Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Markets International 6/23 I Deutschland I Raumfahrt

"Europa wacht langsam auf"

Berlin Space Technologies wurde 2010 von Studenten der Berliner TU gegründet. Sie stellen Satelliten und deren Komponenten her. Dr. Farid Gamgami, Chief Strategy Officer, im Interview.

Von Katja Meyer | Berlin

Farid Gamgami, Chief Strategy Officer, Berlin Space Technologies, Raumfahrt Farid Gamgami, Chief Strategy Officer, Berlin Space Technologies, Raumfahrt | © Farid Gamgami/privat

Sie sind bereits seit 10 Jahren im Geschäft. Wie fing alles an? Woher kam die Finanzierung? Was waren die großen Herausforderungen?

Die Gründer von Berlin Space Technologies haben sich vor 13 Jahren nach dem Studium an der TU Berlin mit ihrem Know-how selbstständig gemacht. Finanziert haben sie den Aufbau komplett selbst über eigenes Kapital und mit Hilfe der Familie, Investoren von außen gab es nicht. Die Idee war, Technologietransfer und Capacity Building für Länder anzubieten, die zur Weltraumnation werden möchten (space-emerging countries). Zusätzlich wurden Subsysteme für Satelliten zum Verkauf angeboten, um sich über Wasser zu halten. Der erste große Auftrag kam dann von einer Universität in Singapur, dadurch wuchs das Unternehmen von vier auf 20 Mitarbeiter. Heute sind es knapp 50.

Wie sieht ihr alltägliches Geschäft aus? Sind Sie bereits in der Serienproduktion? 

Unsere Produkte sind alle auf Serienproduktion ausgerichtet. Allerdings fehlen noch die ganz großen Aufträge. Seit Beginn finanzieren wir uns selbst über den Verkauf von Satellitenkomponenten und ganzen Satelliten beispielsweise im Rahmen unseres Capacity-Building-Programms. Gerade arbeiten wir daran, unsere Produktpalette den Marktbedürfnissen anzupassen, das gilt insbesondere für unsere Satellitenplattformfamilie. Wir haben zu 95 Prozent außereuropäische Kunden, der Großteil private Unternehmen.

Sie haben zuerst das Werk in Indien gebaut, bevor die deutsche Fertigung eröffnet wurde. Wie kam das?

Indien ist eine engagierte Raumfahrtnation, was für uns eine wichtige Voraussetzung ist. Dort sahen wir Bedarf für unsere Produkte, insbesondere auch von staatlicher Seite. Hinzu kommen gut ausgebildete Fachkräfte und gleichzeitig günstigere Personalkosten als beispielsweise in Europa. Außerdem gibt es eine große Raumfahrtindustrie und die Infrastruktur zum „Launchen“ ist vorhanden. Sowohl in Form von Trägerraketen als auch in Form von Startbahnhöfen. 

Warum nun ein Werk in Deutschland?

Wir sehen, dass Europa langsam aufwacht, und beginnt die Vorteile von Kleinsatelliten zu sehen. Als deutsches Unternehmen wollen wir uns natürlich in Europa und Deutschland positionieren. Derzeit planen wir, das Werk im 3. Quartal 2024 eröffnen zu können. Es ergänzt sich mit dem indischen Werk: Dort werden Satelliten mit 50 bis 150 Kilogramm hergestellt, in Berlin werden es etwas größere Satelliten mit 200 bis 500 Kilogramm sein.  

Aus welchen Branchen und aus welchen Ländern kommen Ihre Zulieferer?

Wir sehen uns weltweit nach zuverlässigen und qualitativ hochwertigen Zulieferern um, die wir grundsätzlich auch für beide Standorte nutzen. So haben wir beispielsweise einen sehr guten Zulieferer aus Südafrika, der auf Satellitenkomponenten spezialisiert ist. Zugleich verhandeln wir zum Beispiel mit neuen Partnern aus Polen. Einschränkungen gibt es hier bloß teilweise bei staatlichen Aufträgen, weil es Vorschriften für nationale Vorprodukte oder ähnliches in den Ausschreibungen gibt. 

Wie sind Ihre langfristigen Pläne? Wo sehen Sie besonders spannende Chancen?

Wir sehen die Chancen eindeutig in der Möglichkeit, die Raumfahrt durch kostengünstige Serienproduktion zu kommerzialisieren und so viel zugänglicher zu machen. Beispielsweise können durch günstige Kleinsatellitenkonstellationen für alle Arten der Nutzung viel häufiger aktuelle Daten gesendet werden. Bei großen Satelliten dauert es derzeit etwa 14 Tage, bis es ein Update von der gleichen Stelle der Erdoberfläche gibt. Die kleinen haben das Potenzial, das sogar stündlich zu schaffen. Das wäre beispielsweise für Rettungskräfte bei Hochwasser oder Waldbränden sehr hilfreich. 

Was bereitet Ihnen Probleme, was sind die Herausforderungen?

Die Raumfahrt ist immer noch stark national getrieben, selbst in Europa. Wenn Frankreich oder Italien große Ziele formulieren und Programme aufsetzen, kommt das vor allem der nationalen Industrie zu Gute. Deutschland könnte als „Ankerkunde“ insbesondere für die KMU und Start-Ups noch stärker auftreten. Die USA sind den europäischen Institutionen weit voraus, was den Wettbewerb in der Raumfahrtbranche und die Kosteneffizienz angeht. 

 

LESETIPP:  Lesen Sie den ausführlichen Artikel "Hoch hinaus" zur Raumfahrtindustrie in der aktuellen Ausgabe der Markets International.
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