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Wirtschaftsumfeld | Bulgarien, Kroatien, Rumänien | Schengen-Raum
Kroatien wird Teil des Schengen-Raums. Bereits ab 1. Januar 2023 fallen die Passkontrollen an den Landesgrenzen weg. Eine Enttäuschung erlebten dagegen Rumänien und Bulgarien.
13.12.2022
Von Dominik Vorhölter | Bukarest
Der EU-Rat für Inneres hat am 8. Dezember 2022 entschieden, dass Kroatien dem Schengen-Raum beitreten darf. Ab 1. Januar 2023 werden die Personenkontrollen an den Land- und Seebinnengrenzen zwischen Kroatien und den anderen Mitgliedsländern des Schengen-Raums aufgehoben. Bulgarien und Rumänien müssen hingegen weiter warten.
Zuvor hatte die EU-Kommission geurteilt, alle drei Staaten hätten "nachdrücklich bewiesen", dass sie die erforderlichen Bedingungen erfüllt haben, so EU-Innenkommissarin Ylva Johansson am 16. November 2022 in Brüssel. Die Niederlande, Österreich und Schweden sprachen sich jedoch bei der Abstimmung im EU-Rat für Inneres gegen den Schengen-Beitritt Bulgariens und Rumäniens aus.
Diese Entscheidung kommt bei den Geschäftsleuten in Rumänien und Bulgarien nicht gut an. "Wir sind enttäuscht über die Abstimmung und hoffen, dass bald eine Entscheidung für Schengen getroffen wird", teilte der Präsident der AHK Rumänien, Andreas Lier, mit.
Im Jahr 2022 sind 26 Länder Teil des Schengen-Abkommens, also 22 EU-Staaten und die Nicht-EU-Länder Schweiz, Island, Liechtenstein und Norwegen. Die Kleinstaaten Monaco, San Marino und der Vatikan haben offene Binnengrenzen. Sie gelten daher de facto als zugehörig. Mit rund 420 Millionen Einwohnern handelt es sich um die weltweit größte Zone, in der Menschen frei reisen können. Nicht dazu gehören Irland und Zypern.
Der Begriff Schengen-Raum bezieht sich auf den Ort Schengen in Luxemburg, wo einzelne Staaten das Abkommen zur Abschaffung der Binnengrenzen unterzeichnet hatten.
Offene Binnengrenzen erleichtern den Verkehr von Personen, Kapital und Waren. Transportunternehmen sparen Wartezeiten. In den einzelnen Mitgliedsländern sind Zollkontrollen dennoch stichprobenartig oder anlassbezogen möglich. An den Grenzen zu Rumänien oder Bulgarien kommt es bislang vor, dass Lkw-Fahrer bis zu zehn Stunden auf den Grenzübertritt warten müssen. Der Beitritt der Balkanstaaten zum Schengen-Raum könnte somit Lieferketten reibungsloser machen. Kroatiens, Bulgariens und Rumäniens Hauptlieferländer sind Deutschland und Italien.
Rumäniens Finanzminister Adrian Caciu rechnet damit, dass offene Binnengrenzen innerhalb der Europäischen Union um 0,5 Prozentpunkte mehr zum jährlichen BIP Rumäniens beitragen könnten.
Offene Grenzen Deutschlands und Österreichs entlang der Balkanroute sind bereits heute bedeutend für den Warenhandel. Eine Erweiterung des Schengen-Raumes muss aber funktionieren. Aufgrund der Migrationskrise hatten 2015 Deutschland, Österreich, Dänemark, Schweden und Norwegen zeitweise wieder Grenzkontrollen eingeführt. Solche Kontrollen auf der Balkanroute führten zu einem jährlich um 9,6 Milliarden Euro niedrigeren Warenhandel, wie aus einer kleinen Bundestagsanfrage der FDP aus dem Jahr 2016 hervorgeht. Angenommen, der Intrakontinentalhandel Deutschlands würde durch eine Wiedereinführung von Grenzkontrollen auch auf der Italien- und Balkanroute betroffen sein, fiele das jährliche Bruttoinlandsprodukt Deutschlands zwischen 1,9 Milliarden bis 4,6 Milliarden Euro niedriger aus.
Ob eine Erweiterung des Schengen-Raums auch zu mehr Warenverkehr in Bulgarien und Rumänien führen würde, ist hingegen fraglich. Beide Länder müssen ihre Autobahn- und Schieneninfrastruktur massiv ausbauen.
Der Entscheidung über den Schengen-Beitritt eines Landes müssen die für Justiz und Inneres zuständigen Minister aller EU-Mitgliedstaaten im Rat für Inneres (Justice and Home Affairs Council, JHA) zustimmen. Bulgarien und Rumänien haben laut EU-Kommission bereits seit 2011 alle Kriterien zur Aufnahme in den Schengen-Raum erfüllt. Aktuell sprechen sich jedoch die Niederlande, Österreich und Schweden gegen den Beitritt Bulgariens und Rumäniens aus.
Die österreichische und die niederländische Regierung bezweifeln, ob Bulgarien und Rumänien die Schengen-Richtlinien vollumfänglich umsetzen können. Sie verweist auf steigende Migrationszahlen, Korruption und eine schlechte Bilanz im Kampf gegen die organisierte Kriminalität.