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Special | Niederlande | US-Zölle

Niederlande: Großes Handelsbilanzdefizit mit den USA

Die niederländische Hightech-Industrie ist stark von Zulieferungen aus den USA abhängig. Geplante ausländische Direktinvestitionen könnten zunächst zurückgestellt werden.

Von Michael Sauermost | Bonn

Die Niederlande stellen im europäischen Handel mit den USA einen Ausnahmefall da. Im Warenhandel weisen die USA hier einen hohen Überschuss auf. Insbesondere in den Bereichen Technologie, Pharmazeutika und Maschinenbau gibt es sehr umfassende Importe aus den USA. Zudem fungiert das Land als wichtiges Handelsdrehkreuz in Europa.

Wie im Nachbarland Belgien handelt es sich bei einem Großteil der in der Handelsstatistik erfassten niederländischen Ausfuhren um Transitwaren aus einem anderen Herkunftsland. Exporte machten in den letzten Jahren durchschnittlich zwei Drittel am Bruttoinlandsprodukt (BIP) aus. Im Jahr 2024 lag der Anteil vorläufigen Eurostat-Angaben zufolge bei rund 84 Prozent – nach 89 Prozent im Vorjahr.

Im Jahr 2024 exportierten die Niederlande einen Anteil von 5,1 (2023: 4,7) Prozent ihrer gesamten Warenausfuhren in die USA. Deutschland, Frankreich, Belgien und das Vereinigte Königreich sind allerdings bedeutendere Abnehmerländer.

Besonderheiten in den Wirtschaftsbeziehungen mit den USA

Besonders hohe Exportüberschüsse erzielten die Niederlande gegenüber den USA 2024 bei Spezialmaschinen (3.395 Millionen Euro), Eisen und Stahl (855 Millionen Euro), anorganischen chemischen Erzeugnissen (672 Millionen Euro), Getränken (629 Millionen Euro) sowie Metallerzeugnissen (416 Millionen Euro).

Größere niederländische Handelsdefizite bestanden 2024 bei Erdöl und -erzeugnissen (SITC: 33, -9,99 Milliarden Euro), Erdgas (SITC: 34, -6,61 Milliarden Euro), bei Mess-, Prüf- und Kontrollinstrumenten, -apparaten und -geräten (SITC: 87, -3,41 Milliarden Euro), Arzneimitteln (SITC: 54, -1,84 Milliarden Euro) und Stromgeneratoren (SITC: 71, -1,73 Milliarden Euro).

Einige Branchen in der Niederlande erwarten signifikante indirekte Auswirkungen durch höhere US-Zölle. 

  • Die niederländische Chemieindustrie exportiert insbesondere nach Deutschland, wo die Produkte weiterverarbeitet und mit höherer Wertschöpfung unter anderem in die USA exportiert werden. Der Sektor dürfte somit von möglichen US-Zöllen in Mitleidenschaft gezogen werden. 
  • Der niederländische Kfz-Sektor mit Produzenten wie Stellantis und Zulieferern, die insbesondere den europäischen Markt mit Komponenten versorgen, befindet sich seit längerem und unabhängig von der aktuellen Handelspolitik der USA in der Krise. Zusatzzölle würden die Krise weiter verschärfen. 

Auch der Tech-Sektor richtet sich auf veränderte Marktbedingungen durch den Handelskonflikt ein. Die Niederlande, als europäischer Hightech-Standort mit einem hohen Digitalisierungsgrad, arbeiten seit längerem an Strategien, um mehr Kunden für europäische (nicht US-amerikanische) Tech-Unternehmen zu gewinnen. Niederländische Experten warnen schon seit Jahren vor einer zu großen digitalen Abhängigkeit von den USA. Diese Diskussionen verschärfen sich jetzt angesichts im Raume stehender US-Zusatzzölle. Die staatliche niederländische Investitionsagentur Invest-NL fordert mehr Unabhängigkeit und Wettbewerbsfähigkeit sowie insbesondere mehr Investitionen in die niederländische Chipindustrie.

Die Top-5 Exportprodukte der Niederlande in die USAIn Mrd. Euro, 2024
Produkt

Wert

Medizinische und pharmazeutische Produkte (SITC 54)

5,8

Maschinen für besondere Zwecke z.B. Werkzeugmaschinen für besondere Zwecke, Maschinen zum Herstellen von Halbleitern, Nahrungsmittelverarbeitungsmaschinen (SITC 72)

5,1

Erdöl und Erdölerzeugnisse (SITC 33)

4,8

Elektrische Maschinen (SITC 77)

3,1

Büromaschinen und automatische Datenverarbeitungsmaschinen (SITC 75)

2,5

Quelle: Eurostat 2025

Herausforderungen und Chancen

Auch die niederländische Exportwirtschaft wäre von hohen US-Handelsbarrieren stark betroffen. Befürchtet wird jedoch auch auch ein Rückzug lokaler und internationaler Investoren sowie der Aufschub oder komplette Stopp schon fest geplanter Investitionsvorhaben.

"Trump würde es vorziehen, wenn wir nach Amerika gingen", erklärt Martin Maasland, Direktor von TTA-ISO. Das niederländische Unternehmen ist auf die Produktion von Landmaschinen sowie Gartenbau-Robotik und -Automatisierung spezialisiert und hat einen großen Markt in den Vereinigten Staaten. "Aber das Wissen und die Erfahrung auf dem Gebiet der High-Tech-Systeme im Gartenbau sind hier in den Niederlanden. Man kann diese qualifizierten Leute nicht aufheben und sie nach Amerika bringen."

Teile der niederländischen Wirtschaft sehen in dem Druck, der jetzt durch die USA aufgebaut wird, auch einen positiven Aspekt: Die Branchen müssen verstärkt neue und alternative Absatzmärkte finden, beispielsweise in Südamerika, um ihre Abhängigkeit von Amerika zu reduzieren.

Marieke Blom, Chefökonomin der ING, versteht die aktuelle Handelspolitik der USA nicht als Krise, sondern lediglich als Wachstumsbremse. Bei einem funktionierenden europäischen Binnenmarkt, so Blom, gäbe es viel zu gewinnen. „Und es gibt viele Möglichkeiten, die Handelsbeziehungen mit Ländern wie Indien und Südamerika zu stärken. Wenn wir diesen Moment nutzen, kann Europa stärker und unabhängiger von den USA werden. Auch für die Niederlande ergeben sich hier echte Chancen."

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