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Fachkräfte
Arbeitskräfte sind in Indonesien günstiger als in Malaysia oder Thailand. Das Bildungs- und Ausbildungsniveau ist noch mangelhaft, ausländische Unternehmen müssen selbst anlernen.
26.09.2025
Von Oliver Döhne | Jakarta
Mit fast 200 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter bietet Indonesien ein großes Potenzial an Arbeitskräften. Diese sind in Indonesien weitaus günstiger als in Singapur, Malaysia oder Thailand. Gleichzeitig ist indonesische Arbeitskraft teurer als in klassischen Niedriglohnländern wie Kambodscha oder Bangladesch.
Die Lohnunterschiede innerhalb des Inselreiches sind beträchtlich: In der Hauptstadt Jakarta und den östlich angrenzenden Industriegebieten in Bekasi sind die monatlichen Mindestlöhne fast dreimal so hoch wie im ländlichen Java.
Die Konkurrenz um Arbeitsplätze ist hoch
Durch die Reform des Arbeitsrechts hat sich das Investitionsumfeld für ausländische Unternehmen deutlich verbessert. Unter anderem sind Kündigungen leichter möglich und Abfindungen günstiger als zuvor. Dennoch sind die Restriktionen weiterhin größer als etwa in Malaysia, Thailand oder Vietnam.
Indonesien verfügt in geringerem Umfang als andere Länder der Region über eine exportorientierte Leichtindustrie, die hochwertige Jobs schafft. Der Anteil der verarbeitenden Industrie an der Bruttowertschöpfung ist von 30 Prozent um die Jahrtausendwende auf mittlerweile unter 20 Prozent gefallen.
Unter den Arbeitnehmern herrscht Konkurrenzdruck. Jedes Jahr kommen mehr als 2 Millionen Menschen neu auf den Arbeitsmarkt, von denen nur wenige eine adäquate Beschäftigung finden. Die offizielle Arbeitslosenquote lag Mitte 2025 zwar bei unter 5 Prozent, doch diese Zahl geht weit an der Realität vorbei. Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung sind ein großes gesellschaftliches Problem. Noch immer ist mehr als die Hälfte der Arbeitskräfte in Indonesien im informellen Sektor tätig.
Viele Unternehmen haben (oft nicht regelkonforme) Möglichkeiten für kurzfristige Kündigungen entwickelt. Auch berichten sie von Entlassungen, über die in den Medien oder in Veröffentlichungen staatlicher Stellen kaum oder gar nicht die Rede ist.
Arbeitskräfte müssen umfassend angelernt werden
Für ausländische Unternehmen ist es trotz der Fülle an vorhandenen Arbeitskräften oftmals schwierig, qualifiziertes Personal zu finden. Das Bildungs- und Ausbildungsniveau ist mangelhaft. Zwar können fast alle Indonesier lesen und schreiben, allerdings sind laut Weltbank mehr als die Hälfte der 15-Jährigen funktionale Analphabeten. Ausländische Unternehmen berichten, dass Indonesiens komparative Lohnvorteile vielfach durch die mangelnde Produktivität verloren gehen.
Der Inselstaat hat kein System der Berufsausbildung. Es gibt berufsvorbereitende Schulen (Sekolah Menangah Kejuruan; SMK), diese fangen aber oft nur schwächere Schüler auf und sind daher bei Arbeitgebern nicht sehr beliebt. Unter SMK-Absolventen ist die Arbeitslosenquote höher als bei solchen mit anderen Abschlüssen. Ein Geschäftsführer eines deutschen Unternehmens gab an, aus Qualitätsgründen nur von drei indonesischen Universitäten rekrutieren zu können.
Ausländische Unternehmen müssen daher ihre Arbeitnehmer umfassend anlernen. Es gibt in einigen Unternehmen deutsche Initiativen der dualen Ausbildung, allerdings schafft das nur eine punktuelle Verbesserung der Lage.
Hohe Digitalaffinität führt zu IT-Fachkräftemangel
In internationalen Bildungsstudien belegt der indonesische Nachwuchs meist die hinteren Plätze. Dennoch ist vor allem in den urbanen Zentren ein Wandel spürbar. Bildung gewinnt an Bedeutung und junge Indonesier lernen begierig Englisch.
Vor allem in der Digitalwirtschaft trägt das Früchte. Indonesier sind ausgesprochen digitalaffin, praktisch jeder Städter kauft mit dem Handy ein und bezahlt über Apps. In diesem Umfeld ist der Inselstaat zum führenden Start-up-Standort der ASEAN geworden. Allerdings hat das zu einem großen Mangel an indonesischen IT-Fachkräften geführt, denn die sind auch im Ausland begehrt, beispielsweise in Singapur, Australien, Japan, Südkorea, USA und Taiwan. Dort verdienen sie ein Vielfaches von dem, was sie in ihrer Heimat erhalten würden.
Indonesien im weltweiten VergleichFolgende Karte ermöglicht den Vergleich zwischen zahlreichen Ländern weltweit. Bitte beachten Sie, dass die Werte in der Karte aus international standardisierten Quellen stammen und somit ggf. von Angaben aus nationalen Quellen im Text abweichen können. |
Arbeitskräfte bringen wenig Auslandserfahrung mit
Vergleichsweise wenige Menschen in Indonesien haben internationale Lebens- und Arbeitserfahrung. Nur etwa 60.000 Indonesier sollen laut Medienberichten im Ausland studieren, ein großer Teil davon in Australien und dem sprachlich und kulturell verwandten Malaysia.
In Deutschland soll es etwa 5.000 indonesische Studenten geben. Schätzungsweise die Hälfte davon studiert Ingenieurswesen, Mathematik oder Naturwissenschaften. Für sie kann ein Studium an einer kostenfreien deutschen Universität inklusive Lebenshaltungskosten sogar günstiger sein als an einer teuren heimischen Hochschule. Zurzeit laufen Initiativen, um Fachkräfte aus Indonesien für den Pflegedienst in Deutschland zu qualifizieren.
Verkehrsstaus sind ein Problem
Einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf den Arbeitsalltag hat die Verkehrssituation. In urbanen Zentren herrscht vor allem zu den Stoßzeiten morgens und abends extremer Stau. Dann ist die Zeitspanne für den Weg zur Arbeit unberechenbar. Von Jakartas Außenbezirken bis ins Zentrum kann eine Fahrt mehrere Stunden dauern. Flexible Arbeitszeiten könnten hier Mitarbeitende entlasten.
Weiterhin sollten Arbeitgeber beachten, dass für die circa 90 Prozent muslimischen Arbeitnehmer mindestens zwei Gebetszeiten in den Bürotag fallen. Wichtigste Gebetszeit ist Freitagmittag. Gegebenenfalls muss der Arbeitgeber extra Urlaubstage für Pilgerfahrten gewähren.