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Neue Studie untermauert Finnlands Bedeutung als Wasserstoffakteur
Die finnische Stromproduktion wird in den kommenden Jahren erheblich zunehmen. Damit könnte das nordische Land ein wichtiger Wasserstofflieferant für Deutschland werden.
12.06.2024
Von Niklas Becker | Helsinki
Finnland wird der bedeutendste Wasserstoffakteur für Deutschland im Ostseeraum. Zu diesem Ergebnis kommt eine vom Beratungsunternehmen DNV im Auftrag des deutschen Gasnetzbetreibers Gascade durchgeführte Studie. Es ist die erste Studie, die die Ostseeanrainerstaaten als potenzielle Wasserstofflieferanten für Deutschland vergleicht. Die DNV-Studie hat die Energieerzeugungskapazitäten sowie die heimischen -bedarfe der Länder prognostiziert. Mit der zu erwartenden überschüssigen Energie könnten die Staaten Wasserstoff für den Export erzeugen.
Grundlage für eine europäische Wasserstoffindustrie ist der Aufbau eines europäischen Pipelinenetzes. Germany Trade & Invest stellt den aktuellen Entwicklungsstand sowie die Beteiligungschancen für deutsche Unternehmen in Europa und im Ostseeraum vor.
Jährlich mehr als 2 Millionen Tonnen Wasserstoff
Je nach Szenario werden die Ostseeanrainerstaaten 2050 insgesamt ein Überschusspotenzial von Strom aus erneuerbaren Quellen in Höhe von 70 bis 119 Terawattstunden haben. Diese Elektrizität könnte für die Produktion von grünem Wasserstoff genutzt werden.
Laut den Experten lassen sich aus 119 Terawattstunden Strom rund 70 Terawattstunden Wasserstoff gewinnen. Das wären rund 2,1 Millionen Tonnen Wasserstoff. Zum Vergleich: Laut Deutschem Wasserstoff-Verband (DWV) enthält ein Kilogramm Wasserstoff ungefähr so viel Energie wie 3 Liter Diesel. Ein Wasserstoff-Pkw verbrauche derzeit auf 100 Kilometer rund 1 Kilogramm Wasserstoff.
Die Kapazitäten der Ostseeanrainer variieren stark
Die Studie macht deutlich, dass das Potenzial für die Erzeugung grünen Wasserstoffs vor allem in Finnland liegt. Die Möglichkeiten der anderen Ostseeanrainer fallen laut DNV deutlich geringer aus. So sollen 2050 von den insgesamt prognostizierten 70 Terawattstunden Wasserstoff 62,4 Terawattstunden allein aus Finnland kommen.
Im Jahr 2030 soll in Finnland mehr überschüssiger Strom für die Wasserstoffproduktion verfügbar sein als in Schweden, Estland, Lettland, Litauen und Polen zusammen. Bis 2050 werden die Unterschiede laut Studie noch größer. Dann sollen die finnischen Kapazitäten mehr als viermal so groß ausfallen wie in den anderen fünf Ländern zusammen.
Verdopplung der Onshore-Windkraft erwartet
Grund für das große Potenzial Finnlands ist eine erhebliche Zunahme der prognostizierten Stromproduktion. So sollen vor allem im Bereich Windenergie die Kapazitäten deutlich steigen. Die Studie erwartet eine Verdopplung der finnischen Onshore-Windstromerzeugung von 70 Terawattstunden im Jahr 2030 auf 140 Terawattstunden im Jahr 2050. Die Offshore-Windstromerzeugung soll sich in diesem Zeitraum gar vervierfachen und 2050 dann bei 20 Terawattstunden liegen.
Wie DNV berichtet, können in Finnland Produktionskosten für Wasserstoff von rund 2,50 Euro pro Kilogramm Wasserstoff erreicht werden. Hinzu kämen die Kosten für den Pipelinetransport nach Deutschland, sodass der Gesamtpreis den Experten zufolge bei etwa 3 Euro pro Kilogramm Wasserstoff liegt. Das Verbundprojekt Norddeutsches Reallabor (NRL) schätzt den Produktionspreis für grünen Wasserstoff in Deutschland inklusive Transportkosten für 2023 auf 7,99 Euro pro Kilogramm. Finnischer grüner Wasserstoff könnte deutschen Unternehmen also eine günstige Möglichkeit bieten, ihre Produktion zu dekarbonisieren.
Chancen zum Vernetzen mit finnischen Unternehmen aus dem Bereich Dekarbonisierung bietet das Deutsch-Finnische Businessforum der AHK Finnland. Dieses findet am 31.10.2024 zum Thema Postfossile Energie in Düsseldorf statt.
"Auch in der Ostsee gibt es ein wichtiges Potenzial für Wasserstoff. Dieser ist auch aus preislicher Sicht interessant. Hier haben wir verlässliche Partner direkt vor der Haustür", sagt Ulrich Benterbusch, CEO von Gascade
Milliardeninvestitionen für Pipelinenetz benötigt
DNV hat im Rahmen der Studie auch die beiden derzeit geplanten Wasserstoff-Pipelineprojekte untersucht, die Finnland und Deutschland verbinden sollen. Der sogenannte Baltic Sea Hydrogen Collector (BHC), eine bidirektionale Offshore-Wasserstoffpipeline, soll das finnische Festland, die finnischen Äland Inseln, Schweden und Deutschland verbinden. Gascade hat kürzlich einen Kooperationsvertrag mit den projektbeteiligten Firmen unterschrieben. Das zweite Projekt ist der Nordic-Baltic Hydrogen Corridor (NBHC), eine Onshore-Pipeline, die Finnland, Estland, Lettland, Litauen, Polen und Deutschland verbinden soll.
Die DNV-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Kapazitäten des NBHC allein nicht ausreichen werden, um den erwarteten Wasserstoffüberschuss aus Finnland nach Zentraleuropa zu transportieren. Vor dem Hintergrund der Diversifizierung der Versorgung biete eine Kombination der beiden Pipelines laut Studie Vorteile. Ausreichend für den Transport des Wasserstoffüberschusses aus Finnland und kostengünstiger als beide Pipelines sei laut den Autoren allerdings eine optimierte Version des BHC. Dieser sollte neben dem geplanten Verlauf auch an Polen angeschlossen werden. Das Land wird zukünftig ebenfalls einen großen Wasserstoffbedarf haben. Die Kosten für eine solche optimierte Pipeline würden sich laut DNV auf 6,5 Milliarden Euro belaufen.