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Branchen | Brasilien | Bauwirtschaft

Wettbewerbssituation und Geschäftspraxis

Deutsche Unternehmen müssen langfristig am Markt präsent sein und einen Mehrwert bieten, um sich im Preiswettbewerb durchzusetzen.

Von Gloria Rose | São Paulo

Bausektor durchläuft intensive Umstrukturierung

Ausgewählte Strukturdaten zur Bauwirtschaft in Brasilien (Veränderung in Prozent)

Kennziffer

2019 1)

2020 2)

Veränderung 2020/19 3)

Wert der Bauinvestitionen insgesamt (in Milliarden US$), davon

68,3

59,0

12,8

  Hochbau

30,2

26,4

14,2

  Tief-/Infrastrukturbau

22,0

19,6

16,3

  Spezialisierte Bauleistungen

16,2

13,0

5,7

Anteil der Bauinvestitionen im öffentlichen Auftrag (in %)

30,3

30,0

Anzahl der Unternehmen, davon

125.077

131.809

5,4

  Hochbau

49.568

52.925

6,8

  Tief-/Infrastrukturbau

13.036

14.048

7,8

  Spezialisierte Bauleistungen

62.473

64.836

3,8

Wohnbau, davon 4)

  Neuangebote (Anzahl/Einheiten)

184.761

151.782

-17,8

  Verkäufe (Anzahl/Einheiten)

172.902

189.857

9,8

  Bestand an Immobilienangeboten zum Jahresende (Einheiten)

187.836

164.786

-12,3

1 Umrechnung zum Jahresdurchschnittskurs 2019: 1 US$ = 3,94 R$; 2 Umrechnung zum Jahresdurchschnittskurs 2020: 1 US$ = 5,15 R$; 3 nominal bezogen auf 2020/19 und die Werte in Landeswährung R$; 4 in 150 Städten.Quelle: Statistikamt IBGE 2023; Kammer der Bauindustrie CBIC 2021

Bis vor wenigen Jahren wurden Aufträge in Brasiliens Tiefbau größtenteils staatlich ausgeschrieben. Heute fehlen dem Staat dafür die nötigen Finanzressourcen. Der Einbruch der Auftragslage und die Korruptionsaffären der Ermittlungsoperation Lava Jato brachten alle großen brasilianischen Baukonzerne in finanzielle Schwierigkeiten. Heute erfolgt der Tiefbau zu 80 Prozent im Auftrag privater Konzessionäre oder anderer Investoren. Allerdings verlor der Tiefbau durch den Einbruch der Staatsausgaben auch an Gewicht. Im Jahr 2011 trug das Segment 42 Prozent zum Branchenumsatz bei, zehn Jahre später waren es nur noch 33 Prozent.

Mit der Trendwende zu privaten Auftraggebern etablieren sich neue Wettbewerbsbedingungen für den Tiefbau. Die ehemals Großen haben Effizienzaspekte jahrzehntelang vernachlässigt. Privaten Betreiberunternehmen können sie daher oft keine attraktiven Lösungen anbieten. Darüber hinaus besteht das Risiko, dass die Konzerne zukünftig für Korruptionsaffären belangt werden, die bislang nicht bekannt wurden. Damit wären bereits geschlossene Wiedergutmachungsabkommen mit dem Staat hinfällig. Einmal in Verruf geraten, wird es schwer, das Vertrauen der privaten Auftraggeber zu gewinnen.

Branche ist heute fragmentierter

Während vor zehn Jahren die acht größten Konzerne ein Viertel des Umsatzes im Tiefbau erwirtschafteten, tragen die acht größten heute gerade einmal 10 Prozent zum Tiefbauumsatz bei. Der Umsatz der ehemals bedeutenden brasilianischen Baukonzerne Odebrecht (heute: OEC), Andrade Gutierrez, Camargo Corrêa, OAS (heute: Metha), Queiroz Galvão (heute: Álya Construtora), Galvão Engenharia, UTC Engenharia und Constran brach rasant ein. Hinzu kamen hohe Strafzahlungen, die die zukünftigen Gewinne schmälerten. Viele beantragten ein gerichtliches Sanierungsverfahren und haben Schwierigkeiten, Garantien für Großprojekte beizubringen. Die Umstrukturierung in der Baubranche ist noch immer in Gang.

Von Brasiliens mittelgroßen Bauunternehmen sind nur wenige in der Lage, die erforderlichen Garantien zu bieten und Großaufträge anzunehmen. Zu den Ausnahmen gehört die HTB Gruppe, zu der auch das Bauunternehmen Tedesco (Porto Alegre) gehört. HTB rückte im Ranking der Topkonzerne bereits nach oben. Durch die Verlangsamung im Infrastrukturausbau bleibt den vormals mittelständischen Bauunternehmen U&M Mineração e Construção, Barbosa Melo, HTB, Racional und Construcap mehr Zeit, sich als die neuen großen Generalunternehmen (EPC-Contractor) zu etablieren.

China engagiert sich - jedoch weiterhin ohne Vorzeigeprojekt

Im Jahr 2016 übernahm China Communications Construction Company (CCCC) den von der Lava-Jato-Affäre betroffenen Baukonzern Concremat. Während der Reise von Präsident Lula nach China im April 2023 unterzeichnete der chinesische Baugigant ein Vorhaben für eine Schienenstrecke im Bundesstaat Pará, die 2 Milliarden US-Dollar (US$) kosten soll. Aus dem geplanten Bau eines Privathafens in São Luís im benachbarten Bundesstaat Maranhão wurde jedoch bislang nichts. Auch andere Ankündigungen setzte CCCC nicht um. Nach mehrmaligem Aufschub soll nun aber der vierjährige Bau der längsten Brücke Lateinamerikas zwischen Salvador und der Insel Itaparica (Bundesstaat Bahia) starten. Die 35-jährige Konzession, die sich CCCC im Jahr 2020 zusammen mit dem chinesischen Konzern CR20 sicherte, wurde Anfang 2022 preislich angepasst.
Neben CCCC und CR20 engagieren sich weitere chinesische Infrastrukturkonzerne im Land. Seit 2018 errichtete die chinesische Gruppe Shandong Kerui zusammen mit Método die Erdgasverarbeitungsanlage Itaboraí (Rio de Janeiro). Allerdings kündigte Petrobras den Vertrag mit dem Konsortium Kerui-Método 2022 auf. Jetzt wird der brasilianische EPC-Generalunternehmer Toyo Setal den Erdgaskomplex fertigstellen. Für den Bau der Schienenstrecke FIOL nahm der Bergbaukonzern BAMIN im April 2023 das Konsortium des brasilianischen Tiefbauunternehmens Tiisa mit CREC-10, der Tochter der China Railway Group, unter Vertrag.

Die chinesischen Staatskonzerne CTG, SPIC und State Grid etablierten sich als wichtige Akteure in Brasiliens Stromsektor. China Energy Engineering Corporation (CEEC) unterzeichnete anlässlich des Chinabesuchs von Präsident Lula ein Abkommen zur Investition von 10 Milliarden US$ in erneuerbare Energien in Brasilien. Chinas Energiegigant ist bereits an einem Windpark und einem Solarpark im nordöstlichen Bundesstaat Rio Grande do Norte beteiligt. CEEC-Tochter China Gezhouba Group Corporation (CGGC) übernahm 2018 die öffentlich-private Partnerschaft des Wasserreservoirs São Lourenço und plant den Bau eines Gaskraftwerkes in Maricá (Rio de Janeiro).

Neben den chinesischen Konzernen betätigen sich nur wenige ausländische Bauunternehmen in Brasilien. Dazu gehören der spanische Baukonzern Acciona, ECB der portugiesischen Gruppe Mota-Engil und HTB der deutschen Zech-Gruppe. Der kanadische Investmentfonds Brookfield engagiert sich in Brasiliens Wasserwirtschaft über das Unternehmen BRK Ambiental.

Top 10 der Baukonzerne in Brasilien 2021 (Umsatz in Millionen US$, Veränderung in Prozent)

Unternehmen

Bruttoumsatz 20211)

Veränderung 2021/20 2)

OEC

549

-21

Construcap

259

24

U&M Mineração e Construção

249

21

Acciona

241

657

Construtora Barbosa Mello

211

21

Racional Engenharia

191

132

Fagundes Construção e Mineração

188

58

Grupo Agis Construção 3)

187

5

Áyla Construção 4)

181

-5

A. Yoshii Engenharia e Construções

177

21

1 Baugewerbe (ohne Dienstleistungen oder Konzessionen) umgerechnet zum Jahresdurchschnittskurs 2021: 1 US$ = 5,4 R$; 2 bezogen auf den Umsatz in R$; 3 gehört Construtora Ferreira Guedes; 4 vormals: Queiroz Galvão.Quelle: Zeitschrift “O Empreiteiro”, Ausgabe Nr. 587 August/September 2022

Branche öffnet sich für Innovationen

Brasilianische Start-ups haben die Bauwirtschaft für sich entdeckt und beleben die Branche. Erfolgreiche Bespiele stellen Tecverde, Ambar und Housi dar. QuintoAndar und Loft zählen bereits zu den Einhörnern, sprich erzielten eine Marktbewertung von über 1 Milliarde US$. Innerhalb der vergangenen fünf Jahre verdreifachte sich die Anzahl der sogenannten PropTechs und ConstruTechs in Brasilien. Im Jahr 2022 verzeichnete Terracotta Ventures 955 Start-ups des Immobilien- und Baugewerbes, 14 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Wagniskapitalgeber fördert das Ökosystem über die Plattform MITHUB. Einige Bauunternehmen, Wohnungsbaugesellschaften und auch Baumaterialhersteller beteiligen sich aktiv an der Entwicklung. Eine digitale Disruption erwartet die eher konservative Branche jedoch nicht.

Top 10 der Wohnungsbaugesellschaften in Brasilien 2021 (Umsatz in Millionen US$, Veränderung in Prozent)

Unternehmen

Bruttoumsatz 20211)

Veränderung 2021/20 2)

MRV

1.318

4,8

Cyrela

911

25,3

Even

421

31,1

Direcional Engenharia

329

8,4

Cury

322

46,0

Tegra Incorporadora

273

180,0

Plano&Plano

241

41,0

A. Yoshii Engenharia e Construção

185

9,2

Eztec

177

-6,4

Patrimar Engenharia

163

90,0

1 Umrechnung zum Jahresdurchschnittskurs 2021: 1 US$ = 5,4 R$; 2 bezogen auf den Umsatz in R$.Quelle: Zeitschrift “O Empreiteiro”, Ausgabe Nr. 587 August/September 2022

Top 10 der Baumaterialhersteller in Brasilien 2021 (Umsatz in Millionen US$, Veränderung in Prozent)

Unternehmen

Bruttoumsatz 20211)

Veränderung 2021/20 2)

Produkte

Votorantim Cimentos

4.129

33,2

Zement und -derivate, Mörtel, Fugenmasse etc.

Dexco

1.513

39,0

Holz- und Keramikverkleidungen, Holzplatten, Sanitärprodukte

Arauco (Chile)

595

70,1

Holzplatten und -verkleidungen

InterCement

584

31,2

Zement und -derivate

Berneck

555

50,6

Holzplatten und -verkleidungen

Eucatex

454

36,3

Holzplatten, -verkleidungen, -türen

LafargeHolcim (Schweiz)

397

46,6

Zement und -derivate, Einzelhandel

Supermix

372

52,1

Betone und -derivate

Portobello

354

43,6

Porzellan- und Keramikfliesen

1 umgerechnet zum Jahresdurchschnittskurs 2021: 1 US$ = 5,4 R$; 2 bezogen auf den Umsatz in R$.Quelle: Valor 1000 2022

Starker Preiswettbewerb bei Einfuhren

Zölle und der schwache Real verteuern die Einfuhr deutscher Produkte, die sich im Preiswettbewerb insbesondere gegenüber Importen aus China behaupten müssen. Über das Sonderregime Ex-tarifário kann eine vorübergehende Zollbefreiung für Technologien beantragt werden, die nicht in Brasilien verfügbar sind. Herstellergarantien, Vorteile im Kundenservice oder in der Finanzierung helfen, den Absatz zu steigern. Das Geschäftsmodell sollte auf Bedarf und Geschäftspraxis der jeweiligen Abnehmer abgestimmt werden.

Besondere Herausforderungen in Brasilien

Aufgrund der Größe des Landes unterscheiden sich die natürlichen Gegebenheiten, lokalen Gewohnheiten und auch Bauweisen in Brasilien sehr stark. Deutsche Akteure, die in Brasilien tätig sind, beklagen den Mangel an handwerklich ausgebildetem Personal, Ingenieuren und koordinierter Planung. Hinzu kommen bürokratische Verzögerungen bei Umweltlizenzen sowie ein ineffizienter Einsatz von Arbeitskraft und Material. Widrigkeiten bergen auch der Transport und die Lagerung von Materialien, ökologische Schäden und hohe Energiekosten.

Langer Atem als Grundvoraussetzung

Geschäftsbeziehungen entstehen in Brasilien in der Regel über eine persönliche Vertrauensbasis. Entscheidend sind Zuverlässigkeit und Vertrauen - gerade bei Infrastrukturprojekten, die in der Regel über einen langen Zeitraum projektiert, ausgeführt und auch im Nachhinein begleitet werden.

Um sich zu platzieren, muss ein deutsches Unternehmen den brasilianischen Markt langfristig begleiten und präsent sein. Ein spontaner Markteintritt zum Zeitpunkt hoher Nachfrage ist selten erfolgreich, es sei denn, es können besonders große Preis- oder Effizienzvorteile geboten werden. Eine langfristige Zusammenarbeit mit brasilianischen Partnerunternehmen bietet sich auch wegen der immer noch hohen Bürokratie und des komplizierten Steuersystems an.

Private und öffentliche Auftragsvergabe 

Als Generalunternehmen (EPC-Contractor) fungieren neben den Baukonzernen und Wohnungsbaugesellschaften auch große Gesellschaften für Prestige-Immobilien wie der US-Konzern Tishman Speyer. Bei der gezielten Kontaktsuche unterstützen die Auslandshandelskammern die deutschen Unternehmen.

Im Tiefbau empfiehlt sich ein frühzeitiger Kontakt zu potenziellen Konzessionsnehmern - möglichst noch vor einer Versteigerung der Verträge. Nur so kann der interessierte Betreiber Effizienzgewinne durch moderne Technologien in sein Gebot einkalkulieren.

Ausschreibungen öffentlicher Projekte werden über das zentrale Portal de Compras veröffentlicht. Die Teilnahme ausländischer Unternehmen wurde bereits im Jahr 2020 entbürokratisiert. Durch den neuen Rechtsrahmen Lei nº 14.133/2021, der ab Ende 2023 auf den drei föderalen Ebenen verpflichtend sein wird, ergeben sich weitere Vereinfachungen.

Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

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