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Finnland: Vertragsrecht
Das finnische Vertragsrecht basiert auf dem Prinzip der Vertragsfreiheit. (Stand: 14.07.2025)
Von Karl Martin Fischer | Bonn
Das Vertragsrecht in Finnland umfasst verschiedene Gesetze, die sich mit bestimmten Vertragsverhältnissen befassen. Das Vertragsgesetz (228/1929) ist der Eckpfeiler des finnischen Vertragsrechts und regelt das Zustandekommen, die Nichtigkeit und die rechtliche Vertretung von Verträgen. Es gibt jedoch keine übergreifende Gesetzgebung, die alle Aspekte des Vertragsinhalts, von Verstößen, Rechtsbehelfen oder Streitigkeiten abdeckt.
Weitere praktisch relevante Gesetze mit Bedeutung für Verträge sind:
- Das Verbraucherschutzgesetz (38/1978), das den Schutz der Verbraucherinteressen regelt. Es enthält viele zwingende, also nicht abdingbare Bestimmungen.
- Das Gesetz über den Verkauf von Waren (355/1987) regelt die Rechte und Pflichten der Parteien eines Kaufvertrages.
- Spezielle Regeln für Verträge zwischen Prinzipal und Handelsvertretern enthält das Handelsvertretergesetz (417/1992). Für Arbeitsverträge finden sich Regelungen im Arbeitsvertragsgesetz (55/2001).
- Außerdem relevant: das Gesetz über Versicherungsverträge (543/1994) sowie die Gesetze über Mietverträge über Wohnungen (481/1995) beziehungsweise geschäftliche Immobilien (482/1995).
Allerdings wird das finnische Vertragsrecht zunehmend auch durch überstaatliches Recht beeinflusst. Neben EU-Recht sind hier beispielsweise auch das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) und die nordischen Rechtstraditionen zu nennen.
Wichtige Prinzipien des finnischen Vertragsrechts
Vertragsfreiheit
Das finnische Vertragsrecht beruht auf dem Grundsatz der Vertragsfreiheit, der es den Parteien ermöglicht, frei zu entscheiden, ob sie Vereinbarungen treffen und deren Inhalt bestimmen. Es gelten jedoch gesetzliche Beschränkungen. Neben vielen in der obigen Aufzählung genannten Gesetzen gibt es auch eine Generalklausel, nämlich diejenige des § 36 des finnischen Vertragsgesetzes. Diese Norm erlaubt es Gerichten, unangemessene Vertragsklauseln anzupassen. Auch wenn diese Möglichkeit im B2B-Bereich selten angewandt wird, ist sie bei der Vertragsgestaltung zu berücksichtigen.
Treu und Glauben und Loyalität
Die Parteien eines Vertragsverhältnisses müssen nach Treu und Glauben handeln, relevante Informationen bereitstellen und mögliche Schäden während der Vertragserfüllung oder -verletzung so weit wie möglich minimieren. Auch hier gilt, dass im B2C-Bereich andere – und strengere – Maßstäbe gelten als im B2B-Bereich, wo die Eigenverantwortung und die Vertragsfreiheit ein größeres Gewicht haben.
Fairness in Vertragsverhältnissen
Verträge in Finnland orientieren sich am Grundsatz der Fairness, der einen gegenseitigen Wertaustausch gewährleistet. Die Gerichte können unter bestimmten Umständen, wie sie im Verbraucherschutzgesetz und im Vertragsgesetz festgelegt sind, eingreifen, um missbräuchliche Klauseln zu ändern.
Vertragsschluss in Finnland
Relativ wenige Formalitäten
Das finnische Recht schreibt für die meisten Verträge keine spezifischen Formalitäten vor. Sowohl schriftliche als auch mündliche Verträge gelten als verbindlich. Aus Gründen der Beweisbarkeit sollte es jedoch – abseits kleiner alltäglicher Geschäfte – eine klare Präferenz für schriftliche Verträge geben.
Für bestimmte Verträge gibt es aber auch Formvorschriften, insbesondere für Grundstückskaufverträge (siehe Kapitel 2 des Maakaari, des finnischen Grundbuchgesetzes), sowie für Bürgschaften.
Zustandekommen von Verträgen
Verträge kommen - auch - in Finnland durch Angebot und Annahme zustande. Mündliche Angebote bedürfen der sofortigen Annahme, sofern nicht anders angegeben. Schriftliche Angebote müssen innerhalb der gesetzten Frist oder innerhalb einer angemessenen Frist angenommen werden. Während das Vertragsgesetz grundlegende Regeln festlegt, können bestimmte Verträge wie Immobilientransaktionen und Schiedsvereinbarungen zusätzliche Formvorschriften haben.
Stellvertretung und Wirksamkeit
Die §§ 10 ff. des Vertragsgesetzes regeln die Vollmacht. Diese kann ausdrücklich erteilt werden, sie kann sich aber auch aus einer gesetzlichen Regelung ergeben.
Die §§ 28 ff. des Vertragsgesetzes regeln die Unwirksamkeit oder Anpassung von Verträgen unter bestimmten Umständen. Die §§ 28 bis 30 bestimmen, dass eine Willenserklärung, die durch Drohung oder Täuschung zustande kam, nicht bindend ist. § 31 schützt vor Missbrauch von Notlagen, mangelnder Erfahrung oder eines Abhängigkeitsverhältnisses. Die Willenserklärung der übervorteilten Partei ist nicht bindend.
In § 36 gibt es eine Erlaubnis für Gerichte, einzelne Vertragsbestimmungen abzuändern oder für unwirksam zu erklären, wenn sie unbillig sind. Dabei müssen die Interessen beider Parteien, die Entstehungsgeschichte und die Gesamtwirkung der Klausel in Betracht gezogen werden. Auch eine teilweise Anpassung des gesamten Vertrages ist möglich.