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Branchen | Frankreich | Bauwirtschaft

Markttrends

Die französische Bauwirtschaft taumelt. Der Gebäudebau leidet unter Inflation und hohen Bauzinsen. Der Industrie- und Infrastrukturbau aber bietet noch Beteiligungschancen. 

Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

Zwar laufen die Geschäfte im Infrastruktur- und Industriebau stabil. Der Branchenverband Fédération Nationale des Travaux Publics schätzt, dass der Sektor im Jahr 2023 eine nominale Umsatzsteigerung von gut 4 Prozent erreicht. Trotz eines schwierigen wirtschaftlichen Umfelds erwartet der Verband auch für 2024 ein, wenn auch schwächeres, Wachstum von 2 Prozent. Großprojekte wie die Gigafabriken im Batteriebereich, der Tunnelbau Lyon-Turin, der Kanalbau Seine-Nord Europe oder die Vergabe des Baus zweier Metroteilstücke Ende 2023 im Rahmen des Projekts "Grand Paris Express" führen zu Großaufträgen für Tiefbauunternehmen. 

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Wohnungsbau bricht ein

-21, 3 %

Rückgang des prognostizierten Wohnungsbauvolumens 2024 im Vergleich zum Vorjahr

Quelle: Fédération Française du Bâtiment

Die Nachfrage im Wohnungsbau hingegen kommt zum Erliegen. Die Zahl der beantragten und erteilten Baugenehmigungen ist seit Mitte 2023 im Sinkflug. Auch die Zahl der Wohnungsverkäufe bricht drastisch ein.

Baugenehmigungen und Baubeginn neue Wohneinheiten
 

Dezember 2021- November 2022

Dezember 2022 - November 2023

Veränderung in Prozent

Baugenehmigungen

499.800

372.500

- 25,5

Bauaufnahme

366.500

294.700

-19,6

Quelle: Fédération Française du Bâtiment

 

Der Branchenverband Fédération Française du Bâtiment erwartet für 2024 eine Rezession im Gebäudebau und einen Rückgang von 5,5 Prozent des Umsatzvolumens.  

 

Marktvolumen der Gebäudebauwirtschaft in Frankreich (in Milliarden Euro; Veränderung in Prozent)

Segment

Bauvolumen 2023 1)

Veränderung 2023/22

Bauvolumen 2024 2)

Veränderung 2023/24

Neubau, davon

70,7

-4,4

60,4

-14,6

  Wohnungen

39,6

-7,8

31,2

-21,3

  Andere Gebäude

31,1

0,4

29,2

-6,0

Renovierung und Instandhaltung

91,8

2,6

93,3

1,6

Gesamt

162,5

1,7

153,6

-5,5

1 Schätzung; 2 Prognose.Quelle: FFB (Fédération Française du Bâtiment)

Dabei hatte sich der Gebäudebau trotz eines schwierigen wirtschaftlichen Umfelds im Jahr 2023 noch gut gehalten. Die operativen Margen der Unternehmen erholten sich gegenüber dem Vorjahr und nahmen im Gesamtjahr 2023 gegenüber 2022 um einen Prozentpunkt auf gut 22 Prozent zu. Steigende Verkaufspreise konnten den Preisanstieg vor allem bei Energie und Gehältern ausgleichen. Allerdings lagen die operativen Margen im Gebäudebau auch 2023 immer noch gut 5 Prozent unter dem Niveau von 2019. 

Für 2024 und 2025 zeigt sich der Branchenverband pessimistisch. Er erwartet angesichts des Rückgangs am Wohnungsbau nicht nur einen Einbruch der Margen, sondern auch eine steigende Zahl von Unternehmensschließungen. Ebenso drohen Entlassungen von branchenübergreifend gut 90.000 Mitarbeitern. Im Januar 2024 hatte Vinci Immobilier, einer der führenden Immobilienentwickler des Landes, bereits den ersten Sozialplan der Branche aufgelegt. Damit reagiert das Unternehmen auf einen Umsatzrückgang von 24 Prozent im Jahr 2023 auf 836 Millionen Euro und den Einbruch um 46 Prozent bei der Reservierung von Wohnungen. 

Die Regierung hat bislang keine Sonderprogramme zur Unterstützung des Sektors aufgelegt, allerdings angekündigt, bis 2026 rund 500 Millionen Euro in den sozialen Wohnungsbau und Studentenwohnheime investieren zu wollen. Allerdings haben diese Ankündigungen noch keine Umsetzung gefunden. 

Branchenunternehmen orientieren sich in Richtung energetische Sanierung

Wohnungsbauunternehmen suchen ihr Heil in der energetischen Sanierung von Wohnraum sowie Gewerbe- und öffentlichen Gebäuden. Gesetzliche Vorgaben wie die 2022 in Kraft getretenen Energieeffizienzrichtlinie RE 2020 verschärfen energie- und klimabezogenen Vorgaben für Wohn- und Bürogebäude. Gewerbliche Immobilien unterliegen zwar nicht der RE 2020, dafür aber dem Décret Tertiaire. Dieses sieht bei Gewerbeimmobilien bis 2030 Energieeinsparungen von 40 Prozent, bis 2050 bis 60 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 2010 vor. Damit wird auch bei Gewerbeimmobilien in den kommenden Jahren die energetische Sanierung zur Pflicht.   

Für das "städtische Gebäuderecycling", den Umbau und der Umwidmung von bereits existierenden Immobilien, sieht das Wirtschaftsforschungsinstitut Xerfi ebenfalls gute Entwicklungsmöglichkeiten. Bauland wird landesweit, insbesondere in den Metropolen des Landes, knapper und teuer. Es mangelt aber gerade in städtischen Lagen an Wohn- und teils auch Büroraum. Gesetzliche Vorgaben zur Freiraumsicherung mit dem Ziel, bis 2050 eine bauliche Bodennutzungsquote von Net Zero zu erreichen, erschweren den Bau neuer Wohnviertel und Gewerbebauten auf der grünen Wiese. Branchenunternehmen nehmen die Aufwertung existierender Gebäude als neues Geschäftsfeld in den Fokus. 

Im Zuge der Krise gewinnen Maßnahmen zur Kostensenkung am Bau an Gewicht. Erste Unternehmen experimentieren mit industriell vorgefertigten Baumodulen, um schneller und damit kostengünstiger zu arbeiten. Bei Planung und Bau setzen Unternehmen zunehmend digitale Lösungen oder Augmented Reality- und KI-Anwendungen ein, um Prozesse zu beschleunigen und teure Baufehler zu vermeiden. 

Großprojekte bieten Möglichkeiten für Zulieferer

Die drei französischen Baugrößen Vinci, Bouygues und Eiffage beherrschen vornehmlich den Infrastrukturbau. Großprojekte werden in aller Regel an eines dieser auch international aktiven Baukonglomerate vergeben. Für deutsche Unternehmen bestehen allerdings Beteiligungsmöglichkeiten als Subunternehmer oder im Rahmen einer Partnerschaft mit lokalen Unternehmen. 

Geschäftschancen bieten sich insbesondere für Spezialtechnologien. So wurden die Tunnelbohrmaschinen für das Eisenbahntunnelprojekt Lyon-Turin von Herrenknecht, Deutschland hergestellt. Bauer Spezialtiefbau hat die Fundamente des Offshore-Windparks in St. Nazaire gelegt. 

Aber auch Lösungen, die die Umwelt- und Klimabilanz von Bau- und Gebäudebetrieb verbessern, finden steigende Nachfrage. So verändern sich beim Bau von Fabriken und Produktionsanlagen die Ansprüche der Bauherren. Die Frage der Einsparung von Treibhausgasemissionen gewinnt an Bedeutung. Auch Lösungen zur Steigerung der Energieeffizienz sind angesichts der im internationalen Vergleich hohen Energiekosten stark gefragt, ebenso wie Lösungen zur Eigenstromgewinnung und Wassereinsparung. 

Ein eigenständiges Agieren am Markt ist aufgrund regulatorischer und gesetzlicher Vorgaben schwierig. Das französische Bau- und Gewährleistungsrecht legt an Bautätigkeiten teils deutlich strengere Maßstäbe an, als diese aus dem deutschen Recht bekannt sind. Dazu gehört unter anderem eine zehnjährige Haftung für Baumängel. Bauherren sollten auf einen hinreichenden Versicherungsschutz achten.

 

Ausgewählte Großprojekte der Bauwirtschaft in Frankreich
Akteur/Projekt

Investitionssumme (in Mrd. Euro)

Projektstand

Anmerkungen

TELT (Tunnel Euralpin Lyon Turin), Lyon-Turin Eisenbahn- und Tunnelprojekt

8,6

Arbeiten und Ausschreibungen laufen, Inbetriebnahme des französisch-italienischen Tunnelteilstücks geplant 2032

Juli 2021 Vergabe eines Teilstücks des Tunnelbaus an einen Zusammenschluss aus Vinci, Eiffage und Impenia (Schweiz)

Oktober 2023 Vergabe der Verwertung von Aushubmaterial an einen Zusammenschluss unter Führung von Vinci (Auftragswert 800 Mio. Euro)

Canal Seine-Nord Europe

5,2

Ausschreibungen laufen, Baubeginn 2022, Inbetriebnahme geplant 2030 

Dezember 2023 Vergabe des Ausschreibungsloses "Schleusenbau Montmacq-Cambronne-lès-Ribécourt" an Bouygues Travaux Publics Régions France

ProLogium (Taiwan);  Batterieproduktion; Dunkerque

5,2

Abstimmungsverfahren läuft, Baubeginn geplant 2024, Produktionsbeginn geplant 2026

Veranschlagte Baukosten 1 Milliarde Euro

EPR2-Nuklearkraftwerk Penly; Auftraggeber Électricité de France (EDF)

4,0

Baubeginn Mitte 2024, Inbetriebnahme geplant 2035/2036

November 2023 Vergabe der Tiefbauarbeiten für zwei EPR2-Reaktoren an Eiffage

Grand Paris Express, Metro 15 Ouest (Teilstück Ponts de Sèvres - La Défense); Auftraggeber Société du Grand Paris  

2,7

Baubeginn 2024, Inbetriebnahme geplant 2031

Juli 2023 Vergabe an Intensité15 (Zusammenschluss unter Führung von Vinci)

Grand Paris Express, Metro 15 Est (Teilstück Bobigny-Champigny-sur-Marne); Auftraggeber Société du Grand Paris  

2,5

Baubeginn 2024, Inbetriebnahme geplant 2030

Dezember 2023 Vergabe an einen Zusammenschluss unter Führung von Eiffage

Windkraftpark Dunkerque, Auftraggeber Eoliennes en Mer de Dunkerque (EMD)  (Tiefbau), RTE (Netzanbindung)

1,4

Abstimmungsphase läuft, Genehmigung Ende 2024, Baubeginn geplant Anfang 2025, Offshore-Installation 2026, Inbetriebnahme Ende 2027

EMD: Zusammenschluss aus EDF und Enbridge Éolien France

Quelle: Recherchen GTAI

 

 

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