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Special | Indien | Konnektivität

Indien-Europa-Korridore bieten kaum Alternativen zum Seeweg

Angriffe auf Schiffe im Roten Meer machen zwei Handelsrouten zwischen Indien und Europa interessant. Doch eine führt durch sanktionierte Länder, die andere wurde gerade erfunden.

Von Marcus Hernig | Bonn

Der Internationale Nord-Süd-Transportkorridor (International North-South Transport Corridor, INSTC) und der Indien-Nahost-Europa-Wirtschaftskorridor (India-Middle East-Europe Economic Corridor, IMEC) können als multimodale Transportrouten den indischen Subkontinent mit Europa verbinden, ohne dabei den Suezkanal nutzen zu müssen. Nach Angaben der Federation of Freight Forwarders Association in India könnten diese Korridore die Transportdauer von Mumbai in die EU jeweils um 40 Prozent verringern und zusätzlich 30 Prozent an Kosten gegenüber der Suezkanal-Passage einsparen. 

Indischer Hafenbetreiber investiert in Iran

Der 7.200 Kilometer lange INSTC existiert bereits in seinen Grundzügen seit der Jahrtausendwende. Der Korridor führt von Indien nach Russland und weiter über die Ostsee Richtung EU – alternativ wäre auch eine Verbindung über die Türkei möglich. Doch in jedem Fall führt die Route über Iran. Angesichts internationaler Sanktionen, stockender Infrastrukturentwicklung sowie tarifärer und nicht tarifärer Hemmnisse konnte der Korridor nie die Bedeutung gewinnen, die angesichts potenzieller Zeit- und Kostenersparnis erwartbar wären.

Im Jahr 2023 hat der Staatskonzern Indian Ports Global Limited (IPGL) trotzdem 25 Millionen US-Dollar (US$) in sechs neue Krane im iranischen Hafen Chabahar investiert. Darin enthalten sind bereits Subventionen in Höhe von 11 Millionen US$ von der indischen Regierung. Diese Investitionen liegen weit unter dem Wert aller Ausschreibungen von 91 Millionen US$, die IPGL im Jahr 2023 für den Ausbau von Chabahar veröffentlichte. 

Iranischer Containerumschlag bleibt auf niedrigem Niveau

Sunil Mukundan, Geschäftsführer von IPGL mit Sitz in Mumbai, wirkt trotzdem zuversichtlich, dass die alten Pläne angesichts der Krise im Roten Meer wieder attraktiv werden: "Der Containerhandel in unserem Shahid-Beheshti-Terminal in Chabahar entwickelt sich zuletzt sehr positiv. Das niedrige Niveau des Jahres 2022 von insgesamt 2.500 Zwanzig-Fuß-Containereinheiten (TEU) verzehnfachte sich auf rund 25.800 TEU im Jahr 2023."

Allerdings sind die Zahlen selbst für iranische Verhältnisse bescheiden: Irans größter Hafen Bandar Abbas schlägt jährlich 1,8 Millionen TEU Containerfracht um. Der Grund für den starken Anstieg des Containerumschlags in Chabahar im Jahr 2023 ist, dass Indien über Zentralasien elektronische Produkte aus China importiert. IPGL-Geschäftsführer Mukundan räumt im Gespräch mit Germany Trade & Invest (GTAI) ein:

"Chinesische Firmen nutzen den iranischen Hafen Chabahar für ihre Exporte nach Indien. Mit Verbindungen Richtung Westen hat das nichts zu tun."

Für Indiens Außenhandel spielen INSTC-Mitglieder kaum eine Rolle

Die EU ist Indiens zweitwichtigster Handelspartner nach den USA. Güter im Wert von rund 128 Milliarden US$ wurden 2022 ausgetauscht. Indien verfügt mit einem Anteil von rund 73 Milliarden US$ sogar über einen deutlichen Handelsbilanzüberschuss. Doch die Handelsströme zwischen Indien und der EU laufen auf dem Seeweg ab – und damit am INSTC vorbei. 

Auch dem regionalen Güterverkehr sind Grenzen gesetzt: Die 13 Staaten, die offiziell zum INSTC gehören, sind unbedeutend für Indiens Ausfuhren: Zu Russland und Iran kommen Aserbaidschan, Kasachstan, Armenien, Belarus, Tadschikistan, Kirgisistan, Oman, Syrien, die Türkei und die Ukraine hinzu. Darunter ist die Türkei nach den jüngsten Zahlen von UN Comtrade (2022) mit Exporten im Wert von 10 Milliarden US$ das wichtigste Zielland für indische Produkte. Iran kaufte indische Waren im Wert von gerade einmal 1,8 Milliarden US$. 

Auch Russland zeigte bisher wenig Potenzial für indische Unternehmen, die Waren im Wert von 2,9 Milliarden US$ dorthin exportierten. Bedeutsamer könnte der INSTC als Alternativroute zum Roten Meer für russische Erdölexporte werden: Indien importierte 2022 Güter im Wert von 40,6 Milliarden US$ aus Russland, davon überwiegend Erdöl. 

Indische Konzerne setzen auf IMEC-Ausbau

Große Investitionen in den INSTC sind aus Indien nicht zu erwarten. Private indische Konzerne wie die Adani-Gruppe oder Larsen & Toubro sind dort die Hauptinvestoren in Infrastruktur. Die aber schauen auf einen anderen Korridor, den sogenannten IMEC. Im September 2023 unterzeichneten die USA, Indien, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und die EU eine Absichtserklärung dazu. Die Schlüsselregion des IMEC ist die arabische Halbinsel als Landbrücke.

Der östliche Teil des Korridors zwischen Indien und der Golfregion verbindet Indiens künftigen Tiefenwasserhafen Vadhavan mit Dschabal Ali und Fudschaira, zwei Containerhäfen in den VAE, sowie mit zwei Häfen im Oman. Vadhavan liegt rund 150 Kilometer nördlich von Mumbai und soll 2028 fertiggestellt sein. Die Emirate sind viertwichtigster Handelspartner Indiens nach den USA, der EU und China: Mit den VAE handelte Indien im Jahr 2022 Güter im Wert von rund 85 Milliarden US$.

Im Mittelmeerraum hat der IMEC aktuell keine Perspektive

Der indische Baukonzern Larsen & Toubro möchte sich am Bau einer Eisenbahnverbindung zwischen Abu Dhabi (VAE) und den Häfen Suhar und Maskat im Oman beteiligen. Diese Verbindung ermöglicht die Umgehung der kritischen Meerenge von Hormus. Sie kann den Austausch mit Saudi-Arabien, dem zweitwichtigsten Partner Indiens auf der arabischen Halbinsel mit einem Handelsvolumen von rund 56 Milliarden US$ (2022), weiter verstärken. 

Bereits 2023 hat die Adani-Gruppe den Haifa Port in Israel für 1,03 Milliarden US$ übernommen. Der Konzern antwortete damit auf das Engagement der Shanghai International Port Group in Bay Port, dem zweiten Hafen Haifas. Geplant war, Warenströme aus Indien in die EU über den Haifa Port ins griechische Piräus umzuleiten. Aktuell legt der Krieg zwischen Israel und der palästinensischen Hamas das IMEC-Vorhaben vorerst auf Eis. Hinzu kommt, dass die prognostizierte Kosten- und Zeitersparnis wegen des notwendigen zweifachen Umladens zwischen Schiff und Schiene auf der Strecke von Mumbai nach Piraeus, dem EU-Zielhafen des IMEC, fraglich ist. 

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