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Personalsuche und Personalmanagement

In Tschechien können Arbeitnehmende derzeit die Bedingungen diktieren. Besonders dann, wenn sie gut ausgebildet sind, Fremdsprachen sprechen und in gefragten Branchen arbeiten.

Von Gerit Schulze | Prag

Die Suche nach Fachkräften und Führungspersonal ist angesichts der niedrigen Arbeitslosigkeit schwierig. Doch tschechische Arbeitnehmende wechseln gern und häufig das Unternehmen. Jobhopping ist beliebt, um schnelle Gehaltssprünge zu schaffen und auf der Karriereleiter nach oben zu steigen. Daher lassen sich auch in Zeiten eines angespannten Personalmarkts gute Leute finden.

Ausländische Unternehmen, die in Tschechien etabliert sind, versuchen im ersten Schritt häufig selbst, Personal zu finden. Sie schalten Anzeigen, recherchieren in sozialen Medien oder zapfen das Netzwerk ihrer Beschäftigten an. "Einige Firmen bieten ihren Mitarbeitenden sogar finanzielle Anreize, um Kontakte zu potenziellen Bewerbern zu vermitteln", erklärt Oliver Schmitt, Geschäftsführer des Prager Personalberaters Teamconsult. "Gute Leute kennen gute Leute", beschreibt der Experte den Vorteil dieser Herangehensweise.

Die führenden Jobplattformen im Internet wie Jobs.cz, Prace.cz oder Profesia.cz (weitere im Abschnitt Kontaktanschriften) werden von Arbeitgebern und potenziellen Bewerbern ausgiebig genutzt.

Praxistage bei deutschen Unternehmen

Eine gute Möglichkeit, sich als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren, sind die jährlichen Praxistage bei deutschen Unternehmen in Tschechien. Unter dem Motto "Echt Praxe" organisieren die Firmen einen Tag der offenen Tür. Die nächste Runde findet voraussichtlich im Juni 2024 statt.

Wenn die betriebseigene Personalsuche keinen Erfolg bringt, werden häufig Agenturen eingeschaltet. Sie nehmen meist zwei bis drei Monatsgehälter Vermittlungsgebühr pro Position. Allerdings suchen diese Dienstleister vor allem in ihren Datenbanken nach Kandidaten. Aktives Headhunting betreiben sie eher selten.

Ein Drittel Jahresgehalt als Vermittlungsgebühr

Zur Direktansprache sind professionelle Personalberater nötig. Solche Headhunter kommen besonders bei Führungspersonal und Schlüsselpositionen zum Einsatz. In Tschechien verlangen sie dabei meist die marktübliche Vermittlungsgebühr von rund 30 Prozent eines Jahresgehalts. In der Regel zahlt der Kunde ein Drittel der Summe bei Auftragserteilung, ein Drittel bei der Bewerberpräsentation und ein Drittel beim Eintritt in das Unternehmen.

Anschließend gibt es oft eine Garantie, dass der vermittelte Kandidat nicht gleich wieder abspringt und tatsächlich auf die Position passt. Anderenfalls zahlt der Personalberater die Vermittlungsgebühr zurück. Bei leitenden Juristen gewähren die Headhunter eine Frist von drei bis sechs Monaten, bei Topmanagern von bis zu zwölf Monaten. So zeigen seriöse Personalvermittler ihre Verantwortung für den Auswahlprozess.

Nur seriöse Agenturen nutzen

Ohnehin sollten Unternehmen bei der Suche nach einer Personalagentur in Tschechien gut recherchieren, rät Jitka Kouba, Marketingchefin bei Grafton Recruitment in Prag. "Es gibt viele Agenturen, die in der Grauzone arbeiten und zum Beispiel bei Leiharbeit mit dem Gesetz in Konflikt geraten können." Sie empfiehlt, auf Mitgliedsunternehmen des Verbands der Personaldienstleister APPS zurückzugreifen, der rund 30 Mitglieder hat.

Insgesamt sind in Tschechien laut Arbeitsministerium über 2.100 Personalagenturen tätig. Überwiegend handelt es sich dabei um selbstständige Einzelunternehmer.

Bei der Personalsuche helfen kann auch die Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer (AHK Tschechien). Sie nutzt dabei ihr gutes Kontaktnetzwerk und die große Reichweite ihrer Publikationen.

Tschechien attraktiver als Spanien und Großbritannien

Grundsätzlich ist Tschechien ein attraktiver Standort für Talente aus aller Welt. Im IMD World Talent Ranking 2023 rangiert das Land auf Platz 21 von 64 untersuchten Standorten. Es spielt in einer Liga mit Israel, Taiwan, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Litauen und liegt vor Frankreich, Spanien und dem Vereinigten Königreich. Tschechien hat in dem Rating zuletzt stark aufgeholt und punktet mit einer guten medizinischen Versorgung, motivierten und gut ausgebildeten Beschäftigten sowie der Fähigkeit, Talente im Land zu halten. Eher negativ bewertet sind die niedrigen Bildungsausgaben, die hohen Lebenshaltungskosten in Prag, die relativ niedrige Bezahlung von Topmanagern und die sinkende Zahl an Erwerbstätigen.

Mitarbeiterbindung wird immer wichtiger

Da der Wettbewerb um die besten Talente hart ist, sollten Unternehmen in Mitarbeiterbindung investieren. Ein guter Indikator für die Bandbreite an freiwilligen Sonderleistungen ist die "Gehaltsbenchmark Tschechische Republik", den die AHK Tschechien einmal jährlich erstellt. Das Angebot der deutschen Arbeitgeber reicht von Eintrittskarten für Freizeitparks und Schwimmbäder über Tagesausflüge für die Kinder der Beschäftigten bis hin zu Familien-, Sommer- und Weihnachtsfesten.

Für Beschäftigte, die eine weite Anreise haben, bieten sich Fahrtkostenzuschüsse oder Shuttlebusse zu den Werken an. Verbreitet sind Beiträge für Sport, Kultur und Gesundheit, Sonderzahlungen bei Geburt eines Kindes, einer Hochzeit oder dem Tod eines nahen Familienangehörigen. Die nächste Ausgabe des AHK-Gehaltsbenchmarks erscheint im Frühjahr 2024.

Zeitarbeit als Alternative
Dienstleistungen zur Arbeitnehmerüberlassung können eine gute Alternative sein, um Personalengpässe kurzfristig zu überbrücken. Laut Eurostat ist der Anteil der Zeitarbeit an den Vollzeitbeschäftigten in Tschechien in den letzten Jahren regelmäßig gestiegen. Er lag 2022 bei 2,3 Prozent und damit doppelt so hoch wie noch zwei Jahre zuvor. Die Zahl der Leiharbeiter beträgt damit schätzungsweise über 200.000. Laut der tschechischem Arbeitsbehörde Úřad práce ČR arbeiten drei Viertel der Zeitarbeiter im verarbeitenden Gewerbe. Daneben kommen sie besonders in der Landwirtschaft, im Bergbau und im Logistiksektor zum Einsatz. Am meisten gefragt sind Hilfsarbeiter für die Produktion und Ausrüstungsmonteure.

Keine hohen Hürden für Bewerber aufstellen

Der Bewerbungsprozess befindet sich in Tschechien im Umbruch. Der Trend geht zu immer weniger Unterlagen, die eingereicht werden müssen. "Da Personal ohnehin knapp ist, sollten die Unternehmen die Eintrittshürden für Bewerber möglichst niedrig halten", rät Teamconsult-Chef Oliver Schmitt. Nach seinen Erfahrungen spielen Motivationsschreiben fast keine Rolle mehr. Auch Referenzen würden eher selten verlangt. Häufig genüge das Bewerberprofil im Geschäftsnetzwerk LinkedIn.

Jitka Kouba von Grafton Recruitment weist darauf hin, dass ein wichtiger Aspekt für potenzielle Bewerber die korrekte Festlegung des Lohnniveaus ist. "Oft haben Unternehmen aus dem Ausland keine Vorstellung davon, welche Gehaltswünsche am Markt herrschen. Sie sind dann häufig überrascht, dass ihre Einstellungsverfahren nicht erfolgreich verlaufen."

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