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Special | Kambodscha | Erneuerbare Energien

Kambodscha benötigt eine Energiewende

Für die Zukunft strebt das Land eine radikale Energiewende an. Vor allem die Bekleidungsindustrie fragt nachhaltig erzeugten Strom nach.

Von Marcus Hernig | Bonn

„Wir haben viel Grünstrom hier in Kambodscha“, sagt Massimiliano Tropeano, Experte für nachhaltige Stromerzeugung bei der Europäischen Handelskammer (EuroCham) Kambodscha. 

Im Jahr 2021 wurde die Hälfte des im Land erzeugten Stroms aus erneuerbaren Energien gewonnen. Der jüngste Energieplan des Landes (Power Development Plan, PDP) sieht vor, dass rund 60 Prozent der im Land verbrauchten Elektrizität bis 2040 aus regenerativen Quellen stammen soll. Die verbleibenden 40 Prozent werden zu 90 Prozent von Kohlekraftwerken bereitgestellt. 

Kohle und Wasserkraft sind Hauptenergieträger

Ein Anteil von rund 50 Prozent Grünstrom ist viel. Allerdings wird dieser aktuell fast ausschließlich in Kambodschas großen Wasserkraftwerken erzeugt. 

„Wasserkraft steht klar an erster Stelle vor Solar und Wind“,

bestätigt Meng Nimol, stellvertretender Generalsekretär der kambodschanischen Handelskammer in Phnom Penh.

Bis 2021 erreichten Wasserkraftwerke eine Gesamtleistung von 1.332 Megawatt (MW). Die lokale Bevölkerung und Umweltschützer protestierten in den letzten Jahren immer wieder gegen große Staudammprojekte. Die Regierung verhängte daher für den Zeitraum zwischen 2020 und 2030 einen Baustopp für neue Staudämme am Mekong. Neue Dämme entstehen nur noch an kleineren Flüssen.

Die Nutzung von Kohlekraft steigt dagegen deutlich: Das Königreich verfügt über drei Kohlekraftwerke mit einer Leistung von 675 MW. Weitere Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von 1.015 MW sind im Bau oder geplant. 

Stromimporte sichern die Versorgung

Kambodschas Energiebedarf ist groß: Der Internationale Währungsfonds erwartet für das Jahr 2022 ein reales Wirtschaftswachstum von 5,1 Prozent, und die Prognosen für zukünftige Jahre bewegen sich auf ähnlichem Niveau. Dafür erzeugt das Land noch viel zu wenig Strom selbst.

„Wir importieren Strom,“ sagt Meng Nimol, „versuchen aber den Anteil der Importe zu verringern.“

Bisher wurde Strom aus Thailand, Laos und Vietnam dazugekauft. Tropeano von EuroCham ist skeptisch: „Wenn die Regierung ihren Plan umsetzt, dann muss sie zwangsläufig mehr importieren, weil für den erwarteten Mehrverbrauch an Strom die Kapazitäten fehlen. Importe könnten am Ende sogar bis zu 75 Prozent des Stroms ausmachen, den man hier künftig benötigt.“

Die Stromimporte speisen sich vor allem aus fossilen Energieträgern, auch Kohlekraft aus den Nachbarländern gehört dazu. Schlagzeilen machten zwei geplante transnationale 500-Kilovolt-Stromtrassen, gebaut von der kambodschanischen SchneiTec-Gruppe. Die erste soll Strom aus zwei neuen laotischen Kohlekraftwerken nach Phnom Penh bringen. Die zweite soll den Stromimport aus Thailand erhöhen. Auch diese Projekte sind umstritten, da letzte große Regenwälder gefährdet sind.

China dominiert Strom- und Exportmarkt

In Kambodscha läuft nichts ohne China. Allein 37,1 Prozent aller Warenimporte stammen aus der Volksrepublik. Auch den Energiemarkt dominiert das Reich der Mitte: Im Rahmen seiner Belt-and-Road-Initiative (BRI) baute China fast alle großen Infrastrukturprojekte des Königreichs. Dazu gehören die sechs großen Wasserkraftwerke im Südwesten mit rund 930 MW Leistung und das neue 400-MW-Kraftwerk Lower Sesan 2 im Nordosten.

Das neueste Projekt ist ein 700-MW-Kohlekraftwerk, das Chinas Staatsunternehmen Sinosteel baut. Die geplante Fertigstellung im Jahr 2024 soll die hohe Abhängigkeit von Stromimporten reduzieren und fast drei Viertel des Neubedarfs an Kohlestrom decken.

Kambodschas Zukunft braucht Solarstrom

Rund 56 Prozent der Warenexporte Kambodschas bestehen aus Kleidung, Schuhen und Reisezubehör. Zahlreiche chinesische Produzenten dieser Güter haben sich in neuen Industrieparks wie der Sonderwirtschaftszone Sihanoukville (SSEZ) angesiedelt. Der Strom für den Industriepark soll aus Kohle gewonnen werden. 

Nachdem Chinas Staatspräsident Xi Jinping 2021 auf dem Bo’ao-Forum verkündete, dass Chinas Seidenstraße „grün und nachhaltig“ werden soll, bedeutet dies das „Aus“ für die Finanzierung neuer Kohlekraftwerke. Damit hat diese Art der Energieerzeugung in Kambodscha kaum Zukunft. 

Das Beispiel zeigt, wie Chinas Seidenstraße, das Thema Energiekonnektivität und der Weltmarkt zusammenhängen. Ein Kohlemoratorium für die BRI könnte eine Energiewende in Kambodscha erzwingen.

Alles spricht für Solarstrom als beste Alternative: Kambodscha hat mit fünf Kilowattstunden (kWh) pro Quadratmeter das höchste Solarstrompotenzial in Südostasien. Solarenergie deckte 2021 gerade 6,4 Prozent der gesamten Stromerzeugung. Bis 2023 sollen sieben neue Solarkraftprojekte den Anteil erhöhen.

Solarenergie als Stromquelle ist die Zukunft für Kambodschas auf weltweiten Export gerichtete Textilindustrie. Ihre Kunden leben hauptsächlich in Europa und den USA. Viele westliche Bekleidungsfirmen wie die deutschen Sportartikelhersteller Puma und Adidas lassen in dem Königreich produzieren. Allein von Adidas hängen 80.000 Arbeitsplätze in Kambodscha ab. Das Unternehmen aus Herzogenaurach trat wie Nike oder Puma der Gruppe der sogenannten „Renewable Energie (RE) 100“ bei. Diese Hersteller produzieren zu 100 Prozent mit Ökostrom.

 „Momentan heißt der Weg dezentrale Solarstromlösungen, will heißen Auf-Dach-Solarpanele“,

meint Nachhaltigkeitsexperte Tropeano. Eine flächendeckende Verbreitung von Solarpanelen auf den Fabrikdächern der Textilindustrie ist die Chance der Zukunft: Erneuerbare Energie kann direkt an den Endverbraucher geliefert werden. Auch fallen dann die vielen Regularien der kambodschanischen Elektrizitätsbehörde (EAC) weg, die für eine Einspeisung in das Netz nötig sind.

Erneuerbare Energien könnten am Ende günstiger sein als immer teurere Kohlekraft. "Off-Grid"-Solarstrom vom Dach an die Werkbank sei gesetzlich nicht limitiert, sagt Tropeano. So können größere Marktpotenziale für Solarlösungen entstehen.

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