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Branchen | Kanada | Pharmaindustrie, Medizintechnik

Importabhängigkeit und Innovation prägen Kanadas Optikmarkt

Boom bei Optik: Eyewear wächst stark, sogenannte Smartglasses (Datenbrillen) setzen neue Impulse. Photonik-Investitionen eröffnen zusätzliche Chancen für deutsche Anbieter.

Von Heiko Steinacher | Toronto

Kanadas Eyewear-Markt zählt laut Decisions Advisors mit rund 9,3 Milliarden US-Dollar (US$) Umsatz 2024 zu den größten in Nordamerika. Bis 2026 sollen die Umsätze auf 11 Milliarden US$ steigen, getrieben von Lifestyle- und Premiumprodukten. Zum Vergleich: Der US-Markt liegt bei rund 45 Milliarden US$, Mexiko bei 2 Milliarden bis 4 Milliarden US$.

Ein Markt mit Wachstum und Importlücke

Diese Schätzungen umfassen den gesamten Eyewear-Markt – also Brillen, Kontaktlinsen, Sonnenbrillen und Smart-/Augmented-Reality (AR)-Brillen – und berücksichtigt die Vertriebssegmente stationär und online. Die heimische Produktion deckt nur einen Bruchteil des Bedarfs, Importe dominieren. Rund 40Prozent stammen aus den USA, gefolgt von Italien und China.

Smartbrillen als Wachstumstreiber

Neben klassischen Brillen wächst das Segment für Smart- und AR-Brillen. Technavio prognostiziert für diesen Teilmarkt bis 2029 in ganz Nordamerika ein jährliches Plus von nominal 14,5 Prozent. Anwendungen reichen von integrierten Displays für Navigation bis zu Gesundheitsmonitoring.

Kanadische Pilotprojekte zeigen, wohin der Trend geht: "Vision Picking" zum Beispiel ist ein AR-gestütztes Kommissioniersystem, bei dem Beschäftigte im Lager visuelle Anweisungen direkt im Sichtfeld sehen. DHL Supply Chain testet dies in Kanada für Barcode-Scanning und Navigation, während Purolator AR-Brillen für Paketverfolgung nutzt. Auch in der Telemedizin werden AR-Brillen eingesetzt, etwa für die Fernassistenz bei Augenoperationen.

Kanadische Pilotprojekte zeigen den Trend: AR-Anwendungen sind bereits Realität

📦 Lager & Logistik

  • DHL Supply Chain (Kanada, 2024 bis 2025): AR-Brillen für Vision Picking und Barcode-Scanning
  • Purolator (Toronto, 2025): Test von AR-Smartglasses für Paketverfolgung und Navigation im Lager

🏥 Gesundheit & Optik

  • Québec Telehealth Pilot (2024): AR-Brillen für Fernassistenz bei Augenuntersuchungen in ländlichen Regionen
  • University of British Columbia (2025): AR-Smartglasses zur intraoperativen Visualisierung bei Augenoperationen

Internationale Anbieter drängen nach Kanada

Xreal, einer der führenden AR-Brillenhersteller, vertreibt seine Produkte seit 2024 über Partner wie AT&T und T-Mobile auch in Kanada. Vuzix beliefert bereits kanadische Logistikunternehmen und Telemedizinprojekte, darunter Pilotanwendungen bei Amazon Canada sowie Folgeaufträge aus dem Gesundheitssektor. Beide Unternehmen setzen auf Kooperationen mit lokalen Partnern, um den wachsenden Bedarf an AR-Lösungen in Lagerlogistik und medizinischer Fernassistenz zu bedienen.

Deutsche Anbieter sehen ähnliche Chancen: Rodenstock ist seit 2021 über Centennial Optical vertreten, die Zeiss-Tochter tooz technologies entwickelt globale AR-Lösungen, die sich grundsätzlich auch für kanadische Gesundheits- oder Logistikprojekte eignen. Daneben entwickeln noch weitere deutsche Medizintechnik- und Optikspezialisten Strategien für den nordamerikanischen Markt. Studien des Branchenverbands BVMed und des Bundeswirtschaftsministeriums belegen eine steigende Exportorientierung in digitale Anpassungstechnologien und biometrische Lösungen. Dazu gehören telemedizinische und datengestützte Anwendungen, die den Trend zu smarten AR-Brillen unterstützen.

Innovationen auch im Service

Neben Technologietrends prägen neue Dienstleistungen den Wettbewerb: FYidoctors, Kanadas führende Optik- und Gesundheitsgruppe, startete 2025 eine mobile Klinik für ortsunabhängige Augenversorgung. New Look Vision Group mit rund 470 Filialen in Nordamerika bietet seit Juli 2025 flexible Zahlungsmodelle über Affirm – ein Hinweis auf die wachsende Bedeutung von Convenience und Kundenbindung.

Photonik als Zukunftsfaktor

Über den Optikmarkt hinaus rückt als Schlüsseltechnologie die Photonik in den Vordergrund. Sie ist essenziell für AR-Brillen und Hightech-Komponenten. Kanada investiert massiv in den Ausbau dieser Infrastruktur. Ihr Herzstück ist das Canadian Photonics Fabrication Centre (CPFC) in Ottawa, eine nationale Fertigungsanlage für optische Halbleiter. Dort entstehen Halbleiter aus den Hauptgruppen III und V, die für Hochleistungs-Laser und Chips unverzichtbar sind und die nur in Reinräumen, also staubfreien Produktionsumgebungen, produziert werden können. Seit 2023 wird das Zentrum um einen Reinraum erweitert, finanziert mit über 82 Millionen US$.

Unternehmen wie der Photonik-Spezialist Ranovus investieren über 70 Millionen US$ in neue Fertigungskapazitäten für optische Halbleiter in Ottawa, während der US-Elektronikfertiger Jabil in Kanata, einem Hightech-Stadtteil im Westen von Ottawa, ein Forschungszentrum für die Verpackung von Mikrochips und Photonikkomponenten baut.

Kanadas Hauptstadt entwickelt sich zusehends zum Photonik-Hub: Branchenexperten und Regierungsvertreter vergleichen die Ambitionen mit dem Modell von TSMC – nicht wegen identischer Produkte, sondern wegen der Rolle als globaler Fertigungs- und Innovationsknotenpunkt.

Warum deutsche Anbieter profitieren

Deutschland exportierte 2024 laut UN Comtrade optische Produkte (HS-Code 90: optische, fotografische und medizinische Instrumente) im Wert von rund 617 Millionen US$ nach Kanada. Das war ein Plus von 30 Prozent gegenüber 2023. Gründe sind die wachsende Nachfrage nach Präzisionsoptik und Maschinen für die Photonikfertigung sowie die Diversifizierung der Lieferketten. Hinzu kommt das Freihandelsabkommen CETA, das Zölle senkt und Rechtssicherheit schafft. Deutsche Produkte genießen in Kanada ein hohes Qualitätsimage. Das ist ein klarer Vorteil im Premiumsegment und bei Hightech-Komponenten.

Hürden beim Markteintritt

Die Chancen sind groß, doch dürfen regulatorische Anforderungen nicht unterschätzt werden. Kontaktlinsen gelten in Kanada als Medizinprodukte und dürfen in den meisten Provinzen nur über lizenzierte Optometristen vertrieben werden. Die Provinzregeln wiederum variieren. Zudem sind zweisprachige Kennzeichnungen (Englisch/Französisch) Pflicht. Auch Service und Logistik spielen eine Rolle: Kunden erwarten lokale Ansprechpartner, schnelle Garantiebearbeitung und After-Sales-Service.

Kanadas Optik- und Photonikmarkt wächst dynamisch. Das reicht von Premiumbrillen bis hin zu Hightech-Komponenten. Deutsche Anbieter mit Innovations- und Fertigungskompetenz können diesen Trend nutzen – sowohl im Konsumgüterbereich als auch in der industriellen Wertschöpfungskette.

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