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Interview | Irak | Geschäftspraxis

"US-Sanktionen gegen Iran bremsen deutsche Firmen im Irak"

Iraks enge Iran-Verbindungen erschweren deutschen Firmen das Geschäft. Ein Experte erklärt, warum Banken abwinken – und wie Sanktions-Waiver helfen können.

Von Ulrich Binkert | Bonn

 Dr. Hans-Jakob Schindler, Senior Director, Counter Extremism Project (CEP) Dr. Hans-Jakob Schindler, Senior Director, Counter Extremism Project (CEP) | © Dr. Hans-Jakob Schindler

Deutschland unterhält nur überschaubare Wirtschaftsbeziehungen zum ölreichen Irak – nicht zuletzt wegen bestehender Sanktionen gegen Iran. Doch viele Waren wie Konsumgüter oder Arzneimittel sind davon nicht betroffen, sagt Hans-Jakob Schindler vom Counter Extremism Project, einer gemeinnützigen politischen Organisation. Der Sicherheitsexperte rät deutschen Firmen, ihre Geschäfte mit dem Irak möglichst in Euro abzuwickeln.

Herr Schindler, gibt es noch bilaterale Sanktionen gegen den Irak?

Ja, aber die USA, die EU und die Vereinten Nationen belegen nur Einzelpersonen oder Unternehmen mit Terrorbezug. Für reguläre Geschäftsbeziehungen sind sie weitgehend irrelevant. Sanktionen gegen den Staat, wie etwa gegen Iran, gibt es nicht mehr. 

Das eigentliche Problem sind die Sanktionen gegen Iran?

Richtig. Der Irak ist politisch und wirtschaftlich eng mit Iran verflochten. Viele irakische Firmen haben direkte oder indirekte Beziehungen zu iranischen Partnern. Deutsche Unternehmen müssen deshalb sorgfältig prüfen, ob sie nicht über sogenannte "US-Links" mit US-Sanktionen in Berührung kommen.

Was genau ist ein "US-Link"?

Ein solcher entsteht, wenn etwa US-Staatsbürger, Green-Card-Inhaber oder Personen auf US-Territorium an einer Geschäftsentscheidung beteiligt sind. Auch die Abwicklung in US-Dollar zählt dazu – und das ist im Irak fast immer der Fall. In solchen Fällen greifen automatisch US-Sanktionen, mit möglichen Folgen wie Strafzahlungen, Reputationsverlust und in schweren Fällen sogar dem faktischen Ausschluss vom US-Markt – auch für deutsche Firmen.

Welche Rolle spielt Iran im Irak?

Iran ist ein wichtiger Stromlieferant, und es gibt sogenannte Swap-Deals: Der Irak verkauft Öl im Namen Irans und leitet die Erlöse weiter. 

Für solche Geschäfte erteilt die US-Sanktionsbehörde OFAC sogenannte "Waiver“. Das sind Ausnahmegenehmigungen, die zum Teil auf politischen Abwägungen beruhen. Sie erlauben dem Irak, in wichtigen Geschäftsfeldern trotz Sanktionen mit Iran zu handeln, etwa bei strategischen Abhängigkeiten wie der Stromversorgung. Es kann aber auch um Geschäfte gehen, die für US-Firmen oder die USA selbst wichtig sind.

Mit einem Waiver geben die USA einen Freibrief für Irak-Geschäfte? 

Im Prinzip ja. Kein US-Staatsanwalt wird ihn anfechten. Ein Waiver legt zudem die Abwicklung des Geschäfts und den Transaktionsweg exakt fest. Damit ist auch für Banken die Sorge vor US-Strafen weitgehend ausgeräumt.

Wie häufig sind solche Waiver?

Ich kenne keine Statistiken darüber. Die US-Regierung wird auch kaum welche veröffentlichen. Klar ist: Waiver werden nur in absoluten Ausnahmefällen erteilt. Die eigene Sanktionspolitik soll ja nicht unterlaufen werden.

Viele Branchen haben doch gar keinen Iran-Bezug? 

Stimmt. Bei Konsumgütern, Lebensmitteln, Arzneimitteln oder Medizintechnik sehe ich kein Problem. Problematisch wird es in der Energie- und Infrastrukturbranche, wo iranische Firmen im Irak stark präsent sind.

Können auch deutsche Firmen selbst Waiver beantragen?

Ja, grundsätzlich steht diese Möglichkeit jeder Firma weltweit offen. Die Waiver gelten jedoch nur für ein einzelnes Geschäft. Und: Das Verfahren ist aufwendig, teuer und dauert mehrere Monate. Es lohnt sich nur bei Großprojekten ab dem dreistelligen Millionenbereich.

Werden US-Firmen bei Waivern bevorzugt?

Ja, allerdings haben deutsche Mittelständler mit globaler Monopolstellung – etwa bei bestimmten Infrastrukturen oder in der Signaltechnik – bessere Chancen, weil sie für bestimmte Projekte weltweit und auch in den USA unverzichtbar sind. Auf jeden Fall braucht man als deutsche Firma die Unterstützung der Bundesregierung.

Ist die Abwicklung in Euro eine sinnvolle Alternative, um den US-Link durch Dollargeschäfte zu vermeiden?

Ich würde das auf jeden Fall versuchen. Irakische Partner bevorzugen zwar klar den Dollar, da er faktisch Zweitwährung ist. Bei kleineren Beträgen sollte es aber eher möglich sein. Ich kenne einen Fall, in dem ein deutscher Maschinenbauer so Sanktionen umgangen hat.

Ausländische Banken tun sich offenbar ebenfalls schwer mit Irak-Geschäften. Warum?

Der Irak steht zwar nicht mehr auf der Grauen Liste der Financial Action Task Force, ist bei dieser zwischenstaatlichen Monitoring-Organisation aber weiterhin als "problematische Jurisdiktion" eingestuft. Banken müssen daher besonders sorgfältig prüfen, ob Partnerbanken und das abzuwickelnde Geschäft compliant sind.

Das ist teuer und aufwendig?

Ja, der Irak gilt als politisch instabil - mit viel Korruption, ausgeprägter Kriminalität und ungelösten Konflikten, etwa zwischen der Zentralregierung und den Kurden. Die enge Verflechtung mit Iran erschwert die Compliance-Prüfung zusätzlich. Viele Banken lehnen Irak-Geschäfte daher pauschal ab. Ein Geschäft muss schon eine sehr gute Gewinnmarge haben, damit man es trotzdem noch durchführen will.

Was müssten deutsche Banken tun, um mit dem Irak zu arbeiten?

Sie bräuchten mehr Erfahrung und stabile Geschäftsbeziehungen zu irakischen Banken. Doch weil deutsche Firmen dort kaum aktiv sind, fehlt diese Erfahrung. Ein Teufelskreis: Wenig Geschäft führt zu wenig Erfahrung, was wiederum zu noch weniger Geschäft führt.

In welcher Position für Irak-Geschäfte sehen Sie deutsche Firmen?

Deutsche Mittelständler denken langfristig, setzen auf stabile Partnerschaften und investieren über Jahrzehnte. Britische Firmen sind oft risikofreudiger, sie agieren schneller und opportunistischer. Das passt besser zu einem Markt wie dem Irak, wo viele Partner kurzfristig denken und schnelle Gewinne suchen.

Hat sich die Sicherheitslage zuletzt nicht verbessert?

Ja, sie ist deutlich besser als noch vor zwei, drei Jahren. So haben sich die schiitischen Milizen zuletzt zurückgehalten, auch im Kontext des Israel-Iran-Konflikts.

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