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Wirtschaftsausblick I Aserbaidschan

Aserbaidschans Wirtschaft wächst moderat, Reformdefizite bremsen

Aserbaidschans Wirtschaft wächst 2025 und 2026 um rund 3 Prozent. Treiber sind Bau, Agrar und Dienstleistungen. Erneuerbare Energien legen stark zu. 

Von Uwe Strohbach | Baku

Top-Thema: Aserbaidschan nimmt Kurs auf Ökostrom

Zwar steigt Aserbaidschan vergleichsweise spät in die Nutzung erneuerbarer Energien ein, doch die Entwicklung nimmt rasant Fahrt auf. Derzeit befinden sich sieben Solar- und Windparks im Bau, zehn weitere sind geplant. Bis 2027 sollen im Land neue Photovoltaik- und Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 1,7 Gigawatt ans Netz gehen. Die Projekte werden von internationalen Geldgebern mit Investitionen von rund 2,7 Milliarden US-Dollar (US$) unterstützt.

Der Anteil erneuerbarer Energien an den installierten Kraftwerkskapazitäten – einschließlich Wasserkraft – soll deutlich steigen: von rund 20 Prozent im Jahr 2024 auf 33,7 Prozent bis Ende 2027, auf 38 Prozent bis 2030 und schließlich auf 42,5 Prozent bis 2035.

Hinter dem aktuellen und geplanten Projektportfolio stehen vor allem internationale Unternehmen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (Masdar), Saudi-Arabien (ACWA Power) sowie China (Power China, China Energy, Gezhouba Group Overseas Investment und China Datang Overseas Investment).

Wirtschaftsentwicklung: Wachstum abseits der Ölindustrie

Internationale Marktbeobachter wie die Weltbank, der Internationale Währungsfonds und die Ratingagentur Fitch rechnen für das Jahr 2026 mit einem realen Wirtschaftswachstum von etwa 2,4 bis 2,5 Prozent – nach erwarteten 2,6 bis maximal 3 Prozent im Jahr 2025. Das Wirtschaftsministerium Aserbaidschans prognostiziert für 2026 ein Plus von 3,2 Prozent und für 2025 von 3 Prozent. Damit käme das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2025 auf rund 78,9 Milliarden US$.

Zum Wachstum tragen ausschließlich Sektoren außerhalb der Öl- und Gasindustrie bei. Die wichtigsten Treiber sind die Dienstleistungsbereiche IKT, Transport und Logistik sowie der Handel. Impulse kommen auch von den Sektoren Energie, Bau und Landwirtschaft.

Wirtschaftspotenzial bleibt ungenutzt – Reformen laufen an

Aserbaidschans Wirtschaft bleibt hinter ihrem Potenzial zurück. Staatliche Dominanz, monopolistische Strukturen und schwache Rahmenbedingungen bremsen private Unternehmen. Schattenwirtschaft, Justizdefizite und Korruption behindern fairen Wettbewerb und stören die Marktmechanismen.

Trotz bestehender Hürden verbessert sich das unternehmerische Umfeld. Die Regierung reformiert Wettbewerbs-, Eigentums- und Arbeitsrecht und fördert verstärkt private Unternehmen. Geplant ist der Verkauf staatlicher Anteile großer Unternehmen an private Investoren. Neue Institutionen sollen Investitionen in Wasserwirtschaft und Nichterzbergbau vorantreiben.

Investitionsneigung bleibt mittelfristig schwach

Die Investitionsdynamik bleibt hinter den Erwartungen zurück. Für 2025 und 2026 wird ein Rückgang oder bestenfalls eine Stagnation der Bruttoanlageinvestitionen erwartet. Zwischen 2020 und 2024 stiegen die Investitionen im Schnitt nur um gut 1 Prozent pro Jahr. Die Investitionsquote bleibt niedrig (2024: 17,5 Prozent im Verhältnis zum BIP). Das jährliche Investitionsvolumen liegt aktuell bei rund 13 Milliarden US$.

Die Investitionen fließen vor allem in Dienstleistungen und Bau. Industrie und Agrarsektor bleiben schwach. 70 bis 80 Prozent des Investitionsvolumens entfallen 2025 und 2026 auf Bau- und Montagearbeiten, rund ein Viertel auf die Öl- und Gaswirtschaft. Der Staat trägt etwa 60 Prozent der Gesamtinvestitionen und finanziert insbesondere den Wiederaufbau der Region Karabach.

Lage auf dem Verbrauchermarkt bleibt angespannt

Für 2025 und 2026 wird im Einzelhandel ein reales Wachstum von rund 3 Prozent erwartet. Allerdings unterschätzen offizielle Statistiken laut unabhängigen Experten die tatsächliche Inflation. Da viele Preise stärker steigen als amtlich ausgewiesen, bleiben reale Zuwächse gering.

Die monatlichen Pro-Kopf-Ausgaben im Einzelhandel belaufen sich 2025 auf rund 300 US$. Der Anteil für Nahrungs- und Genussmittel stieg zuletzt wieder und liegt aktuell bei hohen 55 Prozent der jährlichen Gesamtausgaben. Textilien, Bekleidung und Schuhe machen etwa ein Drittel der Non-Food-Ausgaben aus.

Trotz des Öl- und Gasreichtums Aserbaidschans lebt ein Großteil der Bevölkerung mit geringen Einkommen. Während sich einige Verbraucher, vor allem in Baku, teure Importprodukte leisten können, liegen die monatlichen Einnahmen vieler Haushalte nahe oder unter dem offiziellen Existenzminimum von rund 170 US$ (seit 1. Januar 2025).

Importe stagnieren preisbereinigt

Die Einfuhren Aserbaidschans dürften 2025 und 2026 – wie bereits in den beiden Vorjahren – real nur moderat wachsen (+1 bis +3 Prozent). Nominal steigen sie hingegen weiterhin um durchschnittlich rund 20 Prozent jährlich. Die Diskrepanz erklärt sich durch stark verteuerte Einfuhren. Wichtigste Importgüter sind Maschinen, Geräte, Elektromaschinen und elektrotechnische Erzeugnisse, gefolgt von Kfz samt Zubehör sowie Eisenmetallen und deren Erzeugnissen.

Aserbaidschans Export hängt stark von den Weltmarktpreisen für Rohstoffe ab. Öl, Gas und Ölprodukte stehen 2024/2025 für rund 86 bis 87 Prozent der Ausfuhren. Anhaltend sinkende Preise drücken die Exporterlöse deutlich. Für 2026 rechnen Marktbeobachter mit stagnierenden oder leicht steigenden Devisenerlösen aus dem Öl- und Gasexport.

Die übrigen Ausfuhren sollen 2025 rund 3,8 Milliarden US$ erreichen. Sie bestehen vor allem aus Agrar- und Nahrungsgütern, synthetischen Polymeren, chemischen Produkten und Aluminiumerzeugnissen.

Deutsche Perspektive: Lieferchancen bleiben überschaubar 

Aserbaidschan war 2024 Deutschlands neuntwichtigster Rohöllieferant (Importe 2023/24: je 1,2 Millionen Tonnen). Unter den übrigen Importen sind Haselnüsse erwähnenswert.

Deutschland exportiert vorrangig Kfz, Maschinen und Ausrüstungen, Elektronik, Arzneimittel, Chemikalien und Lebensmittel.

Zusätzliche Geschäftschancen ergeben sich bei erneuerbaren Energien, Stromnetzen, Bahn-Infrastruktur, Logistik, Schiffbau, Gesundheitswirtschaft sowie Digitalisierung und Start-ups.

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