Wirtschaftsumfeld | Kolumbien | Investitionsförderung
Perspektiven für ausländische Direktinvestitionen
Der wirtschaftspolitische Kurs der Regierung verunsichert Investoren. Trotzdem bleibt Kolumbien ein wichtiger Standort - und dürfte für einige Branchen noch wichtiger werden.
16.06.2023
Von Janosch Siepen | Bogotá
Das Wachstum der kolumbianischen Wirtschaft verlangsamt sich deutlich. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet für 2023 nur noch mit einem realen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von knapp 1 Prozent. Eine restriktivere Geld- und Fiskalpolitik, niedrigere Rohstoffpreise, die nach wie vor hohe Inflation und die schwache Weltwirtschaft belasten die Konjunktur. Mittelfristig soll die Wirtschaft jährlich um etwa 3 Prozent wachsen.
Kolumbien ist mit einem BIP von 344 Milliarden US-Dollar (US$) die viertgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas und mit 52 Millionen Einwohnern das Land mit der dritthöchsten Bevölkerungszahl in der Region. Aufgrund seiner günstigen geografischen Lage und zahlreicher internationaler Handelsabkommen ist Kolumbien grundsätzlich ein attraktiver Standort für deutsche Unternehmen.
Staatliche Eingriffe belasten das Investitionsklima
Der Sieg des linksgerichteten Politikers Gustavo Petro bei den Präsidentschaftswahlen im Juni 2022 hat das Investitionsklima jedoch verschlechtert - vor allem aus Sicht des Rohstoffsektors. Die neue Steuerreform erhöht die Abgaben für Förderunternehmen. Zudem will die Regierung neue Öl- und Gasexplorationen stoppen. Als Reaktion darauf haben einige Unternehmen Projekte vorübergehend gestoppt oder ganz aufgegeben. Auch in anderen Wirtschaftsbereichen greift der Staat nun stärker ein oder sendet entsprechende Signale aus. Dies trübt das Investitionsklima zusätzlich.
Nachdem Petro im April 2023 die Auflösung der Regierungskoalition ankündigte und sein Kabinett umbildete, herrscht Ungewissheit über den weiteren Kurs des Landes. Vor allem das Ausscheiden wichtiger moderater Minister wie des bisherigen Finanzministers José Antonio Ocampo verunsichert Investoren. Petros Schritt weg von der politischen Mitte deutet auf eine stärkere Polarisierung in politischen und wirtschaftlichen Fragen hin. Pragmatische Konsensbemühungen könnten unwahrscheinlicher werden, sodass Kolumbien politischer Stillstand droht.
Zudem steigt das Risiko von Protesten in der Bevölkerung. Eine anhaltend hohe Inflation und das schwache Beschäftigungswachstum sorgen für wachsende Unzufriedenheit bei den Menschen im Land. Weitere Informationen zu Standortvorteilen- und -nachteilen Kolumbiens finden Sie in unserer SWOT-Analyse. GTAI stellt auch Daten zu den Lohn- und Lohnnebenkosten zur Verfügung.
Indikator | 4. Quartal 2020 | 4. Quartal 2021 | 4. Quartal 2022 |
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Miete für Klasse A Büroraum in (Gesamt-)Bogotá | 21,3 | 18,1 | 15,5 |
Zukunftstrends: Großes Potenzial bei erneuerbaren Energien und Infrastruktur
Der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur bietet Geschäftschancen. Das Konjunkturprogramm Nuevo Compromiso por el Futuro de Colombia kommt zu einem großen Teil dem Transportsektor zugute. Das Infrastrukturprogramm Fünfte Generation (5G) sieht Milliardeninvestitionen in multimodale Infrastrukturprojekte vor.
Zudem setzt Kolumbien auf Erneuerbare Energien. Im Zuge des Klimawandels will das Land vor allem die nicht-konventionellen erneuerbaren Energien ausbauen, denn die Bedingungen für die Energiegewinnung aus Sonne und Wind sind hervorragend. Seit 2022 rückt auch das Thema grüner Wasserstoff in den Fokus. Kolumbien hat das Potenzial, in den nächsten Jahrzehnten zu den Ländern mit den weltweit niedrigsten Produktionskosten zu gehören. Um dies zu erreichen, unternimmt der Andenstaat zahlreiche Schritte.
Landwirtschaft mit konstantem Wachstum
Auch die Landwirtschaft ist ein interessantes Investitionsziel. Der Sektor ist wettbewerbsfähig und wächst auch in Krisenzeiten stetig. In den kommenden Jahren erwarten Fachleute ein jährliches Wachstum von rund 3 Prozent. Kaffee, Bananen, Blumen und Palmöl sind die wichtigsten Exportprodukte. Hier zählt Kolumbien zu den fünf größten Exporteuren weltweit. Für zusätzliche Dynamik sorgt die steigende Ausfuhr nicht-traditioneller Produkte mit höheren Margen wie Avocados oder exotische Früchte.
Kolumbien beliebt als Standort für BPO-Dienstleistungen
Internationale Unternehmen schätzen Kolumbien immer mehr als Standort für die Auslagerung von Geschäftsprozessen. Nach Brasilien, Mexiko und Costa Rica ist Kolumbien mittlerweile der viertwichtigste Markt für sogenannte BPO-Dienstleistungen (Business Process Outsourcing) in Lateinamerika. Ein schneller Datenaustausch mit anderen Kontinenten ist möglich, weil Kolumbien über elf Unterseekabel verfügt, die zweitmeisten in Lateinamerika. Unternehmen, die sich in Kolumbien niederlassen, können zudem auf ein großes Arbeitskräfteangebot zurückgreifen.
USA und Spanien sind wichtigste Investoren in Kolumbien
Nach Angaben der kolumbianischen Zentralbank flossen die meisten ausländischen Direktinvestitionen im Jahr 2022 in Finanz- und Unternehmensdienstleistungen (32,4 Prozent), gefolgt vom Ölsektor (16,3 Prozent), Transport und Kommunikation (10,6 Prozent) und Bergbau (9,3 Prozent). Gemessen an den Bruttozuflüssen investierten die USA am meisten (29,2 Prozent) in Kolumbien. Dahinter lag Spanien mit einem Anteil von 16,1 Prozent, gefolgt von Steueroasen wie Panama und Anguilla sowie Standorten von Großkonzernen wie der Schweiz und England. Deutsche Unternehmen sind besonders in den Bereichen erneuerbare Energien und Gesundheitswirtschaft aktiv. Im Vergleich zu anderen Ländern sind die Investitionen aus Deutschland aber gering.
Indikator | 2019 | 2020 | 2021 |
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Kumulierter Bestand | 204,9 | 212,3 | 218,9 |
Nettotransfers | 14,0 | 7,5 | 9,4 |
Indikator | 2018 | 2019 | 2020 |
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Kumulierter Bestand | 1.767 | 2.184 | 2.099 |
Nettotransfers | 135 | 35 | 252 |
Unternehmen | Branche |
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Fresenius | Medizintechnik |
Siemens | Infrastruktur |
Bayer | Chemie und Pharma |
DHL | Logistik |
Allianz | Versicherungen |