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Drei-Meere-Initiative setzt wieder stärker auf Europa

In Vilnius demonstrieren die Mitgliedsländer Entschlossenheit für große Infrastrukturvorhaben. Vor allem das Bekenntnis zur Ukraine könnte für einen Schub sorgen. (Stand: 19.04.2024)

Von Edda Schlager | Berlin

Am 11. April 2024 fand in der litauischen Hauptstadt Vilnius der neunte Gipfel der Drei-Meere-Initiative (Three-Seas-Initiative, 3SI) statt. Wichtigste Ergebnisse des Gipfels sind die Aufnahme Japans als strategischen Partner sowie die gemeinsame Vereinbarung zur Gründung des 3SI-Innovationsfonds als weiteres Finanzierungsinstrument für die Entwicklung multisektoraler Infrastrukturprojekte in den Mitgliedsländern der 3SI.

Drei-Meere-Initiative

Die Drei-Meere-Initiative (3SI) wurde 2016 von EU-Ländern entlang der Achse Adria, Schwarzes Meer und Ostsee gegründet. Ihr Ziel ist es, gemeinsam eine sektorübergreifende Infrastruktur für Transport, Digitales und Energie zu schaffen. Stand 2024 hat die Initiative 13 Mitgliedsländer. Die Ukraine und Moldau sind Partnerländer; Deutschland, die USA, die EU-Kommission und Japan strategische Partner.

Am 3SI-Gipfel in Vilnius nahmen Präsidenten und Regierungschefs der Mitglieds- und Partnerländer teil. Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj war angereist. Parallel dazu fand das sechste Businessforum der Drei-Meere-Initiative statt. Rund 600 Vertreter von Unternehmen, Verbänden und Thinktanks aus mehr als 30 Ländern sowie Repräsentanten von OECD, EU und internationalen Finanzorganisationen wie der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) oder der Europäischen Investitionsbank (EIB) nahmen daran teil.

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Sicherheitspolitische Ausrichtung wird wichtiger

Themen des Businessforums waren die Energiewende und klimaneutrale Technologien sowie die Abkopplung von russischen Energiequellen und Stromversorgungsnetzen; zudem Vorhaben in der Transportinfrastruktur wie Europas größtes Eisenbahnprojekt Rail Baltica und das Autobahnnetz Via Carpathia, das Klaipėda in Litauen mit Thessaloniki in Griechenland verbinden soll. Im Bereich der Digitaltechnologien wollen die 3SI-Länder zum Vorreiter in Europa werden. So schlug der rumänische Minister für Forschung, Innovation und Digitalisierung, Bogdan Ivan, vor, in den Ländern Mittel- und Osteuropas eine gemeinsame Cloud für künstliche Intelligenz zu entwickeln. Diese solle die Staaten besser digital vernetzen und auch privaten Unternehmen zu Verfügung gestellt werden. 

Bei allen drei Kernthemen betonten die Teilnehmenden die sicherheitspolitische Relevanz. Der Ukrainekrieg in unmittelbarer Nachbarschaft stelle die Länder der 3SI vor besondere Herausforderungen. Dies mache die Region aber auch strategisch bedeutsamer, so Ulrik Vestergaard Knudsen, Stellvertretender Generalsekretär der OECD:

"Zum einen holt Osteuropa gegenüber dem Westen wirtschaftlich deutlich auf, zum anderen ist dies die Region direkt an der Front zu Russland mit starker geopolitischer Friktion." 

Sei das Ziel der Drei-Meere-Initiative ursprünglich ein wirtschaftliches gewesen, so die litauische Premierministerin Ingrida Šimonytė, rücke heute Sicherheitspolitik in den Fokus. "Wir sollten nicht naiv sein", so Šimonytė. Verkehrsprojekte wie Rail Baltica, Via Baltica und Via Carpathia erhöhten ihr zufolge auch die militärische Mobilität in Europa. Der 5G-Ausbau entlang dieser Korridore ermögliche Cybersicherheit für weitere physische Infrastruktur wie Stromversorgungsnetze. Doch der Ausbau brauche Investitionen, so Šimonytė. 

Milliardengroße Finanzierungslücke bei Infrastruktur

Seit dem Bestehen der Initiative haben die 3SI-Länder 143 Infrastrukturprojekte in den Bereichen Energie, Transport und Digitalisierung initiiert. Doch die Finanzierung der ambitionierten Projekte ist seit jeher ein Problem. Im Jahr 2019, noch vor der Coronapandemie, so Beata Daszyńska-Muzyczka, Vorsitzende des Aufsichtsrates des 3SI-Investitionsfonds in Vilnius, habe man in den Mitgliedsländern eine Investitionslücke von 600 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030 für die Infrastrukturbereiche Transport, Energie und Digitales ausgemacht. Daszyńska-Muzyczka mahnt: 

"Heute schätzen wir die Investitionslücke allein im Transportsektor auf 600 Milliarden Euro."

Wichtigstes Finanzierungsinstrument der Drei-Meere-Initiative ist bisher der 2019 aufgesetzte 3SI-Investitionsfonds. Mit Stand Juni 2023 hatte er ein Volumen von 928 Millionen Euro. Zu deren elf Anteilseignern gehören die polnische Entwicklungsbank Bank Gospodarstwa Krajowego (BGK) als größte Geberin, die EximBank Romania oder die lettische ALTUM. Der Fonds ist mittlerweile geschlossen und akzeptiert keine weiteren Investoren.

Zweiter Fonds wird mit EU-Hilfe aufgesetzt

Für die Mobilisierung weiterer Gelder wurde nun in Vilnius die Gründung eines zweiten Fonds, des 3SI-Innovationsfonds beschlossen. Er soll gemeinsam mit dem Europäischen Investitionsfonds (EIF), der von der EIB und der EU-Kommission betrieben wird, aufgesetzt und im Mai 2024 offiziell gegründet werden. Ziele des neuen Fonds werden laut EIB-Präsidentin Nadia Calvino die Förderung von Konnektivität, Wettbewerbsfähigkeit, Zusammenhalt und Vertrauen sowie Sicherheit in der 3SI-Region sein.

Das erwartete Volumen zum Start werden 180 Millionen Euro von der EU bereitgestellte Gelder sein – angesichts der Investitionslücke eine verschwindend kleine Summe. Doch der Fonds soll laut EIF künftig weitere Investitionen in innovative Unternehmen durch die Mobilisierung von privatem Kapital ermöglichen.

Rückbesinnung auf Europäische Union 

Mit der angekündigten Unterstützung der Drei-Meere-Initiative durch die EU scheint sich die Initiative wieder stärker auf den gemeinsamen europäischen Gedanken zu besinnen. Gegründet worden war sie auch als Interessenvertretung der osteuropäischen Länder gegenüber den wirtschaftlich dominanten Westeuropäern. 

Als wichtiger Partner gaben sich diesbezüglich die USA. Doch eine im Jahr 2020 durch den damaligen US-Außenminister Mike Pompeo angekündigte Finanzierung für den Investitionsfonds in Höhe von bis zu 1 Milliarde US$ wurde nie getätigt. Die Unterstützung des Wiederaufbaus der Ukraine durch die Länder der 3SI könnte hier ein einigendes Moment innerhalb der EU werden. Denn sowohl die Expertise der osteuropäischen Länder wird benötigt, als auch die ganz Europa verbindende Infrastruktur. 

Im Jahr 2025 werden Gipfel und Businessforum der Drei-Meere-Initiative in Polen stattfinden, im Jahr 2026 in Kroatien.

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