Wirtschaftsumfeld | Lettland | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten
Lohnkosten
Lohnzusatzleistungen spielen in Lettland eine immer größere Bedeutung. Der lettische Arbeitsmarkt weist starke regionale und sektorale Unterschiede auf.
22.02.2023
Von Niklas Becker | Riga
Löhne und Gehälter
Lettland weist im EU-Vergleich ein sehr niedriges Arbeitskostenniveau auf. Im Jahr 2021 lagen die durchschnittlichen Arbeitskosten nach Angaben von Eurostat bei 11,10 Euro pro Stunde - der viertniedrigste Wert innerhalb der EU. Nur in Ungarn (10,40 Euro), Rumänien (8,50 Euro) und Bulgarien (7 Euro) mussten Arbeitgeber im Schnitt noch weniger für eine Stunde Arbeit bezahlen.
Wie auch an den anderen Standorten mit günstigeren Arbeitskosten unterliegt die Lohnentwicklung in Lettland einer hohen Dynamik. Die durchschnittlichen Bruttomonatslöhne legten in den Jahren zwischen 2017 und 2021 im Durchschnitt nominal um 8,3 Prozent pro Jahr zu. Allein 2021 stiegen die Löhne im Vergleich zum Vorjahr nominal um fast 12 Prozent auf 1.277 Euro. Auch aufgrund der hohen Inflation im Land dürften die Löhne in Zukunft weiter kräftig steigen. Aivis Brodins, Country Business Manager Latvia bei CV-Online, erwartet in den kommenden fünf Jahren einen jährlichen Zuwachs des Durchschnittsgehalts von 6 bis 7 Prozent.
2019 | 2020 | 2021 | 3. Quartal 2022 | |
---|---|---|---|---|
nominal (in Euro) | 1.076 | 1.143 | 1.277 | 1.317 |
nominale Veränderung (in Prozent) *) | 7,2 | 6,2 | 11,8 | 6,3 |
Wegen des starken Lohnwachstums und der hohen Wechselbereitschaft lettischer Arbeitskräfte sollten deutsche Unternehmen insbesondere bei hochqualifizierten Mitarbeitenden für eine enge Bindung sorgen und in Jahresgesprächen mögliche Gehaltssteigerungen thematisieren. Bei erfolgreicher Geschäftstätigkeit des Unternehmens erwartet die Belegschaft entsprechende Anpassungen.
In Lettland existiert ein deutliches Lohngefälle zwischen der Hauptstadt und dem ländlichen Raum. So lag das durchschnittliche Bruttogehalt in Riga im 3. Quartal 2022 rund 11 Prozent über dem Landesdurchschnitt. In den ländlich geprägten Regionen bewegen sich die Löhne mit bis zu 30 Prozent erheblich unter dem lettischen Durchschnitt.
2022 (in Euro) | Veränderung 2022/21 (in %) 1) | |
---|---|---|
Geschäftsführerin einer größeren Niederlassung 2) | 5.500 - 7.000 3) | 6 - 8 |
Geschäftsführerin eines kleinen bis mittleren Unternehmens | 4.000 - 5.500 3) | 6 - 8 |
Vertriebsleiterin | 2.500 - 4.000 3) | 5 - 7 |
Ingenieurin | 1.600 - 3.500 (abhängig von Erfahrung und Fachrichtung) | 8 - 10 |
Programmiererin (Senior-Level: mehr als 5 Jahre Erfahrung) | 5.500 - 6.500 | 5 - 7 |
Programmiererin (Mid-Level: 2,5 bis 5 Jahre Erfahrung) | 3.500 - 5.500 | 5 - 7 |
Sekretärin mit Fremdsprachenkenntnissen (Deutsch und Englisch) | 1.500 - 2.000 | 7 - 9 |
Buchhalterin | 2.000 | 7 - 9 |
Lkw-Fahrerin | 2.100 - 2.600 | 10 - 12 |
Regionen abseits der Hauptstadt bekommen mehr Aufmerksamkeit
Die im Vergleich zur Hauptstadtregion günstigeren Löhne und eine deutlich höhere Arbeitslosenquote machen den ländlichen Raum grundsätzlich attraktiv für Produktionsstätten. Urbanisierung und Auswanderung sorgen jedoch für eine schrumpfende Bevölkerungszahl. Viesturs Liegis, geschäftsführender Partner beim Headhunter Amrop, berichtet von dem Trend, dass sich Produktionsunternehmen und Global Business Service-Zentren zunehmend außerhalb der Hauptstadtregion niederlassen. Neben den niedrigeren Löhnen sei auch eine größere Loyalität der Arbeitnehmer in dieser Region ein Grund dafür.
Aber auch für Unternehmen mit einem Büro in Riga kann die Rekrutierung von Arbeitskräften aus anderen Regionen Lettlands die Personalsuche vereinfachen. Das durch die Coronapandemie zunehmende Arbeiten im Homeoffice macht es möglich. Ein Umzug in die Hauptstadtregion ist so für eine Einstellung nicht mehr nötig. "Die Möglichkeit der Anwerbung von Fachkräften im ganzen Land ist ein wirklich positiver Trend", berichtet Ieva Muceniece, HR & IT Recruitment Manager beim IT-Dienstleister q.beyond in Riga. In Zukunft wird nach Meinung der Expertin auch die Rekrutierung von ausländischen Fachkräften zunehmen.
Innerhalb der EU legen 22 der insgesamt 27 Mitgliedsstaaten einen Mindestlohn fest. Seit Januar 2023 beläuft sich der lettische Mindestlohn auf 620 Euro (2022: 500 Euro). Es ist der viertniedrigste innerhalb der EU. In den Nachbarländern Estland (725 Euro) und Litauen (840) fallen die gesetzlichen Mindestlöhne größer aus.
Weitere Lohnbestandteile
In Lettland gewinnen Lohnzusatzleistungen der Arbeitgeber immer mehr an Bedeutung. Besonders gefragt bei den Mitarbeitenden sind private Zusatzkrankenversicherungen. Auch eine vom Unternehmen finanzierte SIM-Karte für das Handy, die auch privat genutzt werden kann, ist sehr beliebt. Auf der Liste der beliebtesten Lohnzusatzleistungen finden sich zudem noch bezahlte Mittagessen, kostenlose Getränke und Obst im Büro. Insbesondere in der stärker umkämpften IT-Branche werden Leistungen wie beispielsweise eine private Zusatzkrankenversicherung von den Angestellten als obligatorisch angesehen.
Ein gutes Gehalt allein reicht nicht
Teilweise statten Unternehmen ihre Beschäftigten im Homeoffice zudem mit ergonomischen Stühlen und Schreibtischen aus. Aufgrund der hohen Preissteigerungen für Heizkosten haben einige Firmen während des Winters ihren Mitarbeitenden zusätzliche Einmalzahlungen gewährt. Aivis Brodins empfiehlt Arbeitgebern in Lettland, keine für das gesamte Unternehmen einheitliche Lohnzusatzleistungen festzulegen. "Ich empfehle individuell zugeschnittene Ansätze für die verschiedenen Generationen im Betrieb", sagt der Experte. Ein langsam wachsender Trend bei den Lohnzusatzleistungen von Führungspositionen und Spezialisten sind Viesturs Liegis zufolge Unternehmensbeteiligungen der Mitarbeitenden.
Üblicherweise wird Beschäftigten in Produktionsanlagen im ländlichen Raum ein Sammelfahrdienst angeboten, um den schwachen oder gar nicht vorhandenen öffentlichen Personen- und Nahverkehr auszugleichen. Zum Teil werden Arbeitskräfte auch täglich aus der Hauptstadtregion in die Niederlassungen im Umland per Shuttle befördert.
Q3 2022 (in Euro) | nominale Veränderung Q3 2022/Q3 2021 (in %) | |
---|---|---|
Insgesamt | 1.317 | 6,3 |
Bauwirtschaft | 1.304 | 1,9 |
Bergbau | 1.505 | 11,6 |
Verarbeitendes Gewerbe, darunter | 1.270 | 7,2 |
Nahrungsmittelindustrie | 1.129 | 6,9 |
Getränkeindustrie | 1.383 | 8,4 |
Textilindustrie | 877 | 3,9 |
Holzindustrie | 1.297 | 8,4 |
Papierindustrie | 1.299 | 4,4 |
Chemische Industrie | 1.318 | 13,3 |
Gummi- und Kunststoffindustrie | 1.232 | 2,8 |
Maschinenbau | 1.565 | 18,3 |
Metallurgie | 1.365 | 8,5 |
Elektrotechnik | 1.298 | 6,7 |
Elektronik | 1.678 | 8,5 |
Fahrzeugbau | 1.467 | 9,2 |
Handel, Reparaturen | 1.166 | 7,0 |
Hotel und Gastronomie | 878 | 5,0 |
Transport und Logistik | 1.250 | 10,0 |
Telekommunikation | 2.199 | 9,4 |
Finanzwesen, Banken, Versicherungen | 2.294 | 5,1 |
Immobilienbranche | 1.061 | -1,6 |
Inoffizielle Zahlungen können in der Bauwirtschaft und im Gastgewerbe 20 bis 30 Prozent des Bruttogehalts ausmachen. Deutsche Unternehmen sollten aber auf die Zahlung ebendieser verzichten, und besser die grundsätzlich positive Einstellung der Letten gegenüber deutschen Unternehmen für ein Marketing als attraktiver Arbeitgeber nutzen.
Sozialversicherungsbeiträge
Der Beitragssatz der in Lettland obligatorisch zu zahlenden staatlichen Sozialversicherung beläuft sich insgesamt auf 34,09 Prozent des Bruttolohns. Dabei sind 23,59 Prozent vom Arbeitgeber zu leisten. Auf den Arbeitnehmer entfallen die verbleibenden 10,5 Prozent. Die Steuer wird in ein Sozialversicherungsbudget eingezahlt, aus dem Zahlungen für Krankheit, Arbeitslosigkeit, Renten, Schwangerschaft und andere soziale Angelegenheiten vorgenommen werden.