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Branchen | Litauen | Chemie

Litauische Chemieindustrie will mehr erneuerbare Energie nutzen

Die Chemiebranche des Landes ist vor allem für Düngemittel und PET-Pellets bekannt. Mit den hohen Strom- und Gaspreisen wächst das Interesse des Sektors an erneuerbaren Energien. 

Von Niklas Becker | Helsinki

Nahe der litauischen Hauptstadt Vilnius liegt die Produktionsstätte von Greenlab Solutions. Seit vier Jahren stellt das Unternehmen Gefrierschutzmittel und Bremsflüssigkeit her. Redzinaldas Mickus, Geschäftsführer von Greenlab Solutions, ist überzeugt, dass seine Produkte durchaus mit europäischen Wettbewerbern aus dem hochwertigen Segment mithalten können. Eine Herausforderung für das kleine litauische Unternehmen sei aber sein geringer Bekanntheitsgrad. "Wir sind noch recht neu auf dem Markt. Viele potenzielle Kunden und Partner aus dem Ausland kennen uns daher nicht", sagt Mickus. 

Neben dem Direktvertrieb bietet Greenlab Solutions auch Auftragsproduktion an. Firmen können die vom litauischen Chemieunternehmen hergestellten Waren mit ihrem eigenen Label verkaufen. Das Chemieunternehmen ist bereits in Polen, der Türkei sowie in Zentralamerika tätig. In Zukunft möchte Mickus seine Waren auch in Deutschland und den Niederlanden verkaufen. 

Hohe Gas- und Strompreise wecken Interesse für erneuerbare Energien

Indes kämpft die litauische Chemieindustrie noch mit ganz anderen Problemen: Vielen Firmen machen die hohen Gas- und Strompreise zu schaffen. Zwar liegen diese nicht mehr auf dem Niveau von 2022, ihre Höhe bereitet den Unternehmen jedoch weiterhin Probleme. "Vor allem für die Produzenten von Düngemitteln im Land ist das ein sehr wichtiges Thema", erklärt Giedrius Mažūnaitis, Geschäftsführer beim litauischen Chemieverband. 

Litauens größter Düngemittelhersteller Achema hatte 2022 beispielsweise seine Produktion aufgrund der hohen Gaspreise zeitweise pausiert. Um in Zukunft unabhängiger vom Gas- und Strompreis zu sein, will das Unternehmen 500 Millionen Euro investieren. Dadurch soll der Einsatz fossiler Brennstoffe gesenkt und die Energieeffizienz verbessert werden. 

Unter anderem plant Achema den Bau einer Produktionsanlage für grünen Wasserstoff. Den benötigten Strom hierfür sollen Onshore-Windparks liefern. Wie Litauens Chemieverband berichtet, ist Achemas Vorgehen kein Einzelfall. Aufgrund der hohen Energiepreise schenkt die Branche erneuerbaren Energien zunehmend mehr Aufmerksamkeit. 

Käufer für Düngemittelhersteller gesucht

Auch der Düngemittelhersteller Lifosa hatte seine Fertigung in der Vergangenheit zwischenzeitlich angehalten. Als Grund nannte das Unternehmen neben den hohen Gaspreisen den Produktionsstopp von Achema, dem einzigen Ammoniaklieferanten in Litauen. Ammoniak ist einer der wichtigsten Rohstoffe für Lifosas Produktion.

Im Sommer 2023 gab Lifosas Mutterkonzern Eurochem bekannt, den litauischen Betrieb ab Oktober 2023 vorübergehend schließen zu wollen. Grund hierfür seien die von der EU verhängten Sanktionen. Diese wurden gegen den russischen Eigentümer von Eurochem, Andrei Melnitschenko, verhängt. Die litauische Regierung hatte deshalb für Lifosa einen Treuhandverwalter bestellt. Auch Vertriebs- und Lieferketten scheinen eine Herausforderung für das Unternehmen zu sein. Vertretern von Eurochem zufolge sucht man derzeit einen potenziellen Investor für Lifosa.

Stimmung der Unternehmen weiterhin negativ

Die Stimmung unter den litauischen Herstellern von Chemikalien hat sich im Sommer 2023 zwar etwas verbessert, bleibt jedoch weiterhin eingetrübt. Das zeigt der von der Europäischen Kommission veröffentlichte Stimmungsindikator. Im Winter 2022/2023 lag der Index rund 50 Punkte im Minus. 

Für August 2023 beziffert die Branche den Wert auf minus 25. Gleichzeitig erwarten die Firmen jedoch erstmals seit März 2023 wieder einen Zuwachs der eigenen Produktion. Neben den hohen Energiepreisen bereitet den Firmen besonders die geringe Nachfrage Kopfzerbrechen. 

Vier Firmen bestimmen das Bild

Gemessen an der Bruttowertschöpfung ist die Herstellung von Chemikalien und chemischen Erzeugnissen der wichtigste Wirtschaftszweig im verarbeitenden Gewerbe Litauens. "Mit einem Anteil an der Bruttowertschöpfung von über 2 Prozent hat die heimische Chemieindustrie in Litauen eine größere Bedeutung als in vielen anderen EU-Ländern", berichtet Mažūnaitis. Litauens Chemiebranche ist vor allem auf den Export fokussiert. Laut dem Experten gehen rund 80 Prozent der Produktion der Branche ins Ausland. 

Zahlen des nationalen Statistikamts zufolge gibt es in Litauen 160 Hersteller von Chemikalien und chemischen Erzeugnissen. Darunter sind 94 Firmen, also mehr als die Hälfte, Kleinstbetriebe mit weniger als zehn Mitarbeitenden. Der Großteil des Gesamtumsatzes des Sektors wird traditionell jedoch lediglich von vier Unternehmen erwirtschaftet: den beiden Düngemittelherstellern Achema und Lifosa sowie Orion und Neo Group, zwei Herstellern von PET-Pellets. 

Litauens Chemiebranche - weltweit ein Begriff

"In Europa ist Litauen einer der größten Produzenten von PET-Pellets", sagt Mažūnaitis. Auch auf dem weltweiten Düngemittelmarkt spielt Litauen eine wichtige Rolle. Laut heimischer Wirtschaftsfördergesellschaft liegt Litauen auf Platz 13 der größten Exporteure von Düngemitteln der Welt. Das Land steht für 1,7 Prozent der weltweiten Düngemittelexporte.

Infolge der Coronakrise hat neben der Düngemittel- und PET-Produktion allerdings noch ein weiterer Teilbereich der litauischen Chemieindustrie deutlich an Bedeutung gewonnen. Das US-amerikanische Unternehmen Thermo Fisher Scientific betreibt in Litauen seit 2010 einen Produktionsstandort. Wie Mažūnaitis berichtet, ist dieser in die Wertschöpfungsketten zur Herstellung von Coronaimpfstoffen eingebunden. Dies führte zu einem massiven Produktionszuwachs. "Der Umsatz von Thermo Fisher Scientific in Litauen war 2021 größer als der von Achema, Lifosa, Orion und Neo Group zusammen", erklärt Mažūnaitis. 

Neben der Herstellung von chemischen Erzeugnissen kommt in Litauen auch der Petrochemie eine besondere Bedeutung zu. Ein entscheidender Grund hierfür sind die Aktivitäten des polnischen Mineralölkonzerns Orlen im Lande. Im litauischen Mažeikiai betreibt das Unternehmen die einzige Raffinerie in den baltischen Staaten.

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