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Kfz-Konjunktur gewinnt nur langsam an Tempo

Österreichs Kfz-Industrie wird 2023 voraussichtlich leicht wachsen, erreicht das Vorkrisenniveau wohl aber erst 2024 wieder.

Von Barbara Kussel | Bonn

"Die Kfz-Industrie in Österreich steht vor erheblichen strukturellen Herausforderungen, sollte aber auch in Zukunft von der wirtschaftlich stabilen Position der deutschen Premiumhersteller profitieren. Wir erwarten, dass die Branche 2023 weiter wachsen wird, aber frühestens 2024 das Vorkrisenniveau wieder erreicht." Dieses Fazit zieht die UniCredit Bank Austria in ihrem jüngsten Branchenreport "Fahrzeugerzeugung - mit Detailberichten: Kfz-Industrie und sonstiger Fahrzeugbau", der im März 2023 erschienen ist.

Österreichs Kfz-Industrie war der Studie zufolge in den vergangenen Jahren eine der wachstumsstärksten im europäischen Vergleich, auch weil die Einbußen im Zulieferbereich zum Teil mit den Erfolgen in der Automobilherstellung kompensiert werden konnten. Im Jahr 2022 gelang es der  Branche erstmals nicht mehr, sich der schwachen europäischen Autokonjunktur zu entziehen. Das Produktionswachstum in Österreich blieb 2022 mit 0,5 Prozent hinter dem EU-Ergebnis von 4,5 Prozent zurück. Auch das Umsatzwachstum ist 2022 mit 3,9 Prozent auf 18,5 Milliarden Euro langsamer gestiegen als 2021. 

Anfang 2023 hat sich die Branchenkonjunktur laut der Studie Fahrzeugerzeugung weiter abgekühlt. Dabei sei das Produktionsminus in Verbindung mit den zeitgleich höheren Auftragseingängen im Januar 2023 ein Hinweis auf noch vorhandene Materialengpässe, sagt der Autor der Studie Branchenanalyst Günter Wolf. Die Lieferengpässe bei Vormaterialien - vor allem fehlte es an Halbleitern - waren 2022 für rund drei Viertel der Unternehmen der Kfz-Industrie in Österreich das größte Produktionshindernis. Im 1. Quartal 2023 traf dies noch auf mehr als die Hälfte der Unternehmen zu.

Auf EU-Ebene haben sich die Lieferengpässe Anfang 2023 sogar verschärft. In den großen Herstellerländern Deutschland, Frankreich und Tschechien berichten rund 80 Prozent der Unternehmen der Kfz-Industrie von Produktionsbehinderungen durch fehlende Vormaterialien. In der Folge haben sich auch die Produktionserwartungen der Kfz-Industrie in den vergangenen Monaten eingetrübt: in Deutschland Anfang März und in Tschechien, Frankreich, der Slowakei und Spanien schon im Februar. Österreichs Kfz-Zulieferer können erst in der zweiten Jahreshälfte 2023 mit einer stärkeren Nachfrage aus den europäischen Standorten ihrer wichtigsten Kunden rechnen. 

Verlust von Weltmarktanteilen

Mit der Abwanderung nicht nur der deutschen Kfz-Industrie aus Europa verringern sich die Absatzmöglichkeiten der österreichischen Autozulieferer. In die EU werden 64 Prozent und nach Deutschland 35 Prozent der gesamten Branchenexporte geliefert.

Dass sich die Kfz-Industrie in Österreich der Verlangsamung der Autoproduktion in Europa zum Teil entziehen konnte und bis 2021 ihren Wachstumsvorsprung im Vergleich zur europäischen Branche ausbauen konnte, war vor allem den Exporterfolgen mit Pkw und Nutzfahrzeugen zu verdanken. Von 2008 bis 2022 sind die Exporte in dem Segment um durchschnittlich 2,7 Prozent im Jahr auf 10,4 Milliarden Euro gestiegen. Im selben Zeitraum legten die Exporte von Kfz-Motoren und sonstigen Kfz-Teilen aus Österreich nur um 1,5 Prozent auf 8,7 Milliarden Euro zu. 

In Summe hat die österreichische Branche seit 2008 Weltmarktanteile verloren. Die Anteile der österreichischen Exporte von Kfz-Motoren und sonstigen Fahrzeugteilen an den weltweiten Importen der Warengruppe sind von 2,3 Prozent im Jahr 2008 auf 1,7 Prozent im Jahr 2021 gesunken. Nach 2016 haben sich die Weltmarktanteile zumindest bis 2019 wieder leicht erholt, gestützt auf die Exportzuwächse mit Kraftfahrzeugen. Die Pkw-Produktion in Österreich ist von 75.000 Fahrzeugen im Jahr 2016 auf fast 160.000 Fahrzeuge im Jahr 2019 gestiegen. Im Jahr 2022 wurden nur noch 108.000 Pkw fertiggestellt.

Elektroautos gewinnen an Bedeutung

In den meisten europäischen Ländern gewinnen Elektro- und Plug-In-Hybridfahrzeuge rasch Marktanteile, so auch in Österreich: Im Jahr 2022 ist der Pkw-Bestand in der Alpenrepublik um insgesamt um 17.000 Fahrzeuge gewachsen, der Bestand an E-Pkw um 34.000 Fahrzeuge. Damit haben 2,2 Prozent aller registrierten Pkw in Österreich einen rein elektrischen Antrieb. 

Änderungen im Mobilitätsverhalten

Fahrzeuge mit elektrischem Antrieb beziehungsweise Hersteller, die verstärkt automatisierte Fahrzeugsysteme anbieten, haben ein hohes Wachstumspotenzial. Die Kosten für Sensoren und Chips werden mit zunehmendem Angebot sinken, heißt es in der Studie, zugleich werden Sicherheitsstandards für Fahrassistenztechnologien zunehmen und die Nachfrage nach den Systemen steigen. Trotz der erfreulichen Perspektiven wird die Autoindustrie auch weltweit ihre Absatzeinbußen der letzten Jahre frühestens 2024 ausgleichen können. Gleichzeitig wächst der Konkurrenzdruck für die etablierten Hersteller, vor allem durch neue Anbieter aus China im Markt für E-Autos. Der Anteil chinesischer Marken am europäischen E-Automarkt erreichte 2022 knapp 6 Prozent und soll sich bis 2030 mehr als verdoppeln. 

"Österreichs Kfz-Zulieferindustrie kann sich dem Strukturwandel natürlich nicht entziehen, sollte aber auch in Zukunft von der wirtschaftlich stabilen Position der deutschen Premiumhersteller profitieren. Die Unternehmen in diesem Segment werden auf der Grundlage ihrer Innovationsstärke die Marktanteile zumindest halten beziehungsweise von den steigenden Einkommen in vielen zunehmend gesättigten Automärkten profitieren", sagt Wolf abschließend. 

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