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Südosteuropas Wirtschaft wächst über dem EU-Schnitt
Die schwache EU-Konjunktur hemmt das Wachstum, doch EU-Fördermittel bieten neue Chancen. Gleichzeitig beeinflusst die US-Zollpolitik indirekt den Handel.
29.07.2025
Von Christian Overhoff | Bonn
Die Konjunkturaussichten für 2025 haben sich in den Volkswirtschaften Südosteuropas nur leicht eingetrübt. Eine sinkende Nachfrage aus der EU – auch infolge der neuen US-Zölle und politischen Unsicherheiten dämpfen die an sich positive Entwicklung. Im Jahr 2026 schafft zumindest das 500-Milliarden-Euro-Paket für Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz der Bundesrepublik Deutschland zusätzliche Nachfrage bis in die Region hinein. Im Ergebnis wird jedes Land in Südosteuropa beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) deutlich über dem für 2025 erwarteten EU-Durchschnitt von rund 1 Prozent wachsen.
Die Türkei dürfte unter den hier betrachteten Ländern in den Jahren 2025 und 2026 das höchste Wirtschaftswachstum verzeichnen – mit einem realen Zuwachs von voraussichtlich 3,5 Prozent im Jahr 2025 und 4 Prozent im Jahr 2026. Auf dem 2. Platz folgen die sechs Staaten des Westbalkans, deren Bruttoinlandsprodukt laut dem Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) vom April im Jahr 2025 durchschnittlich um 3 Prozent und im Jahr 2026 um 3,6 Prozent steigen soll.
Die Zurückhaltung bei den Investitionen 2024, vor allem in den EU-Ländern der Region, wird sich wahrscheinlich 2025 auflösen. Hauptwachstumstreiber wird aber der starke Konsum aufgrund kräftiger Reallohnsteigerungen sein. Die Inflation bleibt in den meisten Ländern der Region hoch: Etwa in den sechs Westbalkanstaaten werden 2025 durchschnittlich 3,6 Prozent vom wiiw erwartet. Impulse für das BIP kommen teilweise von der Aufrüstung in Europa. Die Bauwirtschaft entwickelt sich, auch Dank der EU-Förderung, gut.
Die US-Zollpolitik trifft die hier beobachteten Länder direkt kaum. Indirekt sieht es anders aus: Die Nachbarländer und die Haupthandelspartner leiden unter den US-Zöllen und bestellen weniger in Südosteuropa. Zudem drücken Chinas Exporteure ihre Überkapazitäten verstärkt zu Billigpreisen in den europäischen Markt.
EU unterstützt finanziell und hält Fenster gen Westen offen
Die EU-Fördermittel sind eine wichtige Stütze für die Mitglieder Griechenland, Bulgarien, Rumänien und Zypern. Diese finanzieren damit vor allem Projekte in den Bereichen Verkehrsinfrastruktur und Energie. Anderen Ländern in der Region bietet die EU eine Zukunftsperspektive. Bosnien und Herzegowina und die Republik Moldau erhielten 2022 den Status als Beitrittskandidaten. Ein neuer Wachstumsplan soll den Westbalkan fit für den Beitritt zur EU machen.
Fördermittel und Tourismus treiben griechische Wirtschaft voran
Das griechische BIP wird 2025 real um 2,3 Prozent wachsen, erwartet die Europäische Kommission. Haupttreiber bleibt der Zufluss von EU-Fördermitteln, die Investitionen anstoßen. Laut Frühjahrsprognose der EU-Kommission sollen die Bruttoanlageinvestitionen im Jahr 2025 um knapp 8 Prozent steigen – dem letzten vollen Jahr vor dem Auslaufen des EU-Aufbaufonds im August 2026. Die griechische Wirtschaft ist zudem stark vom florierenden Tourismus abhängig, der direkt und indirekt etwa ein Viertel zum BIP beiträgt.
Rumänien macht Sorgen, nimmt aber wieder Fahrt auf
Rumänien reales BIP-Wachstum liegt 2025 bei 1,6 Prozent, erwartet das wiiw – für 2026 sollen es immerhin 2,5 Prozent sein. Konsum und Investitionen treiben die Konjunktur an. Impulse kommen aus der Bauwirtschaft, dem Einzelhandel und der Logistikbranche, die vom Beitritt Rumäniens in den Schengenraum profitiert. Chancen bietet das Land vor allem beim Ausbau der Energie- und Verkehrsinfrastruktur. Zudem: Rumänien rüstet auf und will die heimische Industrie beleben. Außerdem fließen erhebliche Mittel aus EU-Fördertöpfen nach Rumänien.
Die größten Risiken für das Wachstum liegen in der hohen Inflation, in der Verschuldung sowie einer abflauenden Nachfrage aus dem Ausland. Nicht nur die Leistungsbilanz ist tiefrot. Ab dem 2. Halbjahr 2025 müsste die Regierung für den Erhalt neuer Fördermittel weitere Steuerreformen umsetzen. Um damit das Haushaltsdefizit auf mindestens 7,6 Prozent des BIP zu senken.
Bulgariens Wirtschaft wächst solide
In Bulgarien bleibt der Konsum ein Treiber des Wachstums. Das wiiw erwartet für 2025 ein reales BIP-Wachstum von rund 2 Prozent. Steigende Löhne stützen den privaten Verbrauch. Die EU erwartet eine Zunahme der Reallöhne von 2,3 Prozent für 2025. Zusätzliche Wachstumsimpulse liefert die Bauwirtschaft. Das Top-Thema für 2025 ist jedoch die Euroeinführung. Die EU-Kommission hat grünes Licht für den Euro in Bulgarien als nationales Zahlungsmittel ab dem 1. Januar 2026 gegeben.
Wirtschaftswachstum der Türkei ist mit Risiken behaftet
Die Lage der türkischen Wirtschaft ist von restriktiver Geldpolitik, hoher Inflation und einer schwachen Währung geprägt. Firmen und Wirtschaftsforscher schwanken zwischen Zuversicht und Vorsicht. Im Gegensatz zum wiiw erwartet der Internationale Währungsfonds für 2025 eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums infolge einer strafferen Geldpolitik auf 2,7 Prozent.
In wichtigen Absatzmärkten wie in der EU lässt die Dynamik nach. Noch aber treiben Konsum und Exporte das türkische Wachstum an. Im April 2025 belief sich die Inflation auf 38 Prozent. Kennzahlen wie die Produzentenpreise deuten auf eine Besserung hin.
Westbalkan bleibt auf Wachstumskurs
Die Wirtschaft des Westbalkans zeigt auch 2025 eine kontinuierliche Wachstumsdynamik. Das BIP der sechs Länder wird real um 3 Prozent durchschnittlich zulegen, so das wiiw. Damit wächst die Region wieder ähnlich stark wie in den Vorjahren.
In Albanien und Montenegro gibt der blühende Tourismus weiter entscheidende Impulse. Serbien, Bosnien und Herzegowina und Nordmazedonien profitieren von Investitionen und einer starken Inlandsnachfrage. Gleichzeitig leiden die Länder unter der abflauenden Konjunktur in Europa. Für ihr verarbeitendes Gewerbe ist die Europäische Union der wichtigste Außenhandelspartner. In Kosovo stützen die Rücküberweisungen der Diaspora nach wie vor die Wirtschaft.
Regionale Konflikte auf dem Westbalkan
Auch 2024 flammten auf dem Westbalkan die Konflikte wieder auf. Im stark serbisch besiedelten Norden Kosovos haben Unbekannte im November mit einem Sprengsatz einen Kanal beschädigt. Dieser versorgt zwei wichtige Kohlekraftwerke mit Wasser. Die Regierung in Pristina macht Belgrad dafür verantwortlich. Die kosovarische Regierung ist im Januar 2025 mit einer großen Polizeiaktion gegen die serbische Parallel-Verwaltung im Land vorgegangen.
In Bosnien und Herzegowina stellt der Präsident der Entität Republika Srpska, Milorad Dodik, wiederholt den gemeinsamen Bundesstaat infrage und droht mit Abspaltung oder startet Gesetzesinitiative in diese Richtung. Erst im Juli 2025 wurde ein Haftbefehl gegen ihn wegen Angriffs auf die Verfassung des Staates aufgehoben. Dies geschah im Rahmen eines umstrittenen Deals mit der Staatsanwaltschaft.
Land | 2024 | Veränderung zur Vorjahresperiode |
---|---|---|
Türkei | 28.312 | -7,8 |
Rumänien | 22.209 | 0,7 |
Griechenland | 8.633 | 3,6 |
Bulgarien | 5.912 | -0,4 |
Serbien | 4.763 | 7,6 |
Nordmazedonien | 1.414 | 4,0 |
Bosnien und Herzegowina | 1.320 | 2,9 |
Zypern | 848 | 2,5 |
Republik Moldau | 601 | 9,8 |
Albanien | 458 | 14,5 |
Kosovo | 410 | 17,2 |
Montenegro | 221 | 23,6 |