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Interview | Indonesien | Verhandlungspraxis

"In Indonesien wird man vor dem Geschäft als Mensch geprüft"

Der Berater Michal Wasserbauer erklärt, wie man Geschäftsbeziehungen und Vertrauen in Südostasiens bevölkerungsreichstem Land aufbauen kann.

Von Oliver Döhne | Jakarta

Ing. Michal Wasserbauer, Ph.D. Co-founder & CEO, MMW Strategic Investment Senior Advisor Business Hub Asia, Senior Advisor Product Registration Indonesia Ing. Michal Wasserbauer, Ph.D. Co-founder & CEO, MMW Strategic Investment Senior Advisor Business Hub Asia, Senior Advisor Product Registration Indonesia | © Michal Wasserbauer

Michal Wasserbauer ist Mitgründer der Beratungsfirmen Business Hub Asia und Product Registration Indonesia. Seit 15 Jahren unterstützt er internationale Unternehmen bei ihrer Expansion in Südostasien, bei ihrer Unternehmensführung und beim Markteintritt.

Herr Wasserbauer, europäische Unternehmen machen in Indonesien vergleichsweise wenige Geschäfte. Kann das auch an interkulturellen Kommunikationsproblemen liegen? 

Die spielen sicher eine Rolle. Die Kommunikationsstile unterscheiden sich erheblich. Was Europäer als positive Diskussion empfinden, kann hier leicht als Druck oder Ungeduld interpretiert werden. Wer die typisch indonesische Feelgood-Atmosphäre mit Verbindlichkeit verwechselt und zu schnell auf einen Abschluss drängt, wird enttäuscht. Ich sage europäischen Kunden, dass man in Indonesien zuerst die Herzen gewinnen muss, bevor man Verträge abschließen kann. An erster Stelle steht der Aufbau eines persönlichen Vertrauensverhältnisses. 

Wie lange muss man dafür einplanen?

Länger als zum Beispiel in Malaysia. Auch in Vietnam ist der Stil schnörkelloser und umsatzfokussierter. Indonesische Geschäftsleute haben es hingegen anfangs nicht eilig, zumal sie meist genug andere Optionen haben. Man nimmt sich die Zeit, einen möglichen Businesspartner erst einmal zu testen. 

Wie sehen solche Tests aus?

Heute sind es zwar keine freilaufenden Tiger im Garten, wie sie der damalige Präsident Suharto noch nutzte, um die Nervenstärke seiner Gäste zu prüfen. Aber in meiner Anfangszeit wurde auch ich regelmäßig mit unerwarteten, aber offensichtlich künstlich herbeigeführten Drucksituationen konfrontiert. Eine versprochene Antwort blieb aus oder ich wurde genau beobachtet, wie ich mich abseits des direkten Geschäftsumfelds benahm, zum Beispiel bei Abendessen und Festen. 

Was bringt dabei Sympathiepunkte ein?

Beständigkeit und Gelassenheit unter Druck werden mehr geschätzt als schnelle Reaktionen oder verbale Versprechen. Entspannt bleiben, flexibel sein und auch der Unterhaltungsfaktor zählt. Das Wichtigste ist, dem Gegenüber Commitment und Priorität zu signalisieren. 

Wie macht man das am besten?

Man sollte sich vorab gut über die Zielperson informieren. Ein paar Worte ihrer regionalen Sprache parat zu haben - zum Beispiel Javanisch. Auch auf Hobbys einzugehen und Batik zu tragen, sind gute Einstiege. Und Zeremonien sind in Indonesien noch immer sehr beliebt. So werden bei einem Treffen von Firmenvertretern gerne fotowirksam kleine Erinnerungsgeschenke ausgetauscht, zum Beispiel eine Plakette mit den Namen beider Firmen. Gesten zählen eine Menge. Selbst Details wie das Merken der Namen von Familienmitgliedern oder die Teilnahme an Gemeinschaftsveranstaltungen können einen starken Eindruck hinterlassen. Auch eine ständige Erreichbarkeit sowie langfristige Pläne im Land schaffen Vertrauen. 

Was sind besonders schlimme Fettnäpfchen? 

Abgesehen von einer belehrenden Art, grobem Vokabular und mangelndem Respekt gegenüber der lokalen Hierarchie, lässt sich das aufgrund der heterogenen Bevölkerung mit den vielen Volksstämmen kaum verallgemeinern. Ein lockerer Spruch kann dem einen aufstoßen, dem anderen aber umso besser gefallen. Auch hier hilft eine gute Vorbereitung. 

"Die Sensibilität ist größer als in anderen Ländern." 

Grundsätzlich ist die Sensibilität gegenüber Misstönen größer als in anderen Ländern der Region. Groß ist auch der Stolz, wenngleich oft diskret verborgen. Wer durchblicken lässt, dass er Indonesien nur als Zweitstation einer Reise nach Singapur oder Thailand mitnimmt, sammelt Minuspunkte, womöglich ohne es zu merken. 

Insgesamt sind also Vorsicht und Geduld gefragt.

Anfangs ja. Aber ist einmal das Vertrauen aufgebaut, kann alles plötzlich sehr schnell gehen. Das beschleunigte Tempo sollte man dann auch mitgehen können. Gelegenheiten kommen und gehen. Geschäfte werden selten zu Bürozeiten besiegelt, schon eher mit einer WhatsApp-Nachricht um 11 Uhr abends. Viele wichtige Entscheidungen werden informell getroffen, beim Abendessen, beim Kaffee oder bei einem Treffen am Wochenende. 

Gehen wir einen Schritt weiter: Ein ausländisches Unternehmen stellt indonesische Mitarbeitende ein. Wie vermeidet man kulturelle Missverständnisse?

Grundsätzliche, scheinbar offensichtliche Dinge vorab genau erklären und mögliche Konsequenzen für die Firma aufzeigen, da ein fehlendes Verständnis für eine Aufgabe aus Scham verschwiegen wird. Aber auch hier kommt es auf den kulturellen Hintergrund jedes einzelnen Mitarbeitenden an. Bewährt haben sich gemischte Teams, was auch bezüglich der vielen unterschiedlichen religiösen Feiertage von Vorteil ist. Es ist auch hilfreich, Leistungen öffentlich anzuerkennen. Selbst ein einfaches "Danke" vor anderen kann motivierender sein als eine finanzielle Prämie.

Wenn einem indonesischen Mitarbeitenden dann aber doch einmal etwas richtig misslingt - wie äußert man Kritik, ohne vor den Kopf zu stoßen?

Mit allzu frontaler Kritik verliert man seine Mitarbeitenden schneller als in vielen anderen Ländern. Eine Möglichkeit ist es, einen heimischen Mitarbeitenden als rechte Hand oder in die Geschäftsführung einzubinden. Diese Person kann dann als „good cop“ einfühlende Erklärungen für die Kritik geben. 

Besteht bei allzu viel Rücksicht nicht auch die Gefahr, die europäische Geradlinigkeit zu verlieren?

Tatsächlich kann auch eine zu starke Anpassung an die lokalen Gepflogenheiten ein Grund des Scheiterns sein. Die Kunst besteht darin, eine klare Sicht auf die Dinge zu behalten, glaubwürdig in der Konsequenz zu sein und sich gleichzeitig genug lokal anzupassen, um gehört zu werden.

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