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Interview | EU | Mikroelektronik

"Wir leben von der Technologieführerschaft"

Von Böblingen in die Welt: Ralf Stoffels erklärt im Interview, wie der Technologiekonzern Advantest den Chipmarkt prägt, was Lieferketten komplex macht und wo Europas Chance liegt.

Von Fabian Möpert | Berlin

Ralf Stoffels, Advantest Ralf Stoffels, Advantest | © Ralf Stoffels, Advantest

Mikrochips sind unverzichtbarer Bestandteil moderner Industrieerzeugnisse – und komplex. Technisch nicht minder anspruchsvoll sind die Testgeräte, mit denen Chiphersteller prüfen, ob die Halbleiterbauelemente korrekt funktionieren. Das Know-how für solche Maschinen kommt unter anderem aus Deutschland. Im schwäbischen Böblingen unterhält Advantest, ein global führender Hersteller von automatischen Testsystemen, einen zentralen Entwicklungsstandort. Ralf Stoffels ist Executive Officer und Division Manager 93000 Product Unit, SoC Test Business Unit, Test System Business Group bei Advantest. Mit seinem Team steuert er von Böblingen aus das Design und die Supply Chain für die umsatzstärkste Produktlinie des japanischen Konzerns. Gefertigt werden die Geräte in Malaysia. Im Interview mit Germany Trade & Invest spricht er über resiliente Lieferketten und Europas Rolle im globalen Wettbewerb um den Halbleitermarkt.

Herr Stoffels, weit mehr als jeder zweite auf der Welt produzierte Chip wird auf Testgeräten von Advantest geprüft. Wo sehen Sie da noch Wachstumsperspektiven?

Der globale Halbleitermarkt wird insgesamt wachsen – von derzeit rund 600 Milliarden US-Dollar auf etwa 1 Billion US-Dollar bis 2030. Unser Geschäft profitiert vom Mehrbedarf. Anders als etwa Unterhaltungselektronik, die in kurzen Zyklen erneuert wird, bleiben Investitionsgüter wie unsere Halbleitertestgeräte oft 20 Jahre im Einsatz. Unsere Testplattform V93000 ist ein weiterentwickelbares, konfigurierbares Produkt, mit einem Portfolio unterschiedlicher Messinstrumente. Damit decken wir verschiedene Marktsegmente ab – von digitalen Hochleistungschips über analoge Mikrocontroller bis hin zu Chips für Hochfrequenztechnik. Tester für digitale Chips machen etwa 80 Prozent unseres globalen Umsatzes aus. Besonders stark entwickelt sich derzeit der Chipbedarf für Datenzentren, getrieben durch KI-Anwendungen.

Ihr Produkt erfordert einen kontinuierlichen Entwicklungsprozess eng am Bedarf der Kunden. Was bedeutet das für die Steuerung Ihrer Lieferketten?  

Bei allem, was wir entwickeln, begleitet uns vom ersten Tag an die Frage, wer uns am Ende die nötigen Teile bauen wird. Da wir an der technologischen Spitze arbeiten, müssen wir immer ein bisschen besser sein als unsere Kunden, genauer sein im Messen und Testen. Deswegen brauchen wir Spezialteile. Das können anwendungsspezifische Schaltungen, sogenannte ASICs [Application Specific Integrated Circuits; Anm. d. Red.] sein, aber auch spezielle Kabel, oder sogar mechanische Sonderteile. Weil es aber auf Mikrometer Genauigkeit und sehr spezielle elektrische Eigenschaften ankommt, kann man das nicht am normalen Markt kaufen. Daher muss man von Beginn an die Lieferantenauswahl mitdenken. Oft sind wir deshalb unmittelbar Vertragspartner des Lieferanten unseres Lieferanten. Wir übernehmen also oft bis tief in die vorgelagerte Supply Chain hinein Verantwortung für die Beschaffung von Bauteilen. Das muss man machen, wenn man sich mit Halbleitern beschäftigt.

Welche Strategien helfen Ihnen, Störungen in der Lieferkette vorzubeugen?

Charakteristisch für den Halbleitermarkt sind die wechselseitigen Abhängigkeiten. Sobald es um Spezialkomponenten mit drei bis fünf Jahren Entwicklungszeit geht, kann man nicht viele parallele Lieferpartner für dasselbe Produkt haben. Jeder von denen hätte hohe Entwicklungskosten. Deswegen sind in unserer Branche Partnerschaften von gegenseitigem Vertrauen extrem wichtig. Im Sinne der Resilienz erwarten wir von unseren Zulieferern aber zum Beispiel, dass sie ihre Fertigungsstandorte diversifizieren. Wir haben Supplier, die einen Teil in Deutschland produzieren, aber zusätzlich auch in Ländern wie Ungarn oder Polen. Mittlerweile auch in Malaysia, wo unsere Tester endmontiert werden. Bei Standardteilen hingegen, die man wirklich von verschiedenen Anbietern beziehen kann, setzen auch wir auf Multiple Sourcing und verteilen Aufträge bewusst auf verschiedene Lieferanten.

Was muss man noch beachten?

Man muss sich den Produktionszyklen für Mikrochips anpassen und das managen können, sonst erlebt man Überraschungen. Das hat die Automobilindustrie in den vergangenen Jahren sehr schmerzhaft festgestellt. Chips durchlaufen etwa drei bis sechs Monate lang Herstellungsprozesse. Auch mit viel Geld lässt sich das nicht beschleunigen. 

Mit welchen Herausforderungen sind Sie beim Einkauf von Mikrochips konfrontiert, die Sie selbst für Ihre Testgeräte benötigen?

Eine Herausforderung ist die fortschreitende Konsolidierung im Markt. Wir kaufen zum Beispiel viele analoge Chips, oft im High-End-Bereich. Vor 20 Jahren gab es viele Anbieter, heute dominieren Texas Instruments und Analog Devices. Eine zweite, inhärente Herausforderung sind die langen Entwicklungszyklen – wir haben vor zwei Jahren begonnen, Produkte zu entwickeln, die wir 2028 liefern werden. Das erfordert Weitblick und Risikobereitschaft, denn wir müssen in einem schnelllebigen Markt früh wissen, was in der Zukunft gebraucht wird. 

Elektronikerin beim Halten von Siliziumwafern durch Schneidemaschine im Reinraum Siliziumwafer | © GettyImages/Monty Rakusen

07.05.2025 Branchen | EU | Mikroelektronik
Europas Halbleiterindustrie im Rennen um den Weltmarkt

Zukunftstechnologien brauchen eine starke Chipindustrie. Deshalb hat die EU ein riesiges Investitionsprogramm gestartet. Von den Projekten profitieren auch deutsche Unternehmen.

Welche Rolle wird Europa künftig in der globalen Halbleiterindustrie spielen und wo sehen Sie Potenziale?

Ich bin seit mehr als 30 Jahren im Halbleitergeschäft tätig und kann mir nichts anderes vorstellen als eine globale Arbeitsteilung. Das Streben nach Autarkie, das wir heute in Teilen der Welt beobachten, wird so nicht funktionieren. Dafür ist die Halbleiterindustrie zu verflochten. Wir werden weiterhin starke Länder haben, die sich der Technologie verschrieben haben, wie Taiwan, oder China und Südkorea. Wir werden sicher auch in Deutschland und Europa neue Fabs entstehen sehen. Aber ich nehme wahr, dass wir hier tendenziell mehr auf Chips für Produkte fokussieren, die in Europa gefertigt werden. Potenzial sehe ich für Europa vor allem bei industriellen Anwendungen, etwa für die Automobil- oder Haushaltsgeräteindustrie. Aber nicht nur im Fab-Bereich, sondern auch im Halbleiter-Design sehe ich große Potenziale in Europa.

Wie können Europa und Deutschland eigene Stärken im Halbleitermarkt besser ausspielen?

Europa hat keine strukturellen Nachteile gegenüber anderen Halbleiterstandorten. Wir haben exzellente Universitäten, starke Forschung und eine hohe Ingenieurskunst. Was uns manchmal fehlt, ist eine Dynamik, wie wir sie etwa in der Softwarebranche erleben. Deutschland als Maschinenbaunation hat gelernt, dass man mit "Good German Engineering" Dinge besser machen kann als andere. Wir sind sehr diszipliniert, was uns aber teilweise langsam macht. Ich nehme in Deutschland oft Zurückhaltung wahr, neue Technologien schnell anzunehmen. Hier könnten wir mutiger und experimentierfreudiger sein. Wichtig ist zudem, dass wir international bleiben.

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