2024 einen Umsatzrückgang um 6 Prozent und setzt weiterhin auf nachhaltige Produkte und digitale Vertriebskanäle.
Im Jahr 2024 belegte Natura zum elften Jahr in Folge den ersten Platz als das verantwortungsvollste Unternehmen in Brasilien. |
Unilever (Vereinigtes Königreich) | Seda, Axe, Dove, Lux, Presto, Brut, Love Beauty & Planet | Unilever erwirtschaftete 2024 in Lateinamerika einen Umsatz von rund 9,1 Milliarden Euro (2023: 8,4 Milliarden Euro). Unilever investiert weiterhin in nachhaltige Verpackungen, digitale Transformation und Produktinnovationen, um seine Marktposition in Brasilien und Lateinamerika zu stärken. |
L'Oréal (Frankreich) | L'Oréal Paris, Maybelline New York, Garnier und NYX Professional Make Up sowie Luxusmarken wie Lancôme, Yves Saint Laurent, Armani und Biotherm | L’Oréal verzeichnete 2024 ein Umsatzwachstum von 11 Prozent in Lateinamerika. Weltweit stieg der Gesamtumsatz um 5,1 Prozent. Damit ist die Region einer der am stärksten wachsenden Märkte für den Konzern. Brasilien spielt eine Schlüsselrolle. L’Oréal investiert weiterhin in digitale Transformation, Premiumkosmetik und Hautpflege, um seine Marktposition zu stärken. |
Colgate-Palmolive Co. (USA) | Colgate, Palmolive, Sorriso, Protex, elmex, Darling | In Lateinamerika insgesamt steigerte Colgate-Palmolive den Umsatz 2024 um 3,1 Prozent auf knapp 4,8 Milliarden US$. Brasilien ist einer der größten Einzelmärkte in Lateinamerika. Das Unternehmen investiert und eröffnete 2024 die F&E-Einrichtung Colgate Xperience Center (CXC). |
Auch für neue Player bietet Brasiliens Kosmetikmarkt Potenzial. Hierzu zählt das hessische Unternehmen Cosnova, das den Markt seit 2018 bedient – mit der preisgünstigen Marke Essence Cosmetics sowie der Premiummarke Catrice.
"Im Bereich der Zulieferer sind nur wenige Länder so umfassend aufgestellt wie Brasilien"

Timo Lehner ist seit 2012 bei dem Unternehmen Cosnova tätig und war an der Vorbereitung des Markteinstiegs in Brasilien beteiligt. Seit Anfang 2020 leitet er die Niederlassung des deutschen Kosmetikherstellers in São Paulo. Im Jahr 2023 erzielte Cosnova in Brasilien ein Umsatzplus von 75 Prozent. Auch 2024 verzeichnete das Unternehmen einen Zuwachs. Für 2025 erwartet Cosnova eine Fortsetzung des Trends mit einem Wachstum im zweistelligen Prozentbereich.
Wie blickt Cosnova auf den brasilianischen Markt?
Der Blick auf die Marktgröße und die wachsende Nachfrage in Brasilien verführt zu Euphorie. Andererseits treffen wir auf große Herausforderungen, um unser Konzept niedriger Verbraucherpreise in dem Markt umsetzen zu können. Der Anpassungsprozess an den brasilianischen Markt ist komplex und birgt das Risiko von Rückschlägen. Cosnova ist dabei, eine gesunde Balance zu finden.
Welche Herausforderungen sind das?
Da ist in erster Linie die hohe Steuerbelastung. Für die Artikel unserer Marke essence liegen die Endverbraucherpreise deshalb im Schnitt deutlich höher als in Deutschland.
Wie stehen die Chancen auf eine Produktion in Brasilien?
Cosnova wird vorerst weiter alle Produkte aus Deutschland importieren. Wenn wir unseren Marktanteil weiter steigern, lohnt sich ab einer gewissen Abnahmemenge der Aufbau einer lokalen Produktion. Im Bereich der Zulieferer sind nur wenige Länder so umfassend aufgestellt wie Brasilien. Zahlreiche etablierte lokale, aber auch internationale Marken sourcen deshalb einen Großteil Ihrer Produkte lokal. Auch einige unserer bestehenden europäischen Zulieferer sind in Brasilien bereits mit lokalen Produktionsstätten vertreten.
Und im Vertrieb? Wie erreicht Cosnova die Endverbraucher in Brasilien?
Wir setzen derzeit verstärkt auf den Onlinehandel, um den Bekanntheitsgrad unserer Marken zu steigern. Zwar macht dieser in Brasilien nur circa 8 bis 10 Prozent des Marktes aus, aber unsere Produkte sind so für ein breites Publikum sichtbar und zugänglich. Denn Kosmetika werden traditionell über den Direkthandel vertrieben und über den recht fragmentierten Kanal der Parfümerien, was den langwierigen Aufbau komplexer Vertriebsstrukturen voraussetzt. Im Marketing setzen wir auf soziale Medien. Influencer haben in Brasilien einen hohen Einfluss auf das Konsumverhalten.
Nach der schweren Rezession ab 2014 und der darauffolgenden Coronakrise steht die brasilianische Konsumgüterindustrie vor einem neuen Investitionszyklus. Im August 2024 kündigte Boticário Investitionen in Höhe von 770 Millionen US$ an. Neben Erweiterungen der Fabriken in São José dos Pinhais (Paraná) und in Camaçari (Bahia) errichtet die Gruppe ein neues Werk in Pouso Alegre im Bundesstaat Minas Gerais.
Hersteller setzen auf Innovation und Nachhaltigkeit
Aufgrund der ethnischen Vielfalt und der einzigartigen Biodiversität ist Brasilien ein bedeutender Standort für Forschung und Entwicklung (F&E). Nur in den USA bringt der Sektor mehr Produkte auf den Markt.
Die lokalen Hersteller Natura und Grupo Boticário zählen zu den innovativsten Unternehmen des Landes. Das Umfeld für F&E wird durch die Kooperation zwischen dem Branchenverband Abihpec und der Gesellschaft für Forschung und industrielle Innovation EMBRAPII gestärkt. Zudem treiben aussichtsreiche Jungunternehmen die Entwicklung voran.
In Brasilien sind Tierversuche für Kosmetika verboten, und Nachhaltigkeit gewinnt an Bedeutung. Doch ohne klaren Rechtsrahmen bleibt der Begriff Naturkosmetik ungeschützt – ein Risiko für Greenwashing. Die Marktführer investieren dennoch in nachhaltige Lieferketten und setzen zunehmend auf umweltfreundliche Verpackungen.
Chancen ergeben sich auch in der Sammlung und Verarbeitung von Biodiversitätsrohstoffen. Über das Förderprogramm develoPPP setzte die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) von 2017 bis 2021 ein entsprechendes Projekt von Symrise und Natura um. Symrise, der deutsche Hersteller von Duft- und Geschmackstoffen, kosmetischen Grund- und Wirkstoffen sowie funktionalen Inhaltsstoffen, betreibt in Brasilien eigene Produktionsstätten.
Brasilien verbessert Kosmetovigilanz
Am 2. August 2025 tritt eine neue Verordnung der brasilianischen Gesundheitsaufsichtsbehörde Anvisa in Kraft. Die Verordnung RDC 894/2024 legt neue Regeln für das Monitoring unerwünschter Wirkungen kosmetischer Mittel (Kosmetovigilanz) fest und ermöglicht somit die laufende und systematische Überwachung der Sicherheit von Kosmetika in Bezug auf die menschliche Gesundheit. Die neue Verordnung entspricht den internationalen Standards für Kosmetika.
Ausländische Hersteller müssen eine in Brasilien ansässige Fachkraft mit entsprechender Ausbildung benennen, die für die Erfüllung der Formalitäten zuständig ist. Allerdings haftet das Unternehmen, das die Zulassung für Kosmetikprodukte besitzt, gegenüber Anvisa in vollem Umfang.
Einer der Vorteile der Verordnung ist die Möglichkeit für Unternehmen, die Kosmetovigilanz auszulagern (auch in andere Länder) – sofern dies die Überwachung der Aktivitäten in Brasilien und die Kommunikation mit Anvisa nicht beeinträchtigt. Diese Möglichkeit stellt eine erhebliche Vereinfachung für ausländische Unternehmen dar. Andererseits erfordert die strengere Kontrolle regelmäßige Audits, was tendenziell zu höheren Betriebskosten führt.
Kosmetikimporte legten 2024 zweistellig zu
Von 2020 bis 2023 erzielte Brasilien bei Kosmetik- und Hygieneprodukten steigende Überschüsse im Außenhandel. Die wichtigsten Exportmärkte der brasilianischen Kosmetikindustrie liegen in Lateinamerika. Im Jahr 2024 verzeichnete das Land erstmals wieder ein Handelsbilanzdefizit. Die Exporte an die 176 Abnehmerländer gingen um 3 Prozent auf 884 Millionen US$ zurück.
Zeitgleich stiegen die Importe um 11,7 Prozent auf 927 Millionen US$ an. Deutschland war 2024 das neuntgrößte Lieferland in Bezug auf den Importwert. Bezogen auf die Einfuhrmenge nahm Deutschland den 6. Rang ein.
Praktische Informationen zum Markteinstieg bietet die Reihe "So geht's... in Brasilien" der Auslandshandelskammer (AHK) São Paulo.
Bezeichnung | Anmerkungen |
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Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft | |
AHK Brasilien | Anlaufstelle für deutsche Unternehmen in São Paulo, Rio de Janeiro und Porto Alegre |
VDMA Brasil | VDMA Verbindungsbüro in São Paulo |
Agência Nacional de Vigilância Sanitária (Anvisa) | Nationale Gesundheitsaufsichtsbehörde |
Abihpec | Verband der brasilianischen Kosmetikindustrie |
FCE Cosmetique | Fachmesse in São Paulo, 01.-03.06.26 |
2A+ Cosmética | Internetportal der Branche |
Cosmetic Innovation | Portal |