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Wirtschaftsumfeld | Norwegen | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten

Arbeitsmarkt

Die pandemiebedingten Entlassungen sind vergessen. Dennoch klingen die Folgen in den geleisteten Arbeitsstunden nach. Der Fachkräftemangel nimmt immer mehr zu.

Von Michał Woźniak | Stockholm

Beschäftigtenzahl wieder auf Vorpandemieniveau

Der norwegische Arbeitsmarkt hat die pandemiebedingten Verwerfungen hinter sich gelassen. Zu Beginn der Coronakrise, im Mai 2020, hatten Lockdowns, die unsichere Konjunkturlage und großzügige Unterstützungsmaßnahmen, die über die Arbeits- und Sozialversicherungsbehörde (NAV) zu beziehen waren, zu einer Vervierfachung der Anzahl registrierter Arbeitssuchender auf über 400.000 Personen geführt. Seitdem hat sich die Lage entspannt. Im März 2022 wurde das Vorkrisenniveau von rund 100.000 Arbeitssuchenden wieder erreicht. Laut NAV waren somit 3,8 Prozent der Erwerbsbevölkerung ohne Anstellung. Laut Prognosen des Statistikamtes SSB soll dieser Anteil noch leicht zurückgehen und in den kommenden drei Jahren bei etwa 3,6 Prozent liegen. Bei gleichzeitigem Anstieg der Erwerbstätigenzahl von durchschnittlich etwa 0,7 Prozent jährlich.

Allgemeine Arbeitsmarktdaten

Bevölkerung (1. Januar 2022, in Mio.)

5,4

Erwerbspersonen (1. Januar 2022; in Mio.) 1)

4,1

Erwerbstätige (Januar 2022; in Mio.)

2,9

Arbeitslosenquote, offizielle (2021; in %, nach ILO-Definition)

4,4

Analphabetenquote (in %) 2)

-

Universitätsabschluss (2020; in %) 3)

35,3

1) Bevölkerung älter als 14 und jünger als 75 Jahre; 2) in Norwegen werden aufgrund der verschwindend geringen Zahl keine Analphabetendaten erhoben; 3) Anteil der Universitäts- und Hochschulabsolventen an der Bevölkerung ab 16 JahreQuelle: SSB 2022

Fachkräftemangel nimmt weiter zu

Die Nachfrage nach Arbeitskräften wird damit aber nicht gedeckt. In der 2. Jahreshälfte 2021 kratzte die Anzahl unbesetzter Arbeitsplätze an der 100.000-Marke. In den letzten drei Monaten 2021 waren 95.600 Stellen unbesetzt. Zum Vergleich: der Durchschnitt des letzten Quartals der vorangegangenen elf Jahre lag um ein Drittel niedriger.

Besonders betroffen vom Fachkräftemangel war die Hotellerie und Gastronomie, wo von Oktober bis Dezember 2021 nahezu dreimal so viele Arbeitskräfte fehlten wie im letzten Vorpandemiequartal 2019. Im gleichen Zeitvergleich hat sich der ungedeckte Angestelltenbedarf im Bauwesen verdoppelt, wo 8.500 Fachkräfte fehlten. Überdurchschnittlich gestiegen sind auch die Vakanzen im Finanz- und Versicherungswesen sowie im Einzelhandel.

Sollten die Einreiseregelungen nicht wieder verschärft werden, dürfte 2022 zumindest die Erntesaison weniger Probleme bereiten. Im Spätsommer 2021 vermeldeten die norwegischen Landwirte - trotz Unterstützungsprogrammen für einheimische Saisonarbeiter - 4.000 fehlende Saisonkräfte, etwa zehnmal so viele, wie in den Vorjahren.

Im produzierenden Gewerbe entwickelt sich der ungedeckte Bedarf entsprechend dem Durchschnittstrend. Mit 5.100 lag die Anzahl unbesetzter Stellen Ende 2021 etwa ein Drittel über dem Wert des Vergleichszeitraums 2019. Laut dem norwegischen Arbeitgeberverband Næringslivets Hovedorganisasjon (NHO) gaben in seinem Kompetenzbarometer 2021 über zwei Drittel der über 3.500 befragten Unternehmen an, unerfüllte Fachkräftebedürfnisse zu haben. Jeweils etwa die Hälfte benötigten Handwerker beziehungsweise technisches Personal und Ingenieure.

Langfristig hilft nur der Bevölkerungszuwachs

In der zyklischen NHO-Konjunkturumfrage meldeten im Februar 2022 so viele Unternehmen Probleme bei der Arbeitnehmersuche wie zuletzt 2008. Besonders schwierig sei die Lage in den von der Pandemie besonders betroffenen Branchen, wie Tourismus, Transport und Unternehmensdienstleistungen. Allerdings seien die bestehenden Potenziale nicht vollständig ausgenutzt, da die geleisteten Arbeitsstunden noch unter dem Vorkrisenniveau liegen. "Für die Zukunft erwarten wir ein besonders starkes Beschäftigungswachstum in den arbeitsintensiven Dienstleistungsbranchen", unterstreichen die Experten. "Wir gehen davon aus, dass geleistete Arbeitsstunden und Beschäftigung im Jahr 2022 um entsprechend über 3 und 2 Prozent zunehmen werden", prognostizieren sie.

Die sich bessernde Lage auf dem Arbeitsmarkt soll kurzfristig zu einer Steigerung der Erwerbstätigenquote führen. "Mittelfristig erwarten wir eine weitere Zunahme der Zuwanderung, da Norwegen ein attraktiver Arbeitsmarkt ist", erörtert der NHO ferner. Mit dem Lohnwachstum in Mittelosteuropa, woher das Gros der Arbeitsmigration stammt, wird der Zuzug allerdings abnehmen. Langfristig wird das Angebot deswegen hauptsächlich durch das Bevölkerungswachstum erhöht werden müssen - laut SSB soll es bis 2040 etwa 9 Prozent betragen.

Kompetenzlücke ähnlich der deutschen

Allerdings ist nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität wichtig. Seit Anfang des 21. Jahrhunderts stieg der Anteil der Bevölkerung mit Hochschulabschluss um die Hälfte. In der Altersgruppe der 25- bis 39-jährigen kann jede zweite Person ein entsprechendes Diplom vorweisen. Wie in den meisten Ländern dominieren allerdings Human- und Sozialwissenschaften. Die Anzahl von Absolventen der MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) nahm in den letzten 20 Jahren zwar zu, dennoch weist nur etwa jedes sechste Diplom entsprechendes Wissen nach.

Dabei ist genau hier die Nachfrage besonders groß. Laut NHO-Barometer können nahezu die Hälfte der Unternehmen ihren Bedarf nach informations- und kommunikationstechnischen (IKT) sowie technischen und Ingenieurkompetenzen nicht komplett abdecken. Etwa der gleiche Mangel herrscht bei Personen mit beruflicher Ausbildung aller Grade.

Die norwegische Regierung reagierte darauf unter anderem mit drei Förderprogrammen, die 2018 vorgestellt wurden. Bis 2028 sollen etwa 130 Millionen Euro in bessere technische Ausstattung im Hochschulwesen, neue, businessnahe Forschungsprogramme sowie die Steigerung der Qualität der Hochschulbildung fließen. Die Kapazitäten in den technischen Fächern sollen erhöht und die digitale Infrastruktur ausgebaut, der Fokus auf IKT und nachhaltige Technologien geschärft werden.

Netzwerksuche

Digital ist auch das richtige Schlagwort für die Mitarbeitersuche. Neben einschlägigen Portalen, wie Finn, Jobbnorge oder Jobbsafari, empfehlen sich entsprechende Aktivitäten in sozialen Medien. Beste Adresse ist dabei LinkedIn, das laut dem Statistikportal Napoleoncat Anfang 2022 knapp 2,3 Millionen Nutzer in Norwegen hatte. Bei der Besetzung von höheren Positionen oder Bedarf nach Nischenkompetenzen kann die Zusammenarbeit mit einer HR-Agentur hilfreich sein. Wie generell in Skandinavien ist der schnellste und sicherste Weg aber oftmals das eigene Netzwerk an Kunden, Auftraggebern und Partnern. Wegen der überschaubaren Größe der meisten Branchen gilt: "Man kennt sich".

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