Wirtschaftsausblick | Portugal
Die portugiesische Konjunktur kühlt sich leicht ab
EU-Kommission und portugiesische Zentralbank korrigieren ihre Wachstumsprognosen für 2025 nach unten. Eine Zahl im bilateralen Handel zwischen Portugal und Deutschland überrascht.
02.07.2025
Von Friedrich Henle | Madrid
Top-Thema: Neuwahlen bringen keine stabilen politischen Verhältnisse
Nach nur einem Jahr hat die portugiesische Bevölkerung am 18. Mai 2025 erneut gewählt. Aus der Parlamentswahl ging Ministerpräsident Luís Montenegro abermals als Sieger hervor und formte erneut eine Minderheitsregierung unter der Führung seiner konservativen "Demokratischen Allianz". Starke Zuwächse verzeichnete die rechtsgerichtete Partei "Chega" und erreichte den zweiten Platz bei den Parlamentssitzen. Montenegro ist damit bei Gesetzesvorhaben weiterhin auf die Sozialistische Partei und kleinere Parteien angewiesen, auch weil er die Zusammenarbeit mit Chega ablehnt.
Beobachter rechnen aufgrund des Wahlergebnisses nicht mit größeren negativen Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung. Es bleibt für die Regierung allerdings schwierig, für ihre Projekte wechselnde Mehrheiten zu organisieren. Der Urnengang wurde notwendig, weil Montenegro ein Misstrauensvotum im Parlament verloren hatte. Das Votum hatte er selbst angesetzt, um offensiv auf Korruptionsvorwürfe zu reagieren.
Wirtschaftsentwicklung: Unsicherheit nimmt zu
Die portugiesische Wirtschaft ist im 1. Quartal 2025 überraschend um real 0,5 Prozent gegenüber dem Vorquartal geschrumpft. Das nationale Statistikamt INE begründet den Rückgang vor allem damit, dass die Beschäftigten im 4. Quartal 2024 von rückwirkenden Lohnerhöhungen und Steuersenkungen profitierten. Das habe den Konsum einmalig besonders stark ansteigen lassen.
Die EU-Kommission hat im Mai 2025 ihre Prognose für das reale Wirtschaftswachstum gegenüber der Herbstprognose leicht gesenkt. Sie rechnet nun mit einem realen Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für das Gesamtjahr 2025 in Höhe von 1,8 Prozent.
Vorsichtiger zeigt sich die portugiesische Zentralbank. In ihrer jüngsten Prognose von Juni 2025 hat sie die Wachstumsaussichten von 2,3 auf 1,6 Prozent gesenkt. Ausschlaggebend für die Herabstufung sind die gestiegenen Risiken durch die internationalen Handelsspannungen, die politischen Unsicherheiten im eigenen Land und Herausforderungen bei der Inanspruchnahme von EU-Fördermitteln.
Investitionen: Kräftiger Anstieg erwartet
In den Jahren 2025 und 2026 sollen die Investitionen wieder stärker zum Wirtschaftswachstum in Portugal beitragen. Denn dann dürften die größten Summen aus den NextGenerationEU-Fonds der aktuellen Finanzperiode 2021 bis 2026 zum Einsatz kommen. Von den 22,2 Milliarden Euro an Zuschüssen und Krediten, die Portugal insgesamt zustehen, sind bisher erst etwa 8 Milliarden Euro an die endbegünstigen Unternehmen ausgezahlt worden.
Insbesondere bei den Bauinvestitionen rechnet die EU-Kommission deshalb mit einem größeren Plus von jeweils rund 5 Prozent. Hier sorgen Projekte im Infrastrukturbereich für Impulse, häufig kofinanziert durch europäische Fördermittel. So laufen beispielsweise Arbeiten an der Schnellzugstrecke zwischen Évora und Elvas. Die Trasse ist ein wichtiges Verbindungsstück für die künftige Direktverbindung zwischen Lissabon und Madrid, über die Städte Badajoz und Mérida in der spanischen Region Extremadura.
Konsum: Ausblick für die private Nachfrage bleibt positiv
Ein Wachstumstreiber für die portugiesische Wirtschaft bleibt der private Konsum. Ihn stärkt ein weiterer Anstieg der Beschäftigung, auch wenn der Zuwachs etwas nachlässt. Auch höhere Löhne und eine gesunkene Inflation sorgen für höhere Reallöhne. Insgesamt fallen die Aussichten für die private Nachfrage mit einem Plus von jeweils etwa 3 Prozent für 2025 und 2026 positiv aus. Problematisch bleibt jedoch das immer teurere Wohnen. Im Jahr 2024 sind die Mietpreise im Landesdurchschnitt um 9,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Die Medianmiete allein in der Hauptstadt Lissabon betrug zum Jahresende 2024 laut Statistikamt INE 16,04 Euro pro Quadratmeter.
Außenhandel: Prognose nach unten revidiert
Die Prognose der EU-Kommission vom Mai 2025 sieht beide Seiten der Außenhandelsbilanz zwar im Plus. Gegenüber der vorangegangenen Prognose hat sie das Plus bei den Exporten für das Jahr 2025 aber von 3 auf 1,7 Prozent abgesenkt. Grund dafür sind vor allem die größeren Unsicherheiten im Welthandel. Die Dienstleistungsexporte wiederum profitieren weiterhin vom anhaltenden Tourismusboom.
Deutsche Perspektive: Portugal als Beschaffungsmarkt immer wichtiger
Die bilateralen Handelsstatistiken für das Jahr 2024 können mit einer Überraschung aufwarten: Deutschland importierte Waren mit einem Wert von 9,6 Milliarden Euro aus Portugal, ein Viertel mehr als im Vorjahr. Dahinter verbergen sich mehr Kfz-Einfuhren, aber auch eine signifikante Zunahme der Importe von Maschinen und Haushaltsgeräten. Diese Entwicklung scheint sich 2025 fortzusetzen. Der Wert für Wareneinfuhren aus Portugal betrug laut deutschem Statistikamt Destatis allein von Januar bis April 2025 bereits 3,4 Milliarden Euro.
Neusten Daten der Deutschen Bundesbank zufolge hatten zum Jahresende 2023 bereits 387 deutsche Unternehmen, die mindestens eine Bilanzsumme von 3 Millionen Euro haben, in Portugal investiert. Diese beschäftigten 83.000 Mitarbeitende und erzielten einen Umsatz von rund 28 Milliarden Euro im Land.
Weitere deutsche Unternehmen wollen ihre Aktivitäten in Portugal ausbauen:
- Lufthansa Technik investiert in der Nähe von Porto in ein Werk, in dem Flugzeugtriebwerke und -komponenten repariert werden. Hier werden 700 Arbeitsplätze geschaffen. Das Werk soll Ende 2027 den Betrieb aufnehmen.
- Die Volkswagengruppe hat im Frühjahr 2025 verkündet, den zukünftigen Elektrokleinwagen ID.EVERY1 ausschließlich im portugiesischen Palmela zu fertigen. Die Produktion soll in der 2. Jahreshälfte 2027 starten.
- Die Hamburger Körber-Gruppe legte Anfang Juni 2025 den Grundstein für ein neues Werk nahe Porto. Der Standort soll sich auf die Entwicklung und Produktion moderner Technologien für Lieferkettenlösungen konzentrieren. Der Technologiekonzern investiert in 400 neue Arbeitsplätze. Das Werk soll in der 2. Jahreshälfte 2026 in Betrieb gehen.