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Branche kompakt | Indien | Chemische Industrie

Nachhaltigkeit in der Chemieindustrie

Für mehr Nachhaltigkeit setzen Unternehmen insbesondere auf grüne Energie. Zudem liefert der Handel mit Emissionszertifikaten Anreize, um Energie einzusparen.

Von Florian Wenke | Mumbai

Indien will die Industrialisierung vorantreiben und den Anteil des verarbeitenden Gewerbes am Bruttoinlandsprodukt von 17 Prozent auf 25 Prozent erhöhen. Gleichzeitig hat sich das Land das Ziel gesetzt, bis 2070 klimaneutral zu werden. Dafür muss die Emission von Kohlendioxid (CO₂) in der Industrie sinken. Laut letztverfügbaren Quellen lag ihr Anteil am gesamten CO₂-Ausstoß des Landes im Jahr 2019 bei Werten zwischen 22 Prozent und 28 Prozent. Um das ambitionierte Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, sind riesige Investitionen notwendig. Einer Berechnung der Unternehmensberatung McKinsey zufolge, benötigt der Industriesektor bis 2050 Investitionen in Dekarbonisierungsmaßnahmen in Höhe von rund 1,3 Billionen US-Dollar (US$). Bisher dominieren energieintensive Branchen Indiens Industrie, darunter die Chemiebranche mit den Teilbereichen Petrochemie, Düngemittelherstellung und Kunststoffproduktion. Geht es nach dem Willen der Regierung, soll dem Land nun der Spagat zwischen Wirtschaftswachstum sowie vermehrter Industrialisierung, bei gleichzeitiger Reduktion des CO₂-Ausstoßes gelingen. 

Zertifikatehandel schafft Anreize für Investitionen in Energieeffizienz 

Seit 2012 verfügt Indien mit Perform, Achieve, Trade (PAT) über einen Mechanismus zur Steigerung von Energieeffizienz in der Industrie. Mithilfe von PAT erhalten Unternehmen Zertifikate, wenn sie ihren Energieverbrauch unter einen vorher definierten Wert senken. Diese Zertifikate können sie anschließend an andere Unternehmen verkaufen, die ihre Einsparzeile nicht erreichen. Innerhalb der Chemiebranche ist PAT für Unternehmen der Petrochemie, in der Düngerherstellung und bei der Produktion von Chloralkali relevant. 

Die Preise der Zertifikate sind in den vergangenen Jahren zurückgegangen und damit auch die Anreize der Industrie in Energieeffizienz zu investieren. Seit Januar 2023 gilt indessen der Energy Conservation (Amendment) Act 2022. Damit hat die Regierung eine gesetzliche Basis für einen Handel mit CO₂-Zertifikaten geschaffen, der das PAT-Programm ablösen soll. Im November 2023 veröffentlichte das Bureau of Energy Efficiency (BEE) einen Entwurf zum neu gestalteten Zertifikatehandel. Bisher zählt Indien zu den weltweit größten Anbietern von CO₂-Zertifikaten, allerdings sitzen die Käufer meist im Ausland. Das Ziel des neu gestalteten Emissionshandels ist es, dass die CO₂-Zertifikate vermehrt im Inland gehandelt werden und damit Anreize für Investitionen in Energieeffizienz liefern. 

Energieversorgung steht im Vordergrund

Die Chemiebranche setzt vermehrt auf alternative Bezugsquellen, um ihren Energie- und Strombedarf zu decken. Erneuerbare Energien anstatt Kohle und Gas ist die Devise. Die Unternehmen versuchen beispielsweise Solarenergie zu nutzen. Während für kleinere Unternehmen insbesondere Aufdachanlagen von Interesse sind, beteiligen sich Großunternehmen gleich an kompletten Solarparks oder erreichten Anlagen direkt selbst. Die Exportinitiative Energie des Bundes bietet regelmäßig die Möglichkeit an geförderten Projekten rund um Erneuerbare Energien und Energieeffizienz in der Industrie in Indien teilzunehmen. Die Maßnahmen sind dazu geeignet, den Markt kennenzulernen, den Vertrieb zu unterstützen und Kontakte zu Geschäftspartnern zu finden.     

Darüber hinaus setzen Unternehmen auf grünen Wasserstoff. Für die Unternehmen der Chemiebranche ist Wasserstoff überwiegend für den Eigenbedarf von Interesse. Bisher sind erst kleine Anlagen im Megawattbereich in Bau und Planung. Noch mangelt es an den notwendigen Technologien, um den Wasserstoff zu konkurrenzfähigen Preisen herzustellen und zu nutzen. Hier ergeben sich Kooperationsmöglichkeiten für deutsche Hersteller, die ihre Technik in Indien zum Einsatz bringen möchten. Die Unternehmen der Chemieindustrie stehen als mögliche Verbraucher in den Startlöchern. Laut Regierungsangaben von Ende 2023 sind zudem aktuell Produktionskapazitäten für 5,8 Millionen Tonnen jährlich an grünem Ammoniak in Bau und Planung. Hierfür wird ebenfalls entsprechende Produktionstechnik benötigt. 

Unternehmen setzen sich individuelle Ziele

Viele Branchenunternehmen wollen das Ziel der Klimaneutralität bereits früher als 2070 erreichen. So hat sich Reliance Industrie bis 2035 Zeit gegeben, um hinsichtlich der Emission von Treibhausgasen als Net-Zero zu gelten. Das Unternehmen zählt zu den Größen im Geschäft mit Petrochemie. Die beiden staatlichen Petrochemiekonzerne Bharat Petroleum und Hindustan Petroleum möchten das gleiche Ziel bis spätestens 2040 erreichen. Insbesondere große Unternehmen gehen hier voran. Sie setzen dabei nicht auf eine einzelne Maßnahme, um Emissionen zu reduzieren. Neben einer grüneren Energieversorgung kommen auch Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz zum Einsatz. Staatsunternehmen schreiben die Projekte meist zentral über entsprechende Unterseiten auf ihrer Webseite aus. Viele der privaten Großunternehmen verfahren ähnlich. 

Regenerative Ausgangsstoffe für die Herstellung von Chemikalien spielen bisher noch eine untergeordnete Rolle, berichten Unternehmensvertreter. Gründe dafür sind die noch nicht ausreichender Verfügbarkeit und der Preisnachteil im Vergleich mit herkömmlichen Inputgütern. Ihre Bedeutung dürfte in den kommenden Jahren jedoch zunehmen. 

Der CO2-Grenzausgleichsmechanismus der Europäischen Union (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) stößt indes auf wenig Begeisterung in der Branche. Er wird überwiegend als nicht-tarifäres Handelshemmnis empfunden. Auf politischer Ebene unternimmt Indien daher Versuche, die Wirtschaft von den Folgen von CBAM zu schützen. Derzeit ist jedoch nicht absehbar, ob diplomatische Verhandlungen mit der EU oder ein Einspruch bei der Welthandelsorganisation Erfolg haben werden. Falls nicht, dann sind Gegenmaßnahmen in Form von Importzöllen oder ähnlichen Maßnahmen denkbar. 

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