Branchen | Brasilien | Bauwirtschaft
Wettbewerbssituation und Geschäftspraxis
Deutsche Unternehmen müssen langfristig am Markt präsent sein und einen Mehrwert bieten, um sich im Preiswettbewerb durchzusetzen.
27.05.2025
Von Gloria Rose | São Paulo
Brasiliens Bausektor hat sich im vergangenen Jahrzehnt stark verändert: Der Tiefbau ist heute deutlich fragmentierter. Die Großen sind kleiner geworden, dafür sind mittelständische Unternehmen und internationale Konzerne nachgerückt. Außerdem achten die privaten Konzessionäre bei der Auswahl von Generalunternehmen (EPC-Contractor) stärker auf die Zuverlässigkeit und den Ruf der Baukonzerne.
Kennziffer | 2021 1) | 2022 2) | Veränderung 2022/21 |
---|---|---|---|
Bruttowert der Bauproduktion nach Sparten (in Milliarden US$) | |||
Insgesamt, davon: | 68,7 | 79,5 | 10,8 3) |
Hochbau | 30,0 | 33,6 | 7,0 3) |
Tief-/Infrastrukturbau | 22,4 | 26,9 | 14,6 3) |
Spezialisierte Bauleistungen | 16,3 | 19,1 | 12,3 3) |
Anzahl der Unternehmen insgesamt, davon: | 148.201 | 174.690 | 17,9 |
Hochbau | 58.484 | 73.128 | 25,0 |
Tief-/Infrastrukturbau | 15.601 | 16.487 | 5,7 |
Spezialisierte Bauleistungen | 74.116 | 85.075 | 14,8 |
Anteil der Bauproduktion im öffentlichen Auftrag (in %) | 26,1 | 30,2 | - |
Ein Jahrzehnt drastischer Umstrukturierungen
Durch einen Korruptionsskandal erlebte der Bausektor ab 2014 eine tiefgreifende Umstrukturierung. Statt in staatlichem Auftrag erfolgen die Investitionen in den Tiefbau heute größtenteils durch private Betreiberunternehmen als Konzessionsnehmer öffentlich-privater Projekte (PPP).
Mit dieser Trendwende änderten sich die Wettbewerbsbedingungen, denn die privaten Betreiber achten deutlich mehr auf Effizienz und Qualität. Dies spielte neuen Playern in die Hände, während die großen Baukonzerne diese Aspekte jahrzehntelang vernachlässigt hatten. Hinzu kam der durch den Korruptionsskandal geschädigte Ruf vieler etablierter Konzerne, die in der Folge ihren Namen änderten. Odebrecht wurde zu OEC der Gruppe Novonor, OAS zu Coesa und Metha, Camargo Corrêa zu Grupo Mover, Queiroz Galvão zu Álya Construtora und Engevix Engenharia zu Nova Participações.
Von den Schwierigkeiten der einst gigantischen Player profitierten die mittelgroßen Bauunternehmen, die in der Lage waren, die erforderlichen Garantien zu bieten und Großaufträge als EPC-Contractor anzunehmen. Dazu zählen das Unternehmen HTB der deutschen Zech-Gruppe, zu der auch das Bauunternehmen Tedesco (Porto Alegre) gehört, sowie U&M Mineração e Construção, Barbosa Melo, Racional und Construcap.
Auch einige ausländische Bauunternehmen nutzten die Gelegenheit, um sich auf dem brasilianischen Markt zu etablieren, darunter der spanische Baukonzern Acciona und die Firma ECB (Tochter der portugiesischen Gruppe Mota-Engil). Der kanadische Vermögensverwalter Brookfield engagiert sich in Brasiliens Wasserwirtschaft über das Unternehmen BRK Ambiental. Mittlerweile beteiligen sich immer mehr brasilianische Vermögensverwalter wie 4UM, Opportunity, Prisma, Pátria und BTG an den Infrastrukturkonzessionen und kurbeln den Wettbewerb an.
Unternehmen | Bruttoumsatz 2023 1) | Veränderung 2023/22 2) |
---|---|---|
OEC | 814 | -10 |
Acciona | 620 | 21 |
LCM Construção | 616 | 142 |
Andrade Gutierrez Engenharia | 580 | 8 |
Construcap | 324 | 21 |
ECB – Empresa Construtora do Brasil | 313 | 152 |
Construtora Barbosa Mello | 308 | 24 |
A. Yoshii Engenharia e Construções | 306 | 6 |
U&M Mineração e Construção | 299 | 0 |
Fagundes Construção e Mineração | 294 | 24 |
Unternehmen | Bruttoumsatz 2023 1) |
---|---|
MRV | 1.576 |
Cyrela | 1.289 |
Construtora Tenda | 602 |
Even | 597 |
Cury | 592 |
Direcional Engenharia | 489 |
Plano&Plano | 440 |
Patrimar Engenharia | 284 |
Tegra Incorporadora | 263 |
Moura Dubeux | 225 |
China engagiert sich zunehmend
Chinesische Konzerne sicherten sich besonders viele Chancen, allen voran im Strom-, Öl- und Gassektor. Die Staatskonzerne CTG, SPIC und State Grid etablierten sich als wichtige Akteure in der brasilianischen Stromversorgung. Große Pläne verfolgen auch China Energy Engineering Corporation (CEEC) und die CEEC-Tochter China Gezhouba Group Corporation (CGGC).
Transportsektor rückt in den Fokus
Zukünftig dürfte China sein Engagement in der Verkehrsinfrastruktur ausbauen. Im Jahr 2017 übernahm die China Communications Construction Company (CCCC) den von der Lava-Jato-Affäre betroffenen Baukonzern Concremat. Im März 2024 begannen die Vermessungen für den vierjährigen Bau der längsten Brücke Lateinamerikas zwischen Salvador und der Insel Itaparica (Bahia). CCCC hatte die 35-jährige Konzession 2020 zusammen mit dem chinesischen Konzern CR20 gewonnen. Außerdem unterzeichnete der chinesische Baugigant 2023 ein 2 Milliarden US-Dollar teures Eisenbahnprojekt im Staat Pará. Jetzt interessiert sich CCCC für die Versteigerung des Unterwassertunnels zwischen Santos und Guarujá im Bundesstaat São Paulo.
Neben CCCC und CR20 engagieren sich weitere chinesische Infrastrukturkonzerne im Land. Im Juli 2023 startete das Konsortium des brasilianischen Tiefbauunternehmens Tiisa mit CREC-10, der Tochter der China Railway Group, den Bau der Schienenstrecke FIOL zwischen Caetité und Ilhéus. Auftraggeber ist der Bergbaukonzern BAMIN, der zum kasachischen Unternehmen Eurasian Natural Resources gehört.
Im März 2024 sicherte sich ein Konsortium des weltweit größten Schienenfahrzeugherstellers China Railway Rolling Stock Corporation (kurz CRRC) die Konzession für den Schnellzug Trem Intercidades (TIC) zwischen São Paulo und Campinas. Power Construction Corporation of China (PowerChina) und CCR bekundeten Interesse für die Projekte im Schienennahverkehr São Paulos.
Branche öffnet sich für Innovationen
Brasilianische Start-ups haben die Baubranche für sich entdeckt. In den letzten sechs Jahren hat sich die Anzahl der sogenannten PropTechs und ConstruTechs verdreifacht. Im Jahr 2023 verzeichnete Terracotta Ventures 1.209 Start-ups des Immobilien- und Baugewerbes, 13 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Wagniskapitalgeber fördert das Ökosystem über die Plattform MITHUB. Eine digitale Disruption erwartet die eher konservative Branche jedoch nicht.
Starker Preiswettbewerb bei Einfuhren
Zölle und der schwache Real verteuern die Importe deutscher Produkte, die sich im Preiswettbewerb insbesondere gegenüber Importen aus China behaupten müssen. Herstellergarantien, Vorteile beim Kundenservice oder bei der Finanzierung helfen, den Absatz zu steigern. Das Geschäftsmodell sollte auf den Bedarf und die Geschäftspraxis der jeweiligen Abnehmer abgestimmt werden.
Besondere Herausforderungen in Brasilien
Aufgrund der Größe des Landes unterscheiden sich die natürlichen Gegebenheiten, die lokalen Gewohnheiten und auch die Bauweisen in Brasilien sehr stark. Bürokratische Verzögerungen bei Umweltlizenzen, ein ineffizienter Einsatz von Arbeitskräften und Material, Transport und Lagerung von Materialien, Umweltschäden und hohe Energiekosten stellen die Baukonzerne vor Herausforderungen. Durch den angeheizten Arbeitsmarkt herrscht Fachkräftemangel. Die steigenden Lohnkosten trieben die Baukosten 2024 weit kräftiger in die Höhe als Kostensteigerungen bei Baumaterial, zumal der Bausektor im Vergleich zu Europa wesentlich arbeitsintensiver ist.
Tipps für ein erfolgreiches Engagement im brasilianischen Bausektor
- Sichern Sie Risiken richtig ab. Um Kunden zu gewinnen, machen Unternehmen zuweilen riskante Zusagen, wie Verträge ohne Begrenzung der Schadenersatzansprüche. Das Bauunternehmen HTB limitiert die Vertragsstrafen auf maximal 10 Prozent. Dafür bilanziert der Konzern den Gegenwert und kann somit die Zahlung im Schadensfall garantieren. Durch das transparente Verfahren gewinnt der deutsche Baukonzern an Glaubwürdigkeit.
- Langer Atem als Grundvoraussetzung. Ein Markteintritt verläuft in der Regel langsamer als erwartet. Brasilianer sind beim Bauen extrem konservativ und wägen Kosten und Nutzen nüchtern ab. Langfristig werden sich neue Technologien und Trends aber durchsetzen.
- Geschäftsbeziehungen entstehen auf einer persönlichen Vertrauensbasis. Um erfolgreich zu sein, muss ein deutsches Unternehmen den brasilianischen Markt langfristig begleiten und präsent sein. Eine Zusammenarbeit mit brasilianischen Partnerunternehmen bietet sich auch wegen der immer noch hohen Bürokratie und des komplizierten Steuersystems an.
Private und öffentliche Auftragsvergabe
Bei der gezielten Kontaktsuche unterstützen die Auslandshandelskammern deutsche Unternehmen. Im Tiefbau empfiehlt sich eine frühzeitige Kontaktaufnahme zu potenziellen Konzessionsnehmern – möglichst noch vor einer Versteigerung der Verträge. Nur so kann der interessierte Betreiber Effizienzgewinne durch moderne Technologien in sein Gebot einkalkulieren.
In dem Investitionsprogramm PAC erhalten staatliche Bauaufträge wieder etwas mehr Gewicht. Öffentliche Projekte werden über das zentrale Portal de Compras ausgeschrieben. Die Teilnahme ausländischer Unternehmen wurde bereits im Jahr 2020 entbürokratisiert.
Germany Trade & Invest stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nicht tarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.