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Fachkräfte
Deutsche Unternehmen finden in der Regel geeignete Fachkräfte. Einige gute Universitäten und duale Ausbildungsprogramme sorgen für ein passendes Angebot.
24.09.2025
Von Janosch Siepen | Bogotá
Kolumbien verfügt über ein großes Arbeitskräftepotenzial – allerdings mit Einschränkungen. Viele Beschäftigte haben nur ein geringes Bildungsniveau. Bei höher Qualifizierten ist der Bildungsmarkt stark auf geisteswissenschaftliche Fächer ausgerichtet. Nach Angaben des Wirtschaftsforschungsinstituts ANIF entfallen 36 Prozent der Hochschulabsolventen auf Wirtschaft, Verwaltung und Rechnungswesen, 22 Prozent auf Ingenieurwesen und Architektur sowie 20 Prozent auf Geistes- und Sozialwissenschaften.
Die vergleichsweise geringe Zahl an Absolventen technischer Studiengänge führt zu einem Mangel an technischen Fachkräften – eine Herausforderung vor allem für Industrieunternehmen. Dennoch berichten deutsche Firmen, dass sie in Kolumbien meist qualifiziertes Personal finden. Ein Grund: die Attraktivität und das Renommee deutscher Arbeitgeber.
Standort bestimmt Fachkräfteangebot
Bei der Verfügbarkeit von Fachkräften spielt der Standort eine Rolle. In Industriezentren wie Barranquilla sei es leichter, Personal zu finden, berichtet eine Firma. Generell gestalte sich die Personalsuche in Kolumbien einfacher als in europäischen Ländern, da eine junge Bevölkerung und viele Hochschulabsolventen für ein gutes Arbeitskräfteangebot sorgen.
Dennoch spüren einige Dienstleistungsbranchen wachsenden Wettbewerb um Fachkräfte. Eine Firma berichtet aus eigener Erfahrung, es müsse vor allem ein Zugehörigkeitsgefühl geschaffen werden, um die Mitarbeitenden zu binden und die Fluktuation gering zu halten. Vorgesetzte sollten vor Ort sein und Zeit investieren.
Arbeitslosigkeit sinkt
Die Arbeitslosenquote lag im Juni 2025 bei 8,9 Prozent - rund 2 Prozentpunkte weniger als im Vorjahresmonat. Handel, Beherbergung und öffentliche Verwaltung treiben die Dynamik im Arbeitsmarkt voran, zeigen Daten des Think Tanks ANIF. Strukturelle Probleme bestehen weiterhin. Die Arbeitslosigkeit fällt regional sehr unterschiedlich aus. Außerdem ist die Informalität auf dem kolumbianischen Arbeitsmarkt hoch. Der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zufolge arbeiten 56 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung informell. Dabei schwanken die Zahlen stark je nach Sektor, so Zahlen des Statistikamts DANE. Im Finanzsektor sind es 12 Prozent, in der Industrie 44 Prozent, in der Landwirtschaft sogar 84 Prozent.
Das am 25. Juni verabschiedete Gesetz 2.466 von 2025 führte erhebliche Änderungen im kolumbianischen Arbeitsrecht ein, darunter Regelungen zu Arbeitszeiten und Zuschlägen, Arbeitsverträgen, Ausbildungsverträgen, bezahltem Urlaub, Inklusion, Disziplinarverfahren, Telearbeit sowie Leistungen zur Schaffung neuer Arbeitsplätze. Kritiker befürchten weniger Flexibilität und eine Zunahme von Arbeitslosigkeit sowie Informalität im Land.
Regional renommierte und moderne Universitäten
Deutsche Unternehmen in Kolumbien sind in der Regel mit dem Bildungsniveau ihrer Mitarbeitenden zufrieden. Personaler geben zu bedenken, dass die Englischkenntnisse häufig ein Problem darstellen. Teilweise fehle auch die Fähigkeit zu analytischem und kritischem Denken. Das Ausbildungsangebot der öffentlichen Institutionen ist in vielen Fällen nicht auf die Bedürfnisse der lokalen Wirtschaft ausgerichtet.
Zu den renommiertesten Universitäten Kolumbiens zählen die Universidad de los Andes, die Universidad Nacional de Colombia und die Pontificia Universidad Javeriana, heißt es im aktuellen QS-Ranking der weltweit besten Universitäten 2025. Absolventen dieser Universitäten kommen als Angestellte für deutsche Unternehmen meist infrage. Auch kleinere, aber traditionsreiche Universitäten wie die Universidad del Rosario haben ein hohes Ausbildungsniveau. Bei Absolventen anderer, weniger bekannter Institutionen sollten Unternehmen das Niveau der Bewerber genau prüfen. Dabei rücken moderne Studienthemen wie künstliche Intelligenz in den Fokus. Kolumbiens Regierung eröffnete im August 2024 eine Fakultät für künstliche Intelligenz an der Universität von Caldas, die erste in Lateinamerika. Die Universidad de La Sabana kündigte im Frühjahr 2025 ein Programm für einen Doktortitel im Bereich KI an.
Duale Ausbildungsprogramme werden in Kolumbien vom Servicio Nacional de Aprendizaje (SENA) organisiert. Dabei wechseln Auszubildende rund alle drei bis sechs Monate zwischen Schule und Betrieb. Laut Aussagen des Unternehmens Vonovia und der Arbeitsagenturen beider Länder ist die Ausbildung in Kolumbien mit der in Deutschland vergleichbar. Der Abschluss des SENA ist landesweit standardisiert. Experten zufolge wird die Ausbildung zunehmend digitalisiert und Themen wie erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit werden wichtiger. "Im Vergleich zu Deutschland ist die Ausbildung in Kolumbien zum Teil weniger spezialisiert. Andererseits braucht man für manche Berufe, die in Deutschland eine Ausbildung erfordern, in Kolumbien ein Studium. Zum Beispiel bei Erziehern oder Krankenpflegern", sagt eine Fachkräftevermittlerin. Verglichen mit Deutschland sei in MINT-Berufen in Kolumbien der Frauenanteil deutlich höher.
Bei sehr speziellen Positionen wie beispielsweise im Vertrieb von onkologischen Geräten, können Personalvermittlungsagenturen helfen. Die wichtigsten Agenturen in Kolumbien sind Michael Page und Hays, bei deutschen Unternehmen ist zudem Top Management beliebt.
Arbeitsmoral ist Stärke im Markt
Unternehmen loben die Arbeitsmoral in Kolumbien. Die Menschen gelten als motiviert und fleißig. Viele Angestellte würden sogar nebenberuflich weiterstudieren, um sich fortzubilden, berichtet ein Unternehmer. Weiterbildungen sind üblich. Allerdings wechseln Beschäftigte häufig den Arbeitsplatz. Die Gesetzeslage erlaubt sowohl Arbeitnehmern als auch Arbeitgebern kurzfristige Kündigungen. Zwar investieren Unternehmen nur ungern viel Zeit in die teure Ausbildung ihrer Beschäftigten. Doch binden sie ihre Angestellten durch Sachleistungen oder Prämien an sich. Es empfiehlt sich, ein Zugehörigkeitsgefühl unter den Mitarbeitenden zu schaffen. Präsenz vor Ort und Teambuildingmaßnahmen helfen dabei. Das hält im besten Fall die Fluktuationsrate niedrig.
Kolumbien im weltweiten VergleichFolgende Karte ermöglicht den Vergleich zwischen zahlreichen Ländern weltweit. Bitte beachten Sie, dass die Werte in der Karte aus international standardisierten Quellen stammen und somit ggf. von Angaben aus nationalen Quellen im Text abweichen können. |