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Wirtschaftsumfeld
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Wirtschaftsausblick | Irland
Während sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen vieler EU-Länder verschlechtern, ist Irlands Wirtschaftsmotor kaum aufzuhalten. Er bildet Europas Wachstumsspitze.
15.12.2022
Von Marc Lehnfeld | Dublin
Irlands Wirtschaft steht wie ein Fels in der Brandung einer schwierigen Großwetterlage. Kein EU-Land konnte seine Wirtschaftsleistung in den ersten drei Quartalen 2022 so stark steigern wie die Inselrepublik, die gegenüber der Vorjahresperiode real um 11,5 Prozent zulegte. Sowohl die EU-Kommission als auch die OECD sehen das Land deshalb an der europäischen Wachstumsspitze, nicht nur für 2022, sondern auch für 2023.
Auch beim Blick auf den für Irland so wichtigen alternativen Indikator, die sogenannte modifizierte Binnennachfrage, zeigt sich die Wirtschaft mit einem Wachstum von 10,3 Prozent im gleichen Zeitraum robust. Dafür sorgen vor allem die Bruttoanlageinvestitionen, insbesondere stark steigende Maschinen- und Anlageinvestitionen. Der nicht abreißende Strom ausländischer Investoren schiebt die Wirtschaftsentwicklung zusätzlich kräftig an.
Die Konjunktur zeigt indes im Jahresverlauf 2022 schon erste Bremsspuren. Der Privatkonsum verliert nach und nach an Dynamik. Wuchs er zu Jahresbeginn noch um 16,1 Prozent, schrumpfte das Wachstum im 3. Quartal schon auf 2,1 Prozent. Der größte irische Wirtschaftsverband Ibec betont, dass die hohen Steuereinnahmen und die steigende Beschäftigung den konjunkturellen Abwärtstrend ausgleichen konnten, warnt aber bereits vor dem Winter. Die größten Wachstumshemmer sieht der Verband nämlich sowohl in der geldpolitischen Wende der EZB, in einem langsameren Wachstum in wichtigen Absatzmärkten und in der Energiekrise. Trotzdem erwartet Ibec im nächsten Jahr ein Realwachstum der Binnennachfrage von etwa 3 Prozent. Angesichts der schwierigen globalen Rahmenbedingungen ist das auch im europäischen Vergleich ein beachtliches Plus.
Im Vergleich zu Deutschland und den anderen europäischen Ländern fallen diese Herausforderungen allerdings weniger ins Gewicht. Nervös werden irische Ökonomen erst, wenn der Strom ausländischer Investoren abbricht. Trotz der Kündigungswelle bei den großen US-Tech-Firmen halten sich die Auswirkungen für Irland jedoch in Grenzen. Wer in den nächsten, schwierigen Jahren einen Wachstumsmarkt sucht, sollte gerade deshalb auf die irische Insel schauen.
Indikator | 2020 | 2021 | Vergleichsdaten Deutschland 2021 |
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BIP (nominal, Mrd. Euro) | 372,8 | 426,3 | 3.602 |
BIP pro Kopf (Euro) | 74.860 | 84.940 | 43.292 |
Bevölkerung (Mio.) | 5,0 | 5,0 | 83,2 |
Das Investitionsgeschehen in Irland kühlt sich zwar laut Ibec im Jahr 2023 auf ein Wachstum von 3,7 Prozent ab, steht aber angesichts des starken Anstiegs um 14 Prozent im Jahr 2022 und der schwachen Entwicklung in vielen anderen europäischen Ländern immer noch für ein attraktives Niveau. Dafür sorgen vor allem ausländische Investoren. Allein Pfizer gab Anfang Dezember bekannt, seine Produktionsstätte in Grange Castle für 1,2 Milliarden Euro auszubauen und bis 2027 bis zu 500 neue Arbeitsplätze zu schaffen. Auch deutsche Unternehmen profitieren vom guten irischen Investitionsklima. Ende November 2022 gab Siemens Energy bekannt, einen Auftrag im "dreistelligen Millionenbereich" für die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungstechnik (HGÜ) des irisch-französischen Celtic Interconnector gewonnen zu haben.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mio. Euro) | Projektstand | Projektträger/Anmerkungen |
---|---|---|---|
MetroLink, neue U-Bahn (Dublin Zentrum-Flughafen-Swords) | 3.000 | Planung, Realisierung voraussichtlich bis 2031 | Planung erstellt Konsortium die Jacobs Engineering Group Inc. und Idom |
Landesweiter Ausbau des Breitbandnetzes | 3.000 | Planung, teilweise im Bau, Realisierung bis 2044 geplant | |
2.600 | in Planung, Konsultationen laufen | Iarnród Éireann (irische Eisenbahngesellschaft) | |
Offshore-Windpark Codling (Kapazität 900 bis 1.500 MW) | 2.000 | in Planung. Geplanter Baustart: 2026 | Joint Venture: Fred Olsen Seawind und EDF Renewables |
Neues Kinderkrankenhaus in Dublin mit 39 medizinischen Fachabteilungen | 1.400 | im Bau, geplante Fertigstellung: Mitte 2024 | Bam Ireland |
1.300 | in Planung, Realisierung voraussichtlich 2023/2024 | Ausbau der Wasserversorgung an der Ostküste und deren Hinterland, u.a. Bau einer 170 Kilometer langen Pipeline samt Behandlungsanlagen | |
Celtic Interconnector (rund 500 Kilometer langes Seekabel nach Frankreich) | 1.000 | in Planung, Realisierung bis 2026 | EirGrid und RTE |
North Irish Sea Array Offshore Wind Park (500 MW); an der Küste von North County Dublin, Meath and Louth | 1.000 | in Planung. Geplanter Baustart: 2024 | Statkraft Ireland |
Oriel Offshore Wind Park (375 MW); Louth, Nordostirland | 900 bis 1.000 | in Planung | ESB Energy und Parkwind NV |
Autobahn N/M20 von Cork nach Limerick (80 Kilometer) | 1.300 | in Planung | Transport Infrastructure Ireland; eine Liste mit weiteren geplanten Straßenbauprojekten kann hier eingesehen werden |
Neue Pharmaproduktionsstätte, Raheen Business and Technology Park, Limerick | 400 | in Planung | Eli Lilly (USA) |
Öffentliche Ausschreibungen und Beschaffungen schreibt das irische Office of Government Procurement aus. Informationen zu aktuellen geberfinanzierten Projekten bietet die GTAI-Länderseite, Rubrik "Ausschreibungen" und "Entwicklungsprojekte". Informationen zu EU-Binnenmarktausschreibungen bietet GTAI auf ihrer Internetseite an.
Irische Verbraucher gehen mit einer schlechten Konsumlaune in den Weihnachtsmonat Dezember 2022. Der Credit Union Consumer Sentiment Index bleibt Ende November trotz Mini-Erholung auf einem niedrigen Stand, der nur während der Coronakrise und der Finanzkrise 2008 vergleichbar schlecht war. Dafür sorgen neben der Krise bei den Energiepreisen auch die Kündigungen bei den US-Techfirmen auf der Insel, die die Verbraucher verunsichern. Die Weihnachtsbudgets der Iren entsprechen laut Credit Union dem Niveau des Vorjahres.
Der Einzelhandelsverband Retail Ireland bezeichnet den Privatkonsum trotz der hohen Inflationsrate im November von 9 Prozent als "resilient". Für das nächste Jahr erwartet die OECD, dass der Privatkonsum um 1,3 Prozentpunkte weniger wachsen wird als 2022. Dazu tragen Prognosen zufolge dann die jahresdurchschnittlich weiterhin hohe Inflationsrate von 7,2 Prozent, sinkende Reallöhne und die auf 5,3 Prozent leicht zulegende Arbeitslosenquote bei. Insgesamt entwickelt sich Irlands Privatkonsum also robust.
Irlands Güterhandel mit dem Ausland legte zwischen Januar und September 2022 nominal um mehr als ein Drittel gegenüber dem Vorjahr zu. Dafür ist nicht nur die wachsende Pharmaproduktion auf der Insel verantwortlich, sondern auch die insgesamt gute konjunkturelle Entwicklung. Allerdings dürfte die Inflation die realen Effekte im Außenhandel deutlich überdecken. Erkennbar ist dies besonders im irisch-britischen Handel. Dieser hat sich nominal zwar vom Brexit-Schock wieder erholt, jedoch vor allem wegen gestiegenen Preisen, insbesondere beim irischen Energieimport. Der Warenaustausch mit dem drittwichtigsten Handelspartner Deutschland wuchs im Vergleich zur Vorjahresperiode mit knapp 47 Prozent stärker als mit dem Vereinigen Königreich (+43 Prozent) und überflügelte auch die Entwicklung im Außenhandel insgesamt (+35 Prozent).
Januar bis September 2021 | Januar bis September 2022 | Veränderung 2021/2022 | |
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Importe | 75.108 | 106.882 | 42,3 |
Exporte | 121.509 | 158.043 | 30,1 |