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Wirtschaftsumfeld
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Wirtschaftsausblick | Niederlande
Laut Angaben der Europäischen Kommission soll das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2022 real um 3,3 Prozent wachsen - und damit über dem Durchschnitt der Europäischen Union.
25.05.2022
Von Torsten Pauly | Berlin
Die Inflation verhindert ein noch stärkeres Wirtschaftswachstum in den Niederlanden. Der Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen Russlandsanktionen treiben die Kosten für Energie und Grundnahrungsmittel in die Höhe. Weltweit unterbrochene Lieferketten lassen auch die Preise von anderen Produkten steigen. In ihrer Frühjahrsprognose im Mai 2022 erwartet die EU-Kommission, dass die Teuerungsrate im Jahresschnitt 7,4 Prozent erreicht.
Insgesamt bleibt die Konjunktur jedoch in Schwung. Laut Europäischer Kommission wird sich die reale Inlandsnachfrage 2022 um 3 Prozent ausweiten. Auch die Ausfuhr von Waren und Dienstleistungen wächst 2022 preisbereinigt um 3,9 Prozent. So bieten sich deutschen Anbietern weiterhin gute Geschäftschancen, denn die Niederlande sollen 2022 laut Schätzungen auch 4,1 Prozent mehr Waren und Dienstleistungen importieren.
Damit setzt eine positive Entwicklung fort. Im Jahr 2021 war die niederländische Wirtschaft um 5 Prozent gewachsen, nach einem coronabedingten Rückgang des BIP von 3,8 Prozent 2020. Die niederländische Regierung hatte einen noch stärkeren Einbruch mit umfangreichen Förderprogrammen verhindert. Ihren Umfang beziffert das öffentliche Analyseinstitut CPB auf 185 Milliarden Euro.
Die hohe Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit der niederländischen Wirtschaft zeigt sich in konstant hohen Überschüssen der Leistungsbilanz. Auch wegen ihrer Rolle als kontinentale Logistikdrehscheibe sind die Niederlande eine äußerst offene Volkswirtschaft. Im Jahr 2021 belief sich der Warenimport auf etwa 75 Prozent des BIP, der entsprechende Export sogar auf 82 Prozent. Der größte europäische Hafen Rotterdam konnte seinen Umschlag 2021 um 7,3 Prozent steigern und den coronabedingten Rückgang 2020 (-6,9 Prozent) wettmachen. Allerdings bergen die Russlandsanktionen auch für Rotterdam Unwägbarkeiten, denn zuvor waren 13 Prozent des Hafenumschlags mit Russland verbunden, vor allem bei Brennstoffen und Metallen.
Indikator | 2020 | 2021 | Vergleichsdaten Deutschland 2020 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. Euro) | 800,1 | 860,7 | 3.571 |
BIP pro Kopf (Euro) | 45.870 | 49.090 | 42.918 |
Bevölkerung (Mio.) | 17,4 | 17,5 | 83,2 |
Nach Angaben der Europäischen Kommission sollen die Beschaffungen von Maschinen und Anlagen 2022 preisbereinigt um 3,1 Prozent steigen. Das Wachstum gründet auf einer guten Industriekonjunktur und einem Modernisierungsstau, der in der Coronakrise entstanden ist. Im verarbeitenden Gewerbe war die Kapazitätsauslastung im Mai 2022 mit 84,2 Prozent auf dem höchsten Stand der letzten zwölf Monate. Zum selben Zeitpunkt rechneten laut Statistikamt CBS 33 Prozent der Betriebe mit steigenden Umsätzen in den kommenden drei Monaten. Nur 8 Prozent erwarteten Rückgänge.
Auch die realen Bauinvestitionen legen 2022 laut Europäischer Kommission um 2,5 Prozent zu. Hier hatte die Pandemie laufende Arbeiten verzögert. Investitionsprogramme in der Verkehrsinfrastruktur, im Gesundheitswesen und in der Energieversorgung eröffnen langfristig Auftragschancen. Der Energiesektor setzt dabei auf Windparks, Fotovoltaik- und Wasserstoffanlagen.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (in Euro) | Projektstand | Anmerkung/Ansprechpartner |
---|---|---|---|
Straßenbau im ganzen Land | 25 Mrd. | Planung, tlw. Bau | Realisierung bis 2028; Rijksoverheid |
Offshore-Windparks | bis zu 20 Mrd. | Planung | Bis 2029 werden 7,5 Gigawatt errichtet; Tennet |
Landesweiter Ausbau der Bahninfrastruktur | 18 Mrd. | Planung, tlw. Bau | Realisierung bis 2040; NS Procurement |
Ausbau von Wasserstraßen, Hochwasserschutz, Entwässerungs- und Kläranlagen | 18,6 Mrd. | Planung, tlw. Bau | Realisierung bis 2034 geplant; Deltafonds |
Wasserstoffanlage in Noord-Nederland | 9 Mrd. | Planung | Realisierung bis 2030 geplant; Provinz Groningen |
Ausbau Hafen Rotterdam | 5 Mrd. bis 6,5 Mrd. | Planung, tlw. Bau | Vor allem Infrastruktur- und Energieprojekte, Realisierung bis 2025; Hafen Rotterdam |
Ausbau U-Bahn in der Region Amsterdam | 1,5 Mrd. | Planung | Verlängerung der Linie 52 nach Hoofdorp über Flughafen Schipol; GVB |
Bioraffinerie von Neste in Rotterdam | 1,5 Mrd. | Planung | Neben nachhaltigen Kraftstoffen sollen auch Rohstoffe für die Chemieindustrie erzeugt werden; Neste |
Ausbau von Pflegeinrichtungen | 660 Mio. | Planung | |
Ausbau des Krankenhauses Hilversum | 330 Mio. | Planung, tlw. Bau | Realisierung bis 2023, Stichting Tergooi |
Informationen zu öffentlichen Ausschreibungen finden sich auf dem Portal TenderNed und dem Portal Expertisecentrum Aanbesteden. Auch über private Ausschreibungen informiert die Homepage Aanbestedingskalender.
Informationen zu EU-Binnenmarktausschreibungen bietet GTAI auf ihrer Internetseite an.
Die hohe Inflation lässt die niederländischen Reallöhne 2022 um 4 Prozent sinken. Dies erwartet die Europäische Kommission im Mai, die auch für 2023 nur mit einer geringen Erholung der Einkommen rechnet (+1 Prozent).
Dennoch steigt die Konsumnachfrage der Haushalte, auch weil sich die Beschäftigung 2022 um 2 Prozent ausweiten soll. Die Bank ING erwartet, dass der Einzelhandel seinen Umsatz 2022 preisbereinigt um 2,5 Prozent steigern kann. Dabei ist das Wachstum im Onlinehandel mit 6 Prozent besonders hoch. Bei Nahrungsmitteln gibt es eine stark steigende Nachfrage nach Bioprodukten. Im Jahr 2021 hat der Umsatz des Einzelhandels real um 3 Prozent zugelegt.
Die Bereitschaft der Haushalte, ihren Konsum über Kredite zu finanzieren, ist in der Coronapandemie deutlich zurückgegangen. Die entsprechenden Darlehen haben sich im Dezember 2021 auf 10,1 Milliarden Euro summiert. Das waren 20,3 Prozent weniger als vor einem Jahr und 34,7 Prozent weniger als vor zwei Jahren.
Der niederländische Außenhandel ist 2021 stark um 21,5 Prozent gestiegen und hat damit den Einbruch in der Coronakrise mehr als wettgemacht. Im Jahr 2020 war das Volumen um 7,5 Prozent gesunken.
Die Niederlande sind ein Logistikdrehkreuz in Nordwesteuropa, daher haben Reexporte 2020 etwa 45 Prozent der Gesamtausfuhr ausgemacht. Doch auch mit Waren aus eigener Herstellung hat das Land 2020 einen Exportüberschuss von 14,8 Milliarden Euro erwirtschaftet. Dies entspricht 1,9 Prozent des BIP. Auch der Außenhandel mit Transitwaren hat 2020 einen Überschuss von 36 Milliarden Euro generiert.
Deutschland ist für die Niederlande der wichtigste Handelspartner und hat 2021 etwa 14,8 Prozent aller Einfuhren geliefert und 24,3 Prozent aller Ausfuhren abgenommen. Die meisten Importe kamen 2021 aus der Volksrepublik China (17,3 Prozent). Beim Export ist außer Belgien (11,4 Prozent) auch Frankreich (9 Prozent) besonders bedeutend.
2020 | 2021 | Veränderung 2021/2020 | |
---|---|---|---|
Importe | 520.764 | 641.561 | 23,2 |
Exporte | 590.233 | 707.995 | 20,0 |