
Special | Kambodscha | Produktionsstandorte
Noch keine deutschen Fabriken in Kambodscha, warum eigentlich?
Jenseits der Bekleidungsindustrie sind die Rahmenbedingungen schwierig. Potenzial ist da, aber noch zieht das Land vor allem Firmen aus China an. Deutsche setzen bislang auf Sourcing.
25.06.2025
Von Frank Malerius | Bangkok
Kambodscha boomt. Überall in dem kleinen Entwicklungsland mit seinen 18 Millionen Einwohnern werden Fabriken hochgezogen. Nicht nur die Zahl der Projekte, auch die Investitionswerte steigen. Derzeit baut der chinesische Reifenhersteller Wanli Tire eine Produktionsstätte für 500 Millionen US-Dollar (US$). Wanli wählte als Standort die Sonderwirtschaftszone (SEZ) Bavet, die strategisch günstig an Vietnam grenzt. In der Region Bavet startete im März 2025 auch das Unternehmen Nexhealthcare den Bau seiner Fabrik für Gummihandschuhe, die circa 270 Millionen US$ kosten wird.
Dieser Beitrag ist Teil einer umfassenden Analyse zu neuen Produktionsstandorten. Sie zeigt anhand verschiedener Länderkategorien, warum und wohin sich Fertigungskapazitäten verschieben.
Investitionstrends: Erfolgsmodell Sonderwirtschaftszone
Das Land will die geografischen Vorteile durch weitere Sonderwirtschaftszonen noch besser ausspielen. Knapp 30 gibt es, mindestens noch einmal dieselbe Anzahl ist geplant. Viele der SEZ liegen in unmittelbarer Nähe der Hafenstadt Sihanoukville, andere nahe Thailand und Vietnam. Die SEZ wollen aus beiden Nachbarländern Fabriken nach Kambodscha ziehen und locken mit niedrigen Löhnen. In Thailand mit seiner schrumpfenden Bevölkerungszahl zeichnet sich nämlich ein Arbeitskräftemangel ab. Die dortigen Mindestlöhne steigen bereits stärker als das Wirtschaftswachstum.
Die Standortvorteile haben dem vergleichsweise rohstoffarmen Land einen bemerkenswerten Aufschwung beschert. Kambodschas durchschnittliches Wirtschaftswachstum der vergangenen 25 Jahre ist das höchste aller zehn Länder des südostasiatischen Staatenbundes ASEAN. Für die deutsche Exportwirtschaft spielt Kambodscha jedoch noch eine untergeordnete Bedeutung. Deutschland lieferte im Jahr 2024 Waren im Wert von 162 Millionen Euro, das entsprach in der deutschen Exportrangliste dem Platz 113. Deutschland importierte 2024 hingegen Waren im Wert von 2,2 Milliarden Euro, dies waren zu mehr als zwei Dritteln Textilien und Bekleidung.
Wenige deutsche Unternehmen vor Ort
Bisher gibt es nur wenige deutsche Firmen in Kambodscha. Die Unternehmensvereinigung German Cambodia Business (GBC) hat knapp drei Dutzend Mitglieder. Doch kaum die Hälfte davon sind deutsche Unternehmen mit einem Standbein im Land. Eine nennenswerte deutsche Produktion gibt es bisher nicht. Die großen deutschen Logistikunternehmen wie DHL oder Schenker sind vor Ort, genauso wie die deutschen Handelshäuser Rieckermann oder Melchers. Auch Bosch und Würth haben eine Repräsentanz. Mercedes und Porsche haben ihre Showrooms wieder geschlossen. "Für hochwertige Investitions- oder Konsumgüter aus Deutschland ist die Kaufkraft in der Breite noch zu niedrig", sagt Tassilo Brinzer, der GBC-Vorsitzende.
Fokusbranchen: Bekleidungssektor dominiert noch
Die europäische Handelskammer EuroCham Cambodia in Phnom Penh hat mehr als 400 Mitglieder. Aber auch hier gibt es nur wenige Unternehmen mit eigener Produktion. Kambodscha ist vor allem Sourcing-Standort, insbesondere für internationale Bekleidungshersteller. Puma und Adidas lassen in Kambodscha Bekleidung für den Weltmarkt produzieren. Trotz einer gewissen industriellen Diversifizierung erwirtschaftet die arbeitsintensive und wertschöpfungsschwache Bekleidungs- und Schuhindustrie etwa die Hälfte der gesamten Exporterlöse und beschäftigt fast 1 Million Menschen.
Für ein Engagement jenseits dieser Branche sind die Rahmenbedingungen bislang nicht gut genug: Die Bürokratie ist zu schwierig, der Warentransport zu zeitintensiv, die Produktivität zu gering und das Ausbildungsniveau zu niedrig. Dass in den 1970er Jahren die Roten Khmer einen Großteil der gebildeten Menschen umbrachten, hat bis heute tiefe Spuren hinterlassen.
Treiber und Risiken: Aufstieg ist bedroht
In Kambodscha sind Arbeitskräfte deutlich günstiger als in den beiden weiter entwickelten Nachbarländern Thailand und Vietnam, und sie sind auch deutlich günstiger als in China. Außerdem ist der Standort eine attraktive Alternative zu etablierten Produktionsländern, weil die Exportwirtschaft in Kambodscha, das nach United Nations-Definition noch zu den 44 weltweit am wenigsten entwickelten Ländern gehört, vom sogenannten Generalized System of Preferences (GSP) profitiert. Das heißt, ein Großteil seiner Exporte ist nach dem GSP von Importzöllen in Absatzmärkten befreit. Unternehmen strömen daher vor allem ins Land, um vor dort aus die USA und die EU zu beliefern. Die Exportquote - die Warenausfuhr im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung - lag 2022 bereits bei über 100 Prozent.
Zwischen den Fronten
Der weitere Kurs der Industrialisierung hängt auch von den Zolldrohungen aus den USA ab. Denn die USA sind der mit Abstand wichtigste Absatzmarkt, etwa ein Drittel der Exporte geht dorthin, überwiegend Bekleidung. Nun drohen in den USA seit April 2025 Zollaufschläge in Höhe von 49 Prozent. Diese Zölle sind auch gegen die etwa 3.000 chinesischen Unternehmen in Kambodscha gerichtet. Denn etwa 90 Prozent aller Bekleidungsfabriken sollen chinesischen Unternehmen gehören, und auch die Elektronikindustrie und Reifenproduktion sind überwiegend in chinesischer Hand. Kambodschas Exporterlöse aus den US-Märkten wandern also weitgehend in die Kassen chinesischer Unternehmen.
Und Kambodscha kann in naher Zukunft auch aus einem anderen Grund Opfer seiner Erfolge werden: Das Land wird vermutlich 2029 den UN-Status als wenig entwickeltes Land verlieren und dadurch auch in anderen Absatzmärkten zollpflichtig werden. Damit entfällt Investoren ein Anreiz für den Aufbau von Exportproduktionen. Fabriken könnten in die noch weniger entwickelten Nachbarländer Laos und Myanmar weiterwandern.
Institution | Anmerkung |
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Delegation der Deutschen Wirtschaft in Vietnam (AHK) | Anlaufstelle für deutsche Unternehmen, zuständig auch für Kambodscha |
Council for the Development of Cambodia | Nationale Investitionsförderagentur |
Investitionsgarantien des Bundes | Instrument zur Absicherung von Auslandsinvestitionen |