Mehr zu:
PortugalInvestitionsklima / Konjunktur / Außenhandel, Struktur / Wege aus der Coronakrise
Wirtschaftsumfeld
Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?
Wirtschaftsausblick | Portugal
Export, Tourismus und Investitionen kurbeln mit ihrer Dynamik die portugiesische Wirtschaft an. Hohe Lebensmittelpreise dämpfen jedoch das Konsumklima.
20.06.2023
Von Oliver Idem | Madrid
Portugals Volkswirtschaft knüpft nicht an das außerordentliche Plus von 2022 an, wächst aber voraussichtlich 2023 wieder stärker als der Durchschnitt der EU-Länder. Die Europäische Kommission erhöhte in ihrer Frühjahrsprognose 2023 die Erwartung für Portugal auf ein reales Plus von2,4 Prozent. Der mittlere Wert für die EU-Mitgliedsstaaten liegt hingegen nur bei 1 Prozent.
Das 1. Quartal 2023 bestätigte die optimistischen Annahmen: Die Wirtschaftsleistung Portugals lag um real 1,6 Prozent über dem Wert des Vorquartals. Gemessen am Vorjahreszeitraum betrug die Zunahme 2,5 Prozent.
Ein weiterhin dynamischer Außenhandel, steigende Bruttoanlageinvestitionen und viele ausländische Gäste belebten die portugiesische Wirtschaft. Besonders auffällig war das starke Interesse nordamerikanischer Touristen am Urlaubsland Portugal.
Während Portugal wertmäßig weiterhin mehr Waren importiert als exportiert, kurbelt der Tourismus die Dienstleistungsexporte an. Mittlerweile rechnet die EU-Kommission damit, dass die Leistungsbilanz Portugals noch 2023 in den positiven Bereich drehen wird. Eine solche Trendwende war noch im vergangenen Herbst nicht vor 2025 erwartet worden.
Der private Verbrauch bleibt indes ein Schwachpunkt unter den wesentlichen Indikatoren für 2023. Dabei kommen vom Arbeitsmarkt positive Signale und viele Gehälter legen zu.
Die Inflation steigt inzwischen zwar langsamer, das Konsumklima bleibt jedoch gedämpft. Im Mai 2023 offenbarte der Vergleich mit dem Vorjahresmonat, dass die Preise für Nahrungsmittel sowie in Cafés und Restaurants am stärksten zunahmen. Hohe Ausgaben für Produkte des täglichen Bedarfs schränken weiterhin den Spielraum für sonstige Käufe ein.
2022 | 2023 *) | 2024 *) | |
---|---|---|---|
BIP | 6,7 | 2,4 | 1,8 |
Leistungsbilanzsaldo (in % des BIP) | 0,2 | 0,8 | 1,2 |
Bruttoanlageinvestitionen | 6,2 | 4,2 | 4,7 |
Privater Verbrauch | 5,8 | 0,5 | 1,5 |
Ein hoher Anteil erneuerbarer Energien am Strommix macht Portugal seit dem Jahresanfang unabhängiger von Erdöl- und Erdgasimporten. In den ersten vier Monaten 2023 stammten 74,3 Prozent der Stromerzeugung auf dem Festland aus erneuerbaren Energiequellen. Diese sollen weiter ausgebaut werden, auch um ohne Übergangslösungen direkt grünen Wasserstoff produzieren zu können.
Dafür bietet sich vor allem die Industrie- und Hafenstadt Sines an. Dort sind einerseits potenzielle lokale Kunden ansässig, andererseits bietet der Tiefwasserhafen Möglichkeiten für den Export per Schiff. Die Häfen Sines und Rotterdam bauen ihre Kooperation im Wasserstoffsektor aus. Die geplanten Investitionen einer Vielzahl von Wasserstoffunternehmen in Sines summieren sich bereits auf etwa 10 Milliarden Euro.
Indikator | 2021 | 2022 | Vergleichsdaten Deutschland 2022 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. Euro) | 214,7 | 239,2 | 3.870 |
BIP pro Kopf (Euro) | 20.870 | 23.290 | 46.182 |
Bevölkerung (Mio.) | 10,4 | 10,3 | 83,4 |
Ein anhaltend lebendiges Projektgeschehen sorgt für ein hohes Investitionsniveau. Die Bruttoanlageinvestitionen sollen 2023 mit einem Plus von 4,2 Prozent und 2024 sogar 4,7 Prozent weiterhin erheblich zunehmen. Für Auftrieb sorgen beispielsweise die EU-Fördergelder aus dem Aufbau- und Resilienzplan mit einer breiten Palette an Investitionen bis 2026.
Doch auch über die geförderten Vorhaben hinaus herrscht Bewegung. Im Bereich der erneuerbaren Energien und der Verkehrsinfrastruktur befinden sich größere Projekte in der Planung und Umsetzung. Darüber hinaus dürften mittelfristig die öffentlichen und privaten Investitionen in die Wasser- und Abwasserinfrastruktur zunehmen. Die erfolgreich absolvierte Umweltverträglichkeitsprüfung lässt die Umsetzung des Lithiumprojekts Barroso näher rücken.
Der Infrastruktur- und Wohnungsbau wecken für 2023 zudem positive Erwartungen beim Fachverband AICCOPN. Die beiden Bausektoren sollen die gesamte Bauproduktion 2023 um real 2,4 bis 4,4 Prozent antreiben.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mio. Euro) | Projektstand | Anmerkung/Ansprechpartner |
---|---|---|---|
Lithiummine Barroso in Nordportugal | k.A. | Juni 2023: Umweltverträglichkeitsprüfung positiv abgeschlossen; Ziel: Produktion von Spodumenkonzentrat für den Bedarf von 500.000 Elektrofahrzeugen pro Jahr | Projektträger: Savannah Resources |
Groß-Rechenzentrum "Sines 4.0" | 3.500 | Erstes von neun geplanten Gebäuden im Bau, Eröffnung 1. Halbjahr 2023, Fertigstellung 2027 | Projektentwickler: Start Campus. Europas größtes mit erneuerbaren Energien versorgtes Rechenzentrum für Streaming, Videokonferenzen, Cloud Computing usw. Projekt ist von der Regierung als Vorhaben von nationalem Interesse klassifiziert |
Wind- und Solarparks und Wasserstoffproduktion in Sines | 1.500 | Im Bau beziehungsweise in Planung | Projektplaner: Iberdrola. Zubau von 3.000 MW aus erneuerbaren Energien zur Erzeugung von Wasserstoff für die industrielle Nutzung |
Drei Wasserstoff- und Ammoniakproduktionsanlagen in Sines (Madoqua H2, Madoqua NH3) und Porto de Aveiro (Madoqua Synfuels) | über 1.000 | Im Genehmigungsprozess, Baubeginn Ende 2023 | Details: MadoquaPower2X. Geplante Anlagen erzeugen 50.000 Tonnen grünen Wasserstoff und 500.000 Tonnen Ammoniak pro Jahr |
Metro Porto Linienerweiterung (Linha Amarela) und Neubau (Linha Rosa) | 765 | Linha Rosa und Linha Amarela im Bau bis Ende 2024 Linha Rubí (Casa de Música-Santo Ovidio) und Linha BRT Boavista-Imperio im Bau bis 2025 | Auftragnehmer: Baukonsortium Ferrovial/ACA. Finanzierung von Linha Rosa und Amarela teilweise durch EU-Kohäsionsprogramm POSEUR. Linha Rubí und BRT sind in Plano de Recuperação e Resiliência (PRR) einbezogen |
Metro Lissabon Linienerweiterung (neue Ringlinie Linha Circular) | 210 | Im Bau bis Ende 2024 | Mitfinanzierung durch EU- Kohäsionsprogramm POSEUR |
Zwei Herstellungsanlagen für Polymer-Materialien in Sines | 659 | Auftrag für Planung und Bau von beiden Anlagen erteilt, geplante Inbetriebnahme 2025 | Auftraggeber: Repsol, Auftragnehmer: Tecnimon |
Corredor Internacional Sul (internationaler Südschienenkorridor) Strecke Evora-Elvas (Endstation Caia) | 530 | Strecke Freixo-Alandroal (20,5 km) und Strecke Alendroal-Elvas (38,5 km) im Bau, Fertigstellung 2024 | Auftragnehmer: Mota Engil, Sacyr Infraestructuras-Somague. Projekt zur Verbindung des Hafen Sines und Portugals Süden mit dem Rest Europas. Teil von Ferrovia 2020 |
Neues Krankenhaus in Madeira, Hospital Central da Madeira (HCM) | 352 | Im Bau, Bauausschreibung für erste Phase Strukturen und Außenbereiche ist erteilt, Fertigstellung Ende 2024 | Auftragnehmer der ersten Phase: Tecnovia Madeira, Sociedade de Empreitadas, Afavias, Socicorreia. Projekt wird je zur Hälfte finanziert vom portugiesischen Staat und der Region Madeira |
Logistikplattform in Castanheira do Ribatejo | 150 | Erderschließungsarbeiten im Gang, Bauperiode von Januar 2023 bis Ende 2024 | Auftraggeber: Logistikimmobilienentwickler Montepino, Auftragnehmer: Baumarkt Leroy Merlin. Bau nach hohen Energieeffizienz- und Nachhaltigkeitsstandards |
Portugal verfügt über eine nationale Ausschreibungsdatenbank. Der Internetauftritt wird auch in englischer Sprache angeboten. Informationen zu EU-Binnenmarktausschreibungen finden Sie auf unserer GTAI-Seite zu internationalen Ausschreibungen.
Die EU-Kommission rechnet 2023 und 2024 nur mit schwachen Impulsen des privaten Verbrauchs für die portugiesische Volkswirtschaft. In Zahlen bedeutet das für 2023 eine reale Zunahme um 0,5 Prozent und für 2024 voraussichtlich um 1,5 Prozent.
Der Arbeitsmarkt mit Rekordbeschäftigung und einer Arbeitslosenquote von 6,8 Prozent im April 2023 erweist sich dabei als Stabilitätsanker. Zudem lässt die Teuerung nach. Die Inflationsrate fiel im Mai 2023 auf 4 Prozent.
Dass der Konsum dennoch schwächelt, dürfte an den Preisen für Lebensmittel und Getränke liegen. Diese nahmen im April 2023 gegenüber April 2022 um 9,4 Prozent zu. Damit dürften sich viele Verbraucher weiterhin auf die notwendigsten Ausgaben konzentrieren und ansonsten Zurückhaltung üben. Gehaltssteigerungen könnten zudem das Preisniveau von Dienstleistungen anheizen.
Portugals Im- und Exporte setzen ihren Höhenflug verlangsamt fort. Nach den sprunghaften Zunahmen des Jahres 2022 fallen die aktuellen Erwartungen moderater aus. Die EU-Kommission geht 2023 von 5,4 Prozent höheren Exporten und 3,3 Prozent höheren Importen aus.
Ein Grund für das hohe Exportniveau ist die Kfz-Produktion in Portugal. In den ersten vier Monaten 2023 schnellte die Stückzahl gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 27 Prozent auf knapp 119.000 Fahrzeuge hoch. Durch einen Exportanteil von 98 Prozent treibt die Fahrzeugproduktion auch direkt die portugiesischen Ausfuhren an.
Auf der Importseite ist Portugal 2023 weniger abhängig von Erdöl- und Erdgasimporten. Eine wesentlich höhere Stromproduktion aus erneuerbaren Energien, insbesondere Wasserkraft, konnte den Einfuhrbedarf von Energieträgern senken.
Dass die Lieferketten und ihre Belastbarkeit derzeit stark im Blickpunkt stehen, bietet Chancen für Portugal. Der Trend zur Diversifizierung von Lieferbeziehungen und die Suche nach stabilen Bezugsländern spielt dem iberischen Land in die Hände.
2020 | 2021 | 2022 | Veränderung 2022/2021 | |
---|---|---|---|---|
Importe | 68,1 | 83,2 | 109,3 | 31,4 |
Exporte | 53,8 | 63,6 | 78,2 | 23,0 |