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Bulgariens Wasserwirtschaft hat das Klassenziel verfehlt

Bulgarien muss langfristig rund 6,5 Milliarden Euro investieren, um seine Abwasserbehandlung und Wasserversorgung EU-konform zu machen. 

Von Dominik Vorhölter | Sofia

Bulgarien erfüllt die Abwasserrichtlinien der EU nicht vollständig. Das südosteuropäische Land sammelt und reinigt nur 30 Prozent der Abwässer nach EU-Vorschriften. Nur Rumänien, Kroatien und Malta haben im EU-weiten Vergleich noch schlechtere Abwasserbehandlungssysteme, berichtet die European Environment Agency (EEA).

Das Problem ist, dass in Bulgarien ein großer Teil des Abwasseraufkommens nur in zwei Stufen, also mechanisch und biologisch, gereinigt wird. Standard sind indes drei Reinigungsstufen. Dabei gilt: Je besser die Abwasserreinigung, desto mehr Möglichkeiten bieten sich zur Wiederverwendung von Wasser im Sinne einer nachhaltigeren Kreislaufwirtschaft. Um das zu erreichen, sind erhebliche Investitionen in moderne Kläranlagen notwendig.

Das Ministerium für regionale Entwicklung und öffentliche Arbeiten schätzt, dass der Ausbau und die Modernisierung der Wasser- und Abwassersysteme in den kommenden 20 Jahren rund 6,5 Milliarden Euro kosten werden. Das schließt auch den Neubau von Wasserleitungen und Kanalisationsnetzen in einigen Städten und Gemeinden mit ein, die zum Teil mit Asbest belastet sind. Die EU stellt für diesen Zweck aus den kohäsionspolitischen Fördergeldern 715,4 Millionen Euro bereit.

Bulgarien hinkt bei Abwasserentsorgung hinterher

Die meisten EU-Länder schaffen es bereits, ihre Abwässer so gut wie vollständig zu reinigen. Allerdings hat sich die EU-Kommission im Jahr 2021 das Ziel gesetzt, bis 2050 die Schadstoffbelastung im Abwasser komplett zu eliminieren. Dafür schlägt die Kommission ab 2040 die Einführung einer vierten Reinigungsstufe vor. Für Bulgarien bedeutet dies erhebliche Anstrengungen, denn das Land hinkt bei der dritten Reinigungsstufe noch hinterher.

Reinigungsstufen in der Abwasserbehandlung

Abwasser gilt nach aktuell gültigem Standard nach Durchlauf folgender drei Stufen als vollständig gereinigt:

 

1. Mechanische Stufe: Trennt groben Unrat, wie Toilettenpapier, Windeln, Glas oder Äste ab. Anschließend fließt das Abwasser in ein Absetzbecken, wo sich schwerere Partikel wie Sand, Erde usw. am Boden absetzen können und den Klärschlamm bilden.

2. Biologische Reinigung: Bakterien fressen Fäkalien, Essensreste und andere organische Bestandteile. Die Bakterien wachsen durch Zufuhr von Sauerstoff. Sie belassen aber die Stickstoffverbindungen im Abwasser.

3. Vollständige Reinigung: Kann Stickstoffverbindungen und andere chemische Stoffe durch Eisen- und Aluminiumsalze zu festen Stoffen binden und sie so mit dem Klärschlamm vermischen.

In Bulgarien werden nur 30 Prozent des Abwassers in drei Stufen gereinigt. Somit gelangt viel mit Stickstoffverbindungen angereichertes Wasser in die Umwelt. Langfristig führt dies zu mehr Algenwuchs in bulgarischen Gewässern. 

Viele Ortschaften brauchen modernere Kläranlagen

Laut einer Studie des Ministeriums für regionale Entwicklung und öffentliche Arbeiten gibt es in Bulgarien 230 Ortschaften mit einer Einwohnerzahl zwischen 2.000 und 10.000 Personen, die über eine Kläranlage für kommunale Abwasser verfügen. Dabei sind an 51 Kläranlagen drei Reinigungsstufen installiert. Von den 99 Städten ab einer Einwohnerzahl von 10.000 Menschen, die über eine Kläranlage verfügen, sind aber nur 43 Anlagen in der Lage, die Abwässer in drei Stufen zu reinigen.

Neue Rohrleitungen sollen Wasserverluste senken

Der größte Teil des Wasser- und Abwassersystems in Bulgarien stammt aus den Jahren zwischen 1940 und 1960. Besonders die Rohrleitungen sind veraltet und weisen gar die Gefahr von Asbestbelastung auf, wie aus einer aktuellen Studie der Universität für Architektur, Bauingenieurwesen und Geodäsie in Sofia von 2022 hervorgeht.

Entsprechend vermindern veraltete Rohre die Trinkwasserqualität und erhöhen zusätzlich das Risiko des Wasserverlusts. Im gesamten Jahr 2021 lieferten die öffentlichen Wasserversorger laut Daten des Nationalen Statistischen Instituts 872 Millionen Kubikmeter Wasser, wovon 57 Prozent verloren gingen. Gerade in Zeiten von klimabedingten geringen Wasserständen in Stauseen sind hohe Wasserverluste ein Problem.

Besonders die Wasser- und Abwasserleitungen in den Regionen Blagoevgrad, Burgas und Pernik sind betroffen. Dort bestehen etwa 60 Prozent des Fernleitungsnetzes für den Wassertransport aus Asbestzement. 

Hoher Investitionsbedarf in bergigen Regionen und am Meer

In diesen Regionen befinden sich mit den staatlichen Wasserwerken Burgas, Blaogevgrad und Pernik auch einige der größten Versorger des Landes. Die Wasser- und Abwassersysteme in den bergigen Regionen Pernik und Blagoevgrad weisen den größten Investitionsbedarf auf, nicht zuletzt wegen hoher Wasserverluste in den Netzen. Das Versorgungssystem in Blagoevgrad ist zudem auf Pumpstationen angewiesen, um das Wasser zu transportieren.

In der Hafenstadt Burgas befindet sich Bulgariens längstes Wasser- und Kanalisationsnetz. Es ist besonders im Sommer durch die Badegäste belastet. Vorbildfunktion hat das Wasserwerk Sofiyska Voda in der Hauptstadt Sofia, das zu 77 Prozent der französischen Veolia-Gruppe gehört und die am besten entwickelte Wasserinfrastruktur des Landes unterhält. 

Pumpen, Filter, Geoinformationssysteme: Der Bedarf ist hoch 

Um die EU-Kriterien zu erfüllen, haben die meisten Städte und Gemeinden in Bulgarien 2013 damit begonnen, die Kläranlagen und Wassersammelbecken zu modernisieren, Filteranlagen zu erneuern und die Hydraulikkapazitäten zu erhöhen. Die Versorger arbeiten zudem daran, bessere Monitoringsysteme einzurichten. Dafür benötigen sie unter anderem:

  • moderne Ausrüstung zur Steuerung des Wasserdrucks,
  • neue Pumpen und
  • Geoinformationssysteme zur besseren Beobachtung der Wasserflüsse.

EU verschärft Regeln für die Behandlung kommunaler Abwässer

Die Europäische Kommission erarbeitet derzeit eine neue Version der aktuell geltenden Abwasserrichtlinie von 1991. Diese Initiative muss noch verabschiedet und dann in nationales Recht umgesetzt werden. Ziel ist, Umweltschäden weiter zu verringern. Dies soll durch die Aufnahme von Kleinstädten in den Anwendungsbereich der Richtlinie und die optimierte Behandlung von Abwasser erreicht werden. Viele Kläranlagen müssten dann modernisiert werden.

Des Weiteren will die EU-Kommission die Kosten der Abwasserreinigung stärker auf Verursacher, etwa Hersteller von Arzneimitteln oder Kosmetika, verlagern. Produzenten solcher Erzeugnisse sollen eine Gebühr entrichten, schlägt die EU vor. Diese hängt von der Höhe der Schadstoffmenge ab, die der Gebrauch ihrer Produkte verursacht.

Deutsche Unternehmen erkunden den Markt
Im Rahmen der Exportinitiative Umwelttechnologien findet von 4. bis 7. Dezember 2023 eine Geschäftsanbahnungsreise für Unternehmen, die Technologien und Dienstleistungen für die Wasserwirtschaft anbieten, nach Bulgarien statt. Die AHK Bulgarien organisiert die Reise im Rahmen des Markterschießungsprogramms für kleine und mittelständische Unternehmen im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. Deutsche Firmen erhalten so die Möglichkeit, Kontakte zu bulgarischen Wasserwerksbetreibern zu knüpfen und Geschäftschancen auszuloten. 

 

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