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Wirtschaftsausblick I Marokko
Marokkos Wirtschaft erhält leichten Rücken- und starken Gegenwind. Der Tourismus macht Hoffnung. Der Agrarsektor dämpft die Stimmung.
23.06.2022
Von Michael Sauermost | Casablanca
Seit Aufhebung der coronabedingten Grenzschließungen im Februar 2022 blüht der marokkanische Tourismussektor wieder auf. Die Wiederbelebung könnte sich auch in den kommenden Jahren positiv auf das Konjunkturbarometer auswirken. Ein unterdurchschnittliches Ernteergebnis hemmt allerdings das Wachstum im laufenden Jahr. Auch bekommt das international ausgerichtete Marokko Gegenwind durch die Folgen des Ukrainekrieges zu spüren.
Zwangsläufig wurden die Wachstumsprognosen nach unten korrigiert: Der Internationale Währungsfonds (IMF) geht für 2022 von einem realen Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 1,1 Prozent aus. Das wären immerhin 6,3 Prozentpunkte weniger als im Vorjahr. Die Economist Intelligent Unit hat ihre Prognose mittlerweile unterhalb der 1-Prozentmarke angesetzt. Die Afrikanische Entwicklungsbank bleibt mit 1,8 Prozent noch am optimistischsten.
Der Anstieg der Rohstoffpreise in Folge des Ukrainekriegs macht Marokko stark zu schaffen. Das Königreich bezieht etwa 90 Prozent seines Energiebedarfs aus dem Ausland. Unter der importierten Inflation leidet bereits jetzt die Industrie. Zusätzlich werden logistische Engpässe und Kosten zum Problem. Vorläufigen Schätzungen des Policy Center for the New South zufolge könnte das Königreich durch den Ukrainekonflikt zwischen 1 und 2 Prozent an BIP-Wachstum einbüßen.
Für 2023 sehen die Vorzeichen zwar besser aus. Allerdings sind auch diese Prognosen mit starker Unsicherheit behaftet. Der IMF prognostiziert eine reale Steigerung von 4,6 Prozent; die Afrikanische Entwicklungsbank ein Plus von 3,3 Prozent. Die Prognosen werden davon abhängig sein, wie stark die Besucherzahlen im Tourismus wachsen und wie gut die Ernteerträge in der Landwirtschaft sein werden. Auch vom Dienstleistungssektor (Banken, Handel, Immobiliensektor, oder Telekommunikation) wird viel erwartet - nicht nur im Inland, sondern zunehmend auch in den Märkten südlich der Sahara.
Weiterhin steht die Regierung vor sozialen Herausforderungen. Die Reform des Gesundheits- und Sozialschutzes wird die Staatskasse in den kommenden Jahren belasten. Das Wirtschaftswachstum dürfte nicht ausreichend, um das große Problem der Jugendarbeitslosigkeit nachhaltig zu bekämpfen. Ebenfalls verschiedene, durch die Folgen des Ukrainekrieges verlängerte Subventionen verhindern den gewünschten Abbau des Haushaltsdefizits. Letzteres dürfte 2022 einen Anteil von 4,8 Prozent des BIP erreichen.
Indikator | 2020 | 2021 | Vergleichsdaten Deutschland 2021 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. US$) | 114,73 | 132,72 | 4.224 |
BIP pro Kopf (US$) | 3.620 | 3.629 | 50.771 |
Bevölkerung (Mio.) | 36,9 | 37,3 | 83,2 |
Wechselkurs (Jahresdurchschnitt, 1 Euro = x Dirham) | 10,84 | 10,63 | - |
Das Investoreninteresse an Marokko steigt. Vor allem in der Industrie, aber auch im Energiesektor, besonders bei den erneuerbaren Energien, wird dies registriert. Die Regierung möchte besonders die Infrastrukturprojekte unterstützen, von denen lokale Fertigungsunternehmen profitieren können. Die Nettozuflüsse an ausländischen Direktinvestitionen beliefen sich laut Office des Changes 2021 auf 2,15 Milliarden US-Dollar(US$). Das waren knapp 44 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Industrie kam auf 372 Millionen US$. Daran hielt der Kfz-Sektor einen Anteil von etwas mehr als zwei Dritteln.
Mit Spannung wird noch im Sommer 2022 die Verkündung einer neuen Investitionscharta erwartet. Mit diesem "Fahrplan" sollen bis zum Jahr 2035 schrittweise zwei Drittel der in Marokko getätigten Investitionen vom Privatsektor kommen. Dadurch würde die derzeitige Relation in etwa umgekehrt. Das zweite große Ziel der Charta soll darin bestehen, Kapitalanlagen fernab der gängigen Ballungsgebiete zu fördern.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mio. US$) | Projektstand | Projektträger |
---|---|---|---|
4.500 | Vorstudie, Hauptauftragsvergabe: 4. Quartal 2023 | ||
LNG Floating Storage and Regasification Unit | 2.000 bis 3.000 | Vorstudie, mehrere mögliche Standorte an der Westküste | Office National de l’Electricité et de l’Eau |
Solarprojekt Foum Al Ouad | 2.105 | Vorstudie, Hauptauftragsvergabe: 4. Quartal 2021 | |
Gas-Pipeline, Region Rabat-Salé-Zemmour-Zaer | 2.000 | Auftragvergabe Mitte 2022, Fertigstellung 2025 | |
Windpark Dhakla | 2.000 | Vorstudie, Hauptauftragsvergabe: 4. Quartal 2022 | |
Marrakesch-Agadir Hochgeschwindigkeitsbahnlinie | 1.633 | Vorstudie, Hauptauftragsvergabe: 4. Quartal 2022 | |
Waste to energy plant | 1.400 | Vorstudie, Hauptauftragsvergabe 2. Quartal 2023 | |
Hafen Dakhla Atlantique | 1.400 | Durchführung geplant bis 2026 | |
Meerwasser-Entsalzungsanlage Casablanca | 1.050 | Vorstudie, Hauptauftragsvergabe: 3. Quartal 2022 | Office National de l’Electricité et de l’Eau |
Eisenbahnprojekt zur Elektrifizierung, Fès - Boulemane | 1.000 | Vorstudie | |
Untersee-Stromverbindungskabel Marokko- Portugal | 800 | Vorstudie | |
Nador West Med Port Complex | 800 | Bau eines neuen Hafenterminals |
Informationen zu aktuellen geberfinanzierten Projekten finden sich auf dieser Website unter „Ausschreibungen“ und „Entwicklungsprojekte“.
Die, nicht zuletzt auf den Krieg in der Ukraine zurückzuführende importierte Inflation macht sich bemerkbar. Laut Haut Commissariat au Plan erreichte die Inflationsrate im ersten Quartal 2022 die 4-Prozentmarke. Dies entsprach dem höchsten Stand seit dem Jahr 2008. Es wird erwartet, dass sich die Rate für das Gesamtjahr 2022 noch auf etwa 4,5 Prozent erhöht. Die gestiegenen Lebenshaltungskosten im Zusammenspiel mit dem schlechten Ernteergebnis schaffen nicht gerade ein ideales Geschäftsumfeld für den Einzelhandel. Allein der Tourismussektor könnte für positive Impulse sorgen.
Marokko blickt aufmerksam auf die Entwicklungen in der Ukraine. Denn die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen in Europa hat weiterhin einen entscheidenden Einfluss auf die Exporterlöse des Königreichs. Trotzdem wird von Ausfuhrsteigerungen ausgegangen. Zum einen wachsen die Phosphatproduktion und gleichzeitig die damit verbundenen Absatzpreise. Außerdem ist allgemein die Zuversicht bei den Exportindustrien gestiegen.
In den Monaten Januar bis April 2022 legten laut Office des Changes die Ausfuhren gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 34,2 Prozent zu. Dabei konnte das Phosphatsegment das Vorjahresergebnis nahezu verdoppeln. Die Einfuhren stiegen im Vergleichszeitraum um 37,8 Prozent - und dabei deutlich im Energiesegment (+71,4 Prozent). Bei Investitionsgütern blieb die Steigerung mit 14,4 Prozent vergleichsweise überschaubar.
Der Außenhandel zwischen Deutschland und Marokko konnte zu Beginn des Jahres an die positive Entwicklung des Vorjahres anknüpfen. Die deutschen Ausfuhren stiegen von Januar bis April 2022 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 16,5 Prozent auf 883,9 Millionen Euro. Die Einfuhren stiegen im gleichen Zeitraum um 24,7 Prozent auf 688,7 Millionen Euro.
Im Jahr 2021 erreichten die deutschen Ausfuhren mit 2,18 Milliarden Euro schon wieder fast das Rekordniveau des Jahres 2019 in Höhe von 2,20 Milliarden Euro.
2020 | 2021 | Veränderung 2021/20 | |
---|---|---|---|
Importe | 44,59 | 55,62 | 24,7 |
Exporte | 27,74 | 36,57 | 31,8 |