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Branche kompakt | Polen | Ernährungswirtschaft

Branchenstruktur

Auch dank internationaler Unternehmen gehört Polen zu den führenden Lebensmittelexporteuren der EU. Am heimischen Markt tragen steigende Einkommen zu neuen Essgewohnheiten bei.

Von Christopher Fuß | Warschau

Gemessen am Branchenumsatz verfügt Polen über die sechstgrößte Nahrungsmittelindustrie in der EU. Eine Reihe von heimischen und internationalen Konzernen bestimmt das Geschehen am Markt. Kleine Unternehmen behaupten sich vor allem in Nischen. Ausländische Hersteller produzieren in Polen nicht nur für lokale Abnehmer, sondern beliefern Kunden in ganz Europa. 

Ein prominentes Beispiel ist der deutsche Kaffeehersteller Tchibo, dessen Werk bei Warschau sämtliche Kapseln, Pads und Instantkaffee-Produkte des Unternehmens fertigt. Auch der niederländische Teehersteller Lipton setzt auf Polen: Die Fabrik in Katowice ist das einzige Werk innerhalb der EU. Es beliefert Märkte in ganz Kontinentaleuropa. Insgesamt erzielen die polnischen Kaffee- und Teehersteller über 60 Prozent ihrer Umsätze im Export. Ähnlich dominant ist das Auslandsgeschäft bei den Verarbeitern von Fisch und Meeresfrüchten.

Die polnische Lebensmittelindustrie als Ganzes erwirtschaftet mehr als ein Viertel ihrer Umsätze im Exportgeschäft. Kein Land in der EU führt ausgehend vom Warenwert so viel Geflügelfleisch aus wie Polen. Beim Export von Eiern schaffen nur die Niederlande mehr. Internationale Einzelhändler unterstützen den Export Polens. Die polnische Tochtergesellschaft des deutschen Discounter-Riesen Lidl lieferte allein 2023 Waren im Wert von rund 1,5 Milliarden Euro ins Ausland.

Wichtige Branchenunternehmen in PolenUmsatz 2023 in Millionen Euro
Unternehmen

Sparte

Umsatz 1) 2)

Grupa Maspex

verschiedene Nahrungsmittel

3.299

Animex Foods

Fleischverarbeitung

2.789

Grupa Mlekovita

Molkereiprodukte

2.007

SM Mlekpol

Molkereiprodukte

                1.475

Krajowa Grupa SpożywczaVerschiedene Nahrungsmittel

1.419

Grupa SokołówFleisch und Fleischverarbeitung

1.282

Imperial Tobacco PolskaTabakverarbeitung

1.243

Grupa WipaszFuttermittel und Geflügelverarbeitung

1.223

Mowi PolskaFischverarbeitung

1.175

Grupa Żywiec

Brauereigruppe (Heineken)

                850

1 umgerechnet zum Jahresdurchschnittskurs 2023: 1 Euro = 4,543 Złoty; 2 Einnahmen aus Verkäufen.Quelle: Lista 500 der Tageszeitung Rzeczpospolita 2024

Internationale Hersteller kaufen Firmen auf

Auch wenn die Lebensmittelhersteller über das ganze Land verstreut sind, gibt es einige regionale Schwerpunkte. Ein großer Teil der Unternehmen hat sich in Mittel- und Südpolen niedergelassen. Produktionszentren gibt es beispielsweise in den zentralpolnischen Woiwodschaften Łódzkie, Mazowieckie und Wielkopolskie. Bedeutend sind außerdem Śląskie und Małopolskie im Süden des Landes.

Die Maspex Gruppe gilt nicht nur als der größte Lebensmittelkonzern mit polnischem Eigentümer, sondern auch als einer der größten Branchenvertreter in Mittelosteuropa. Rund 70 Marken befinden sich im Portfolio des Unternehmens, darunter die in Polen sehr bekannte Nudelmarke Lubella oder der Safthersteller Tymbark. Zu den größten internationalen Herstellern in Polen gehören Nestlé, Unilever, Coca-Cola und PepsiCo. Einer der nach Umsatz größten deutschen Hersteller in Polen ist Pfeifer&Langen mit verschiedenen Tochtergesellschaften sowie das Unternehmen Südzucker.

Produktion ausgewählter Nahrungs- und Genussmittel, Getränke in Polen 1) 2)
Produktgruppe

2022

2023 3)

Veränderung 2023/22 4)

Geflügelfleisch

3.358

3.295

-1,9

Wurstwaren

896

737

-17,7

Obst- und Gemüsesäfte (in 1.000 hl)

13.198

10.237

-22,4

Milch (in 1.000 hl)

37.211

34.871

-6,3

Käse, reifend

384

389

1,3

Frischkäse, Quark

519

520

0,2

Weizenmehl

2.517

1.957

-22,2

Zucker

2.146

3.393

58,1

Reiner Wodka (umgerechnet in 100 % Alkohol, in 1.000 hl)

1.018

871

-14,4

Bier (in 1.000 hl)

39.764

35.200

-11,5

1 in 1.000 Tonnen, sofern nicht anders angegeben, hl = Hektoliter; 2 Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten; 3 Angaben für 2023 sind vorläufig, sie können noch nach oben korrigiert werden; 4 Veränderung in Prozent.Quelle: Statistisches Hauptamt GUS 2024

Im Juli 2024 übernahm der Geflügelverarbeiter Drosed - eine polnische Tochter der französischen LDC Holding - den ebenfalls polnischen Konkurrenten Indykpol. Es handelt sich nicht um einen Einzelfall. Einige der größten Fleischproduzenten Polens gehören mittlerweile zu ausländischen Investoren. Prominente Beispiele sind Animex Foods, Sokołów und Tarczyński. In der Molkerei-Industrie stellt sich die Situation hingegen anders dar. Die drei führenden Molkereien des Landes, Polmlek, Mlekovita und Mlekpol, befinden sich alle in der Hand polnischer Eigentümer.

Polnischer Export von Agrarerzeugnissen und NahrungsmittelnIn Milliarden Euro

Jahr

Wert

2023 *)

51,8

2022 

47,9

2021

37,6

2020

34,3

* SchätzungQuelle: Landesstelle zur Förderung der Landwirtschaft KOWR 2024

Die Hersteller organisieren sich

Ein Gegengewicht zu den stark vertretenen Unternehmen mit Auslandskapital bildet außerdem die teilstaatliche Gesellschaft KGS (Krajowa Grupa Spożywcza). Insgesamt 15 Agrarbetriebe und Lebensmittelverarbeiter befinden sich mittlerweile unter dem Dach der Gruppe. Eine Schlüsselrolle nimmt der Zuckerproduzent KSC ein (Krajowa Spółka Cukrowa S.A). Eine Aufgabe der KGS besteht darin, über langfristige Lieferverträge die Preise von Agrargütern zu stabilisieren.

Nationale und internationale Hersteller engagieren sich in unterschiedlichen Verbänden. Der größte Interessensvertreter der Lebensmittelindustrie in Polen ist die Föderation der Lebensmittelhersteller PFPŻ (Polska Federacja Producentów Żywności). Zu den Mitgliedern gehören auch deutsche Firmen wie Bahlsen, Hipp und Hochland. Einige Sparten der Lebensmittelindustrie kooperieren außerdem in branchenspezifischen Kammern wie der Polnischen Milchkammer PIM (Polska Izba Mleka) oder der Wirtschaftskammer für Geflügel (Krajowa Rada Drobiarstwa - Izba Gospodarcza).

Produkte aus Polen dominieren den Handel

Verbraucherinnen und Verbraucher in Polen kaufen Lebensmittel vor allem in Discountern oder in Nachbarschaftsläden. Diese Mini-Märkte mit eingeschränktem Sortiment gehören in der Regel zu Franchising-Unternehmen. Großflächige SB-Warenhäuser verlieren hingegen Marktanteile, ebenso wie Fachgeschäfte, die keiner Kette angehören.

Ähnlich wie in anderen europäischen Ländern halten auch im Produktsortiment in Polen immer mehr Convenience-Produkte Einzug. Die Mini-Markt Kette Żabka beispielsweise bietet eine Reihe von Tiefkühlprodukten an, die der Kunde im Geschäft aufwärmen lassen kann.

Die Artikel in den polnischen Supermärkten und Discountern stammen in der Regel aus Polen. Laut Angaben des Handelsverbandes POHiD (Polska Organizacja Handlu i Dystrybucji) sind 97 Prozent aller Milchprodukte in den Regalen polnische Erzeugnisse. Bei Fleischzubereitungen steigt der Wert sogar auf 98 Prozent. Im Falle von Obst und Gemüse handelt es sich immer noch um 76 Prozent. Internationale Waren kommen in den Geschäften vor allem bei thematischen Aktionswochen zum Zug.

Gleichzeitig wird der Außer-Haus-Verkauf immer beliebter. Die Zahl der Restaurants und Imbisse wächst seit Jahren, vor allem dank des Plus bei der mobilen Gastronomie. Zu dieser Kategorie gehören beispielsweise Foodtrucks. In den wachsenden Bürozentren der Großstädte kämpfen Catering-Dienstleister um Marktanteile. Laut Angaben der Marktforschungsagentur Dun&Bradstreet kletterte der Umsatz im gesamten HoReCa-Sektor (Hotel/Restaurant/Catering) 2024 um 8,4 Prozent. Zu den wichtigsten Treibern gehört der steigende Wohlstand gepaart mit dem zunehmenden verfügbaren Einkommen in Polen.

Diesen Umstand können deutsche Lebensmittelgroßhändler für sich nutzen. Der Gastronomielieferant Chefs Culinar aus Schleswig-Holstein wächst in Polen vor allem dank der steigenden Nachfrage an exotischeren Zutaten in der Gastronomie.

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