Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und Kreislaufwirtschaft sind aus der Baubranche nicht mehr wegzudenken. Regulierung und Kundennachfrage verstärken den Trend.
Die Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz im Bausektor gewinnen in Österreich immer mehr an Bedeutung. Davon sind das Baugewerbe und die -industrie sowie die Baustoffhersteller betroffen, die für einen nachhaltigen Bauprozess, klimafreundliche Materialien und deren Recycling sorgen müssen. Gefordert ist aber auch die Immobilienbranche, da Käufer mehr "grün" zertifizierte Objekte verlangen.
Die meisten Branchenunternehmen verfolgen langfristige Nachhaltigkeitsstrategien und setzen sich dafür ehrgeizige Ziele. Sie verwenden energieeffiziente Baustoffe, fördern den Einsatz erneuerbarer Energien, nutzen innovative Technologien wie beispielsweise Building Information Modeling (BIM), um Ressourcen und Energie effizienter zu nutzen.
Außerdem verfolgen sie Programme und Investitionen zur Verringerung des CO2-Ausstoßes, zum Aufbau der Kreislaufwirtschaft, wählen und beschaffen zunehmend nachhaltige, regionale Materialien und Baustoffe und setzen Recyclingmaterialien bei Bauprojekten ein.
So sieht bei Strabag die 2021 beschlossenen Nachhaltigkeitsstrategie das Ziel vor, Klimaneutralität entlang der Wertschöpfungskette bis zum Jahr 2040 zu erreichen. Dabei soll bei der Planung und Umsetzung von Bauprojekten der Fokus auf ökologisch verträgliche, nachhaltige Bauweisen, auf eine effiziente Ressourcennutzung und -wiederverwertung gelegt werden. Als Zwischenziele sollen bis 2025 die klimaneutrale Verwaltung, bis 2030 das klimaneutrales Bauprojekt (Bauprozess von Bauwerken) und bis 2040 der Einsatz klimaneutraler Baustoffe erreicht werden.
Ähnliche Strategien verfolgen auch andere Branchenunternehmen wie Porr, Swietelsky, Wienerberger sowie Gebäudetechnik- und Heiz- und Klimatechnikanbieter.
EU-Vorgaben stellen Anforderungen an die Baubranche
Eine ganze Reihe von EU-Vorschriften berühren die Aktivitäten von Bauunternehmen. Darunter nennt die WKÖ die EU-Gebäuderichtlinie, die auf die vollständige Dekarbonisierung des Gebäudesektors bis 2050 abzielt. Die EU-Taxonomieverordnung zur Klassifizierung nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten betrifft auch Bauunternehmen. Die Aktivitäten zu Nachhaltigkeitsberichten erlegen auch KMU Berichtspflichten auf.
Außerdem betreffen die EU-Bauprodukteverordnung und der EU-Aktionsplan Kreislaufwirtschaft Bereiche, in denen Bau- und Baustoffunternehmen agieren.
Ein nationaler Treiber für Nachhaltigkeit und Energieeffizienz im Bausektor sind die österreichischen Klimaziele. Nach Angaben von Climatewatch entfielen 2022 rund 15 Prozent aller Treibhausgasemissionen auf die Bauwirtschaft und die Industrie. Der Sektor Elektrizität und Wärme schlug mit 25 Prozent zu Buche.
Österreich hat es sich zum Ziel gesetzt, bis spätestens 2040 klimaneutral zu sein. Einen großen Beitrag dazu soll die Ökologisierung des Gebäudebereichs sowie der Ausbau von Fern- und Nahwärme leisten. So soll die Fernwärme 2040 ohne fossile Energieträger auskommen. In diesem Zusammenhang gewinnen Wärmepumpen und intelligente Netze an Bedeutung. Zu den bekannten Akteuren der Wärmewende gehören der niederösterreichische Energieversorger EVN, die Stadtwerke Klagenfurt und Wien Energie.
Für die Gebäudesanierung und den Heizungstausch stehen bis 2026 fast 2 Milliarden Euro an Bundesmitteln zur Verfügung – zusätzlich zu Fördergeldern der Bundesländer. Für diese Sanierungsoffensive und weitere Ziele stand Ende Juli 2025 die Auszahlung von 1,6 Milliarden Euro aus der Aufbau- und Resilienzfazilität der EU bevor.
Initiativen für Kreislaufwirtschaft im Bausektor
Im Bauwesen und Gebäudesektor wird ein hohes Potenzial für den Auf- und Ausbau der Kreislaufwirtschaft identifiziert. Das betrifft bereits die Planungsphase, in der Einsatz von recyclingfähigen Materialien und von recycelten Baustoffen gesteigert wird, ebenso wie die stoffliche Verwertung von Bau- und Abbruchabfällen.
Der Fachverband VOEB sieht Österreich mit dem Recycling von 8 Millionen Tonnen Bau- und Abbruchabfällen im europäischen Vergleich gut aufgestellt. Die Wiederverwendungsquote erreicht derzeit 70 Prozent, mit steigender Tendenz. VOEB-Experte Alois Fürnkranz meint: "Ich bin mir sicher, dass wir in den nächsten fünf Jahren mehr als 90 Prozent aller Bau- und Abbruchabfälle recyceln werden, um der steigenden Nachfrage zu entsprechen."
Die AHK Österreich sieht in diesem Bereich Chancen für eine geschäftliche Win-Win-Situation für deutsche und österreichische Unternehmen. Darum findet vom 3. bis 7. November 2025 eine Geschäftsanbahnungsreise zur Kreislaufwirtschaft im Bau statt. Konkret richtet sich die Reise an deutsche Anbieter von kreislauffähigen Baustoffen sowie Lösungen zur Baustofftrennung und -aufbereitung im Rückbau. Die Reise ist Teil des Markterschließungsprogramms für KMU des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.
Nachhaltigkeit wichtiges Ziel im Immobiliensektor
Nachhaltigkeit beim Bau und Management von Gebäuden werden zunehmend auch zu Prioritäten der Geschäftstätigkeit von Immobiliengesellschaften.
Beträchtliche Investitionen hat dazu beispielsweise die staatliche Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), die für die Verwaltung und Entwicklung öffentlicher Immobilien zuständig ist, beschlossen. Zum Portfolio der BIG zählen beispielsweise rund 400 Schul- und 200 Universitätsliegenschaften. "Seit Jahren investieren wir gezielt in die Sanierung und Dekarbonisierung unserer Bestandsobjekte. Bis 2040 investieren wir zusätzlich 2 Milliarden für ein CO2-neutrales Portfolio", so BIG-Geschäftsführer Hans-Peter Weiss.
Unterstützt werden sollen das klimafreundliche Bauen und Sanieren durch die Vergabe von Nachhaltigkeitszertifikaten. Zu den bekanntesten Bewertungssystemen gehört der "klimaaktiv"-Gebäudestandard. Bewertet werden Gebäude in Bezug auf Energieeffizienz, Planungs- und Ausführungsqualität, Baustoffe und Konstruktion sowie Komfort und Raumluftqualität. Zwischen 2005 und 2022 wurden insgesamt 1.351 Gebäude nach diesem Standard bewertet.
Von Oliver Idem
|
Bonn