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Wirtschaftsumfeld | Lateinamerika | Arbeitsmärkte im Vergleich

Arbeitsmärkte in Lateinamerika: Das sollten Firmen wissen

Rohstoffe, grüne Energie und eine junge Bevölkerung: Lateinamerika bietet Chancen als Produktionsstandort. GTAI nimmt die Arbeitsmärkte in der Region in den Blick.

Von Janosch Siepen | Bogotá

Die Weltwirtschaft ist im Umbruch, der Protektionismus nimmt zu. Unternehmen suchen neue Absatz- und Beschaffungsmärkte und stellen ihre Produktionsnetzwerke neu auf. Dabei lohnt sich ein Blick auf Lateinamerika. Der Subkontinent lockt mit einem großen Binnenmarkt, Rohstoffen und sehr guten Bedingungen für erneuerbare Energie.

Schon heute nutzen viele deutsche Unternehmen Mexiko als Produktionsstandort. Zentrale Aspekte sind dabei die Nähe zu den USA und das Angebot an vergleichsweise günstigen Arbeits- und Fachkräften. Doch auch viele weitere Länder Lateinamerikas bieten Potenzial und gewinnen an Bedeutung als Produktionsstandorte, wie eine Analyse von GTAI zeigt, darunter Argentinien und Brasilien.

Wo gibt es genügend Fachkräfte?

Ein zentraler Aspekt bei der Standortwahl ist die Verfügbarkeit von Fachkräften. Weltweit sind Talente rar, doch in vielen Ländern in Lateinamerika bieten sich Chancen.

Stärken

  • Währungsabwertung in verschiedenen Ländern der Region sorgt für günstigere Arbeitskräfte
  • Junge Bevölkerung mit guter Arbeitsmoral und Wille zur Weiterbildung
  • Einige sehr gute Universitäten
  • Deutsche Firmen genießen hohes Ansehen
  • Staatliche Programme zur Stärkung der beruflichen Bildung

Schwächen

  • Hohe Informalität auf dem Arbeitsmarkt und in vielen Ländern hohe Arbeitslosigkeit
  • Hohe Lohnnebenkosten
  • Starke Fluktuation
  • Öffentliche Schulen mit vergleichsweise niedrigem Qualitätsstandard
  • Fachkräftemangel in verschiedenen Ländern der Region

Allerdings empfiehlt es sich für deutsche Unternehmen, das Fachkräfteangebot und die -kosten genau zu prüfen. Denn die Bedingungen in den Ländern Lateinamerikas unterscheiden sich zum Teil stark. So ist das Personal für technische Berufe besonders in wichtigen Industrieregionen in Brasilien und Mexiko rar. Einfacher gestaltet sich die Mitarbeitersuche dagegen in Argentinien, Chile und Kolumbien, wie die Untersuchung Global Talent Shortage der Personalberatung ManpowerGroup zeigt.

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch die Weltbank.

In Chile und Kolumbien ist auch die Arbeitslosigkeit bei Personen mit höherer Bildung vergleichsweise hoch, was Firmen die Personalsuche erleichtert. Gerade Kolumbien spielt auch eine zunehmende Rolle bei der Fachkräftegewinnung für Deutschland, darunter im Gesundheitswesen, aber auch für technische Berufe.

Tipps für deutsche Unternehmen

In vielen Ländern Lateinamerikas empfiehlt es sich, bei der Rekrutierung von Personal auf spezialisierte Personalagenturen zurückzugreifen, gerade bei Leitungspositionen und Fachpersonal. Zudem können deutsche Unternehmen Pflichtpraktika im lokalen Ausbildungssystem nutzen, um potenzielle Mitarbeiter zu testen und später zu übernehmen. Beim Auswahlprozess sind zudem lokale Eigenheiten der Auswahlverfahren zu berücksichtigen. So spielen etwa in Kolumbien Soft Skills und Arbeitserfahrung sowie das familiäre Umfeld und die Wohnsituation des Kandidaten eine größere Rolle als in Peru oder Chile, berichtet eine Personalchefin.

Vorsicht ist geboten bei Lohnnebenkosten und obligatorischen Sozialleistungen, die in vielen Ländern Lateinamerikas hoch ausfallen können. So können in Brasilien die Zusatzkosten mehr als 100 Prozent des Bruttogehalts erreichen. Auch die Flexibilität des Arbeitsrechts ist ein wichtiger Faktor. In Argentinien ist das Arbeitsrecht bislang sehr rigide, wodurch Kündigungen von Arbeitgeberseite schwierig sind. Allerdings strebt die Regierung unter Präsident Javier Milei eine Arbeitsmarktreform an.

Halten von Fachkräften als große Herausforderung

Nach der Ansiedlung sollten deutsche Unternehmen damit rechnen, dass sie die Ausbildung von Personal vor Ort oft selbst in die Hand nehmen müssen, da das öffentliche Bildungssystem oft mangelhaft und duale Ausbildung unzureichend etabliert ist. Mitarbeiter, die von deutschen Unternehmen aus- und fortgebildet wurden, sind oftmals attraktiv für Mitbewerber und können abgeworben werden. Die Personalfluktuation in der Region ist hoch. So nehmen 58 Prozent der Firmen in Kolumbien Personalwechsel als erhebliches Problem wahr, so eine Umfrage der Personalberatung Michael Page aus dem Jahr 2025. Auch deutsche Firmen in Mexiko berichten von einer schwachen Loyalität der Arbeitnehmer gegenüber dem Unternehmen.

Daher empfiehlt es sich, mit Mitarbeitern, die von Aus- und Fortbildungsmaßnahmen profitieren, einen zeitlichen Rahmen zu vereinbaren, innerhalb dessen sie im Unternehmen verbleiben, andernfalls müssen sie die Ausbildungskosten zurückerstatten. Um Personal zu halten, sollten deutsche Firmen neben wettbewerbsfähigen Gehältern außerdem erfolgsabhängige Prämien sowie nicht-monetäre Vergütungen und Zusatzleistungen bereitstellen. Darunter fallen Homeoffice-Regelungen, Versicherungen oder Kreditzuschüsse. Zudem sollten deutsche Unternehmen auch die lateinamerikanische Arbeitskultur berücksichtigen und auf Lob sowie ein gutes Vertrauensverhältnis setzen.

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