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Wirtschaftsausblick | Frankreich
Frankreichs Wirtschaft hält sich trotz der Dauerkrise solide. Dennoch bleiben die Aussichten für 2023 verhalten. Ab 2024 erwartet die Zentralbank einen Konjunkturaufschwung.
30.11.2022
Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris
Frankreichs Wirtschaft zeigt sich trotz weltwirtschaftlicher Verwerfungen resilient. Nach Prognosen der Zentralbank wird das Land im Jahr 2022 ein reales Wachstum von 2,6 Prozent erreichen. Der Ukrainekrieg sowie Energiekrise, Inflation und weiterhin bestehende Nachschubprobleme werfen jedoch ihren Schatten auf 2023. Zwar hält die Zentralbank ein leichtes Wachstum von bis zu 0,8 Prozent für möglich, kann aber auch eine kurzzeitige Rezession von bis zu 0,5 Prozent nicht ausschließen. Die wirtschaftlichen und geopolitischen Unsicherheiten wirken sich dämpfend auf die Investitionsbereitschaft von Unternehmen und Verbrauchern aus.
Frankreichs Wirtschaft leidet unter steigenden Preisen für Energie und Vorprodukte. Der Regierung ist es 2022 durch Eindämmungsmaßnahmen wie das Einfrieren der Gas- und Deckelung der Elektrizitätspreise gelungen, Preissteigerungen für die Verbraucher abzumildern. Unternehmen allerdings profitieren nur in Ausnahmefällen von Entlastungen und geben höhere Produktionskosten an Käufer und Endverbraucher weiter. Das Statistikamt INSEE erwartet für den Monat Dezember 2022 eine Inflationsrate von 6,6 Prozent. Angesichts anhaltender Inflationstendenzen prognostiziert die Staatsbank Banque de France auch für 2023 durchschnittliche Preissteigerungen von 4,3 bis 6,9 Prozent.
Zumindest erholt sich Frankreichs Exportindustrie. In weiten Bereichen erreichen die Ausfuhren wieder Vorkrisenniveau. Allerdings führen rasant steigende Kosten für die Einfuhr von Elektrizität und Gas zu einem Handelsbilanzdefizit in Rekordhöhe. Der Tourismus hingegen ist nach der Aufhebung von pandemiebedingten Beschränkungen eine der Stützen des - wenn auch schwachen - Wirtschaftswachstums.
Indikator | 2020 | 2021 | Vergleichsdaten Deutschland 2021 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. Euro) | 2.310 | 2.501 | 3.602 |
BIP pro Kopf (Euro) | 33.975 | 36.660 | 43.292 |
Bevölkerung (Mio.)*) | 67,3 | 67,4 | 83,2 |
Beachten Sie auch die SWOT-Analyse zu Frankreich.
Die Investitionen dürften 2022 nur leicht ansteigen. Zwar verfügen Unternehmen über gut gefüllte Auftragsbücher und stabile Auslastungsgrade, allerdings erschwerten im 1. Halbjahr Lieferengpässe die Investitionen in Maschinen, Kfz und Baumaßnahmen. Im Verlauf des 2. Halbjahres 2022 hat sich die Versorgungslage mit Vorprodukten verbessert. Steigende Energiepreise und Finanzierungskosten sowie unsichere Konjunkturaussichten belasten jedoch die Bilanzen von Unternehmen und bremsen die Investitionsfreude.
Staatliche Hilfen hatten bereits in der Krise die Ertragslage der Unternehmen gestützt. Im November 2022 legte die Regierung ein weiteres 10-Milliarden-Euro-Programm auf, um Unternehmen mit hohen Energiekosten zu entlasten. Seit 2022 schiebt zudem das Konjunkturpaket France 2030 mit einer Gesamtförderung von 54 Milliarden Euro Investitionen für innovative Projekte an. Unternehmen wünschen sich weitergehende Hilfsmaßnahmen, insbesondere um gegenüber Produzenten in Asien oder den USA bestehen zu können. Allerdings dürfte die Regierung gezwungen sein, staatliche Unterstützungsmaßnahmen langsam zurückzufahren, um die bereits in der Pandemie stark belasteten Finanzen zu konsolidieren. Unternehmen, die finanziellen Spielraum haben, investieren verstärkt in Energieeffizienz, Autonomie bei der Energieversorgung und die Dekarbonisierung der Produktion.
Angesichts von Inflation sowie steigenden Energie- und Finanzierungskosten werden die Investitionen der öffentlichen Hand 2023 geringer ausfallen als ursprünglich angesetzt. Laut der Association des Maires de France, der Vertretung der Bürgermeister im Land, planen 71 Prozent der Kommunen im Jahr 2023 Investitionen zurückzustellen. Die Bundesbank erwartet für 2023 einen Rückgang der öffentlichen Investitionen von 3,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mio. Euro) | Projektstand | Projektträger |
---|---|---|---|
Grand Paris Express, Region Paris | 35.000 | Ausschreibungen laufen weiter | |
Hochgeschwindigkeitszugstrecke zwischen Bordeaux und Toulouse | 14.300 | Finanzierung vereinbart, Baubeginn ab 2024 | |
Olympische Spiele 2024, Paris | 7.400 | Ausschreibungen laufen weiter | |
Kanal Seine-Nord (Kanalbau über 107 km, 7 Schleusen) | 5.100 | Beginn der Bauarbeiten Oktober 2022, Fertigstellung geplant Ende 2029 | |
Batteriefabrik von AESC Envision für Renault, Douai | 3.000 | Bau ab Juli 2022 für erste Phase | |
Metrolinie 3 in Toulouse (27 km, 21 Stationen) und Erweiterung Linie B | 2.629 | Baubeginn Ende 2022; geplante Fertigstellung bis 2028 | |
Hochgeschwindigkeitszugstrecke zwischen Montpellier und Perpignan (1. Etappe) | 2.000 | Finanzierung vereinbart, Baubeginn für 1. Phase ab 2029 | |
Neue Universitätsklinik Grand Paris Nord, Saint-Ouen | 1.300 | Baubeginn ab 2024 | Campus Hospitalo-Universitaire Grand Paris-Nord |
Neue Geheimdienstzentrale (DGSI), Saint-Ouen | 1.000 | Baubeginn ab 2023 | Ministère de l'Intérieur, Direction Générale de la Sécurité Intérieure |
Neubau und Verlegung der Uniklinik (CHU) Nantes auf eine Insel | 953 | Fertigstellung bis 2026 | |
Fabrik für Batterieseparatoren, Altéo Alumina und W-Scope, Hauts de France | 600 | Baubeginn ab 2026 |
Öffentliche Ausschreibungen werden im Bulletin officiel des annonces des marchés publics veröffentlicht.
Informationen zu EU-Binnenmarktausschreibungen finden Sie auf der GTAI-Website zu EU-Ausschreibungen.
Die Zentralbank prognostiziert für 2022 einen Anstieg des privaten Verbrauchs um real 2,8 Prozent, für 2023 dann eine deutlich geringere Steigerung von nur 0,6 Prozent. Die Stimmung der Verbraucher trübt sich seit dem Sommer 2022 zunehmend ein. Laut Statistikamt INSEE bleibt der Verbraucherstimmungsindex im Oktober 2022 mit 82 von 100 Punkten weit unter dem langjährigem Mittel. Steigende Kosten vor allem für Benzin, Energie und Lebensmittel sowie das langsame Auslaufen von Preisdeckelungen sorgen für Unsicherheit. Die für 2023 erwarteten durchschnittlichen Lohnerhöhungen von 3,7 Prozent können die Preissteigerungen nicht auffangen. Trotz eines während der Pandemie aufgebauten Sparüberhangs halten sich die Verbraucher bei nicht notwendigen Konsumgütern zurück. Die Zentralbank erwartet erst 2024 ein Wiederaufleben des Konsums. Der Tourismus hingegen gewinnt an Fahrt und lag im 3. Quartal 2022 erstmals wieder über dem Niveau von 2019.
Die Importe nehmen mit den anziehenden Rohstoffpreisen stark zu. Insbesondere steigende Stromimporte sorgten dafür, dass Frankreichs Außenhandelsdefizit in den ersten drei Quartalen 2022 auf ein Rekordhoch von 120,1 Milliarden Euro gewachsen ist. Im 3. Quartal 2022 musste Frankreich im Monatsdurchschnitt Elektrizität in Höhe von 2,4 Milliarden Euro importieren. Damit kletterten die Stromeinfuhren zwischen Juli und September 2022 auf das 42-fache des Durchschnittsniveaus von 2019. Damals lagen die Stromimporte bei nur 58 Millionen Euro pro Monat. Luft-und-Raumfahrtprodukte, Agrarerzeugnisse sowie Nahrungsmittel sind die einzigen Exportposten, die eine positive Handelsbilanz vorweisen können. Auch Exporte sonstiger Konsum- und Anlagegüter ziehen an. Insbesondere die Automobilbranche kann ihre Exporte wieder steigern und an das Vorkrisenniveau anknüpfen. Starke Preisanstiege bei Vorprodukten aber lassen die Salden auch bei exportstarken Produktgruppen ein negatives Ergebnis erreichen.
Januar bis September 2021 | Januar bis September 2022 | Veränderung Januar bis September 2021/2020 | |
---|---|---|---|
Importe (fob) | 422,0 | 558,8 | 32,4 |
Exporte (fob) | 366,6 | 438,7 | 19,7 |