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Fachkräfte
Im wirtschaftsstarken Norden konkurrieren Arbeitgeber um qualifizierte Mitarbeiter. In Süditalien gestaltet sich die Fachkräftesuche leichter.
05.08.2025
Von Torsten Pauly | Mailand
In Italien nimmt die Nachfrage nach Mitarbeitern weiter zu. So ist die Beschäftigung 2024 um 1,6 Prozent gestiegen und soll auch 2025 um 0,9 Prozent zulegen, prognostiziert die EU-Kommission im Frühjahr 2025. Damit wächst die Nachfrage nach Arbeitskräften stärker als die Wirtschaftsleistung. Denn das italienische Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist 2024 preisbereinigt um 0,7 Prozent gestiegen und soll auch 2025 mit der gleichen Rate wachsen.
Mit der gestiegenen Nachfrage nach Arbeitskräften ist die Arbeitslosenquote in Italien seit Jahren stetig gesunken. Lag sie 2023 noch bei 7,8 Prozent, ist sie 2024 auf 6,6 Prozent zurückgegangen. Für 2025 und 2026 erwartet die Europäische Kommission erneut einen Rückgang, auf dann jeweils 5,9 Prozent. Obwohl die Quote der Beschäftigungslosen in allen Landesteilen sinkt, gibt es weiter ein ausgeprägtes Nord-Südgefälle. Im Jahr 2024 war die Arbeitslosenrate im Mezzogiorno etwa dreimal so hoch wie im Norden. Der Mezzogiorno umfasst die sechs südlichsten Festlandsregionen sowie Sizilien und Sardinien.
Fachkräftemangel nimmt zu
Der anhaltende Beschäftigungsaufbau verstärkt den Mangel an Fachkräften. Hinzukommt eine schnell alternde Gesellschaft, die den Fachkräftemangel in den kommenden Jahren zusätzlich verschärfen wird. Bis 2030 werden in Italien 4,3 Millionen Menschen das Renteneintrittsalter und nur 2,9 Millionen Jugendliche die Volljährigkeit erreichen.
Die überwiegend in Nord- und Mittelitalien beheimateten Maschinen- und Fahrzeugbauer, die dortige Chemie-, Mode- und Möbelindustrie sowie die im ganzen Land tätigen Werften, Nahrungsmittel- und Getränkeverarbeiter, Baufirmen und Gesundheitsinstitutionen haben einen hohen Bedarf an Facharbeitern, Ingenieuren und anderen Führungskräften.
Allein im Sektor der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) gab es Ende 2024 laut Branchenverbänden 184.000 offene Stellengesuche. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, vergibt Italien erleichterte Arbeitsvisa an hochqualifizierte, im Homeoffice arbeitende IT-Fachkräfte - sogenannte Digital Nomads - die weder aus der EU noch der Schweiz stammen. Außerdem können qualifizierte Staatsangehörige anderer Länder in Italien die Blue Card der EU erhalten.
Auch für Tätigkeiten mit geringerem Ausbildungsprofil gibt es einen hohen Bedarf. In Handel und Gastronomie fehlen 2025 etwa 260.000 Arbeitskräfte, so der Verband Confcommercio.
Generell gestalten sich Stellenbesetzungen im Norden jedoch erheblich schwieriger als im Süden des Landes. Die Beschäftigungsquote war 2024 in den nördlichen Gebieten um über 15 Prozentpunkte höher als im Mezzogiorno.
Bildungswesen rangiert im Mittelfeld der Pisa-Studie
In Italien hatten 2023 etwa 65,6 Prozent der Bevölkerung zwischen 25 und 64 Jahren einen mittleren oder gymnasialen Schulabschluss. Eine Hochschul- oder sonstige tertiäre Ausbildung hatten 21,6 Prozent absolviert. In der Pisa-Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erzielte das italienische Bildungssystem 2022 bei den Mathematikkenntnissen Ergebnisse im Mittel aller OECD-Länder. Beim Leseverständnis schnitt Italien leicht über- und bei den Naturwissenschaften geringfügig unterdurchschnittlich ab.
Eine duale Ausbildung ist in Italien nur in der Autonomen Provinz Bozen/Südtirol Standard, zunehmend jedoch auch in anderen Gebieten anzutreffen. Im Jahr 2022 hatten 8 Prozent aller italienischen Ausbildungsverhältnisse eine duale Komponente. Es gibt bei deutschen Investoren viel Interesse an solch einer Berufsausbildung. Dies unterstützt auch die Deutsch-Italienische Handelskammer, die hierfür eine eigene Tochtergesellschaft hat.
Brain Drain im Süden hält an
In Sizilien, Kampanien, Kalabrien und Apulien haben 2023 mehr Studierende einen Hochschulabschluss mit Auszeichnung erlangt als in der Lombardei, Piemont, Ligurien und Venetien. Dennoch ist der Bevölkerungsanteil der auf tertiärem Niveau Ausgebildeten im Süden des Landes etwa 10 Prozent geringer als im Norden.
Die Beschäftigungsaussichten sind im Süden wegen der geringeren Wirtschaftskraft schlechter. Das BIP pro Kopf war 2023 in den nördlichen Regionen um 83 Prozent höher als im Mezzogiorno. Von 2013 bis 2022 sind 125.000 Hochschulabsolventen im Alter von bis zu 34 Jahren aus dem Süden in andere Regionen gezogen und zwischen 2014 und 2023 hat der Mezzogiorno insgesamt 550.000 Einwohner an nördliche italienische Gebiete abgegeben. Dies berichtet das nationale Statistikamt.
Regierung unterhält Programme zur Arbeitsmarktförderung
Für eine aktive Arbeitsmarktpolitik unterhält das Ministerium für Arbeit und Sozialpolitik zusammen mit den Regionen das Programm GOL. Dies sieht unter anderem Schulungen für Langzeitarbeitslose vor.
Das Programm „Giovani“ unterstützt mit Geldern des Europäischen Sozialfonds über maximal zwei Jahre unbefristete Arbeitsverhältnisse für Menschen im Alter von bis zu 35 Jahren. Unbefristete Anstellungen von Arbeitnehmerinnen ab 50 Jahren, die mindestens 12 Monate ohne Beschäftigung sind, fördert das Programm „Donne“.
Italienische Arbeitgeber besetzen offene Stellen seit Jahren auch mit Zuziehenden. Im Jahr 2023 sind 226.000 mehr Menschen im arbeitsfähigen Alter zwischen 15 und 64 Jahren nach Italien gekommen als von dort ausgewandert sind. Der Zuzug erfolgte zu 22,6 Prozent aus afrikanischen Staaten, zu 15,5 Prozent aus anderen EU-Ländern, zu 15,4 Prozent aus Lateinamerika und zu 15,3 Prozent aus Indien, Pakistan und Bangladesch.
Italien im weltweiten VergleichFolgende Karte ermöglicht den Vergleich zwischen zahlreichen Ländern weltweit. Bitte beachten Sie, dass die Werte in der Karte aus international standardisierten Quellen stammen und somit ggf. von Angaben aus nationalen Quellen im Text abweichen können. |