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Branchen | Saudi-Arabien | Bauwirtschaft

Wettbewerbssituation und Geschäftspraxis

Die verbesserte Baukonjunktur entspannt die Wettbewerbsintensität leicht. Eine Hürde stellt jedoch die relativ geringe Markttransparenz dar.    

Von Robert Espey | Dubai

Die reale (preisbereinigte) Wertschöpfung der saudi-arabischen Bauindustrie erreichte 2015 ihren vorläufigen Höhepunkt. Anschließend folgten drei Jahre Rezession. Die Wertschöpfung lag 2018 um 14,5 Prozent unter dem Niveau von 2015, so die offizielle Statistik. Seit 2019 geht es wieder bergauf. Auch im Coronajahr 2020 wurde ein Plus von immerhin 1,9 Prozent verbucht. Ein Zuwachs von 1,3 Prozent ergab sich 2021. Etwa 5 Prozent dürften es 2022 gewesen sein.

Gute Konjunktur, aber hoher Wettbewerbsdruck

Die kontinuierliche Verbesserung der Baukonjunktur führte zu einer gewissen Entspannung der Wettbewerbssituation. Beobachter erwarten für 2023, dass die Wertschöpfung der Bauwirtschaft den bisherigen Spitzenwert von 2015 überschreitet. Mittelfristig erscheint das weitere Wachstum der Bauindustrie unter anderem durch die zahlreichen Gigaprojekte gesichert. Bislang werden diese vor allem durch den staatlichen Public Investment Fund (PIF) finanziert. Zukünftig sollen jedoch auch private Investoren einen wesentlichen Beitrag leisten.

Laut Projektdatenbank MEED hatten die Gigaprojekte 2022 mit 13,1 Milliarden US$ einen Anteil von fast einem Viertel an der gesamten Auftragsvergabe. Auch 2023 könnte diese für Gigaprojekte im zweistelligen Milliardenbereich liegen.

Von 2018 bis 2022 summierten sich die Aufträge bei den Gigaprojekten auf 28,6 Milliarden US$, davon 13,5 Milliarden US$ auf die neue Entwicklungszone NEOM. Für das "Red Sea"-Tourismusprojekt wurden Aufträge für 6,6 Milliarden US$ erteilt. Die Royal Commission for Riyadh City unterschrieb für Gigaprojekte Aufträge für 3,9 Milliarden US$, die Diriyah Gate Development Authority für 2,4 Milliarden US$ und die Qiddiya Investment Company für 2,3 Milliarden US$.

MEED Projects zufolge war in Saudi-Arabien die Auftragsvergabe 2020 gegenüber dem Vorjahr um 48 Prozent auf 24,5 Milliarden US$ eingebrochen. Ein sprunghafter Anstieg auf 53,9 Milliarden US$ wurde 2021 registriert. Es folgte 2022 ein nur noch geringer Anstieg auf 54,4 Milliarden US$.

Saudi-Arabien: Auftragseingang in der Bauwirtschaft nach Sektoren 2019 bis 2022 (in Millionen US-Dollar; Veränderung in Prozent) *)

Sektoren

2020

2021

2022

Veränderung 2022/2021

Alle Sektoren

24.476

53.943

54.413

0,9

Wohnungsbau

3.412

4.468

9.240

106,8

Hotel- und Gaststättengewerbe

984

1.468

3.188

117,2

Wohn-/Gewerbeprojekte  (Mixed-Use)

1.253

747

408

-45,4

Einzelhandel

287

2.899

1.217

-58,0

Regierungsgebäude

172

1.202

0

-100,0

Bürogebäude, Messeprojekte, Forschungsinstitute

615

1.149

859

-25,2

Gesundheitswesen

957

896

393

-56,1

Freizeitindustrie

70

1.241

2.120

70,8

Erziehung/Bildung

2.683

439

40

-90,9

Kultur (Moscheen, Theater, Museen etc.)

309

40

1.372

3330,0

Chemische Industrie

0

2.193

1.300

-40,7

Ölindustrie

1.376

5.792

5.018

-13,4

Energiewirtschaft

2.426

11.535

7.096

-38,5

Transportwesen

3.965

5.501

11.989

117,9

Wasserwirtschaft

3.397

5.073

4.505

-11,2

Bergbau, Metall, Zement- und Glasindustrie etc.

642

2.000

2.553

27,7

Gasindustrie

1.617

6.920

1.661

-76,0

Telekommunikation

112

164

131

-20,1

Küstenbauprojekte etc. (Earthwork)

199

216

1.323

512,5

* Gesamtkosten der Projekte (einschließlich Ausrüstungen, Anlagen etc.), deren Hauptauftrag im jeweiligen Zeitraum vergeben wurde. Abgeschlossene Verträge, die nicht umgesetzt oder gestoppt wurden, sind nicht berücksichtigt.Quelle: MEED Projects (Contract Awards) 2023

Lokale Familienunternehmen prägen Hochbau

Die Auftragsvergabe lässt Vorhersagen über die kurzfristige Entwicklung der Baukonjunktur jedoch nur beschränkt zu: Großprojekte erstrecken sich über viele Jahre, es kommt zu Modifikationen und nicht selten auch zu Baustopps.

Die saudi-arabische Bauindustrie wird im Hochbausektor (ohne Industriebau) von lokalen Firmen geprägt, die sich zumeist in Familienbesitz befinden. Die Saudi Binladin Group und Saudi Oger beherrschten in Kooperation mit ausländischen Partnern lange den Markt. Jedoch setzte die Bauflaute 2016 bis 2018 beiden Unternehmen stark zu.

Saudi Oger Company stellte 2017 den Betrieb ein. Eine Holding des staatlichen Public Investment Fund übernahm 2018 zu 36,2 Prozent die Saudi Binladin Group und restrukturierte sie. Das Unternehmen gehört heute nicht mehr zu den führenden Baufirmen des Landes.

Gemäß MEED Projects waren in den Jahren 2018 bis 2022 bei den im Hochbau neu vergebenen Aufträgen die folgenden lokalen Bauunternehmen führend: Alfanar Construction (Auftragsvolumen: 3,6 Milliarden US$), Nesma & Partner (3,1 Milliarden US$), Al Bawani (2,4 Milliarden US$), Saudi Arabia Baytur Construction (2,4 Milliarden US$) und Modern Building Leaders (2,1 Milliarden US$).

Die wichtigsten ausländischen Firmen im Hochbausektor waren Webuild (Italien; 1,4 Milliarden US$), Shapoorji Pallonji (Indien; 1,2 Milliarden US$), ALEC Engineering & Contracting (VAE; 0,7 Milliarden US$), Beijing Emirates International Construction (VAE; 0,7 Milliarden US$) und Arabian Construction (Libanon; 0,7 Milliarden US$).

Im Tief-, Industrie- und Infrastrukturbau sind bei Projekten mit hohen technischen Anforderungen ausländische Bauunternehmen als Hauptauftragnehmer dominant. Häufig werden Konsortien mit lokalen Firmen gebildet. In einigen Bausparten dominieren mittlerweile asiatische Unternehmen, vor allem aus Südkorea und China.

Zu den internationalen Unternehmen mit den höchsten Auftragseingängen von 2018 bis 2022 (Hauptauftragsnehmer; alle Sektoren, ohne Hochbau) gehören Larsen & Toubro (Indien; 11,1 Milliarden US$), Saipem (Italien; 8,8 Milliarden US$), McDermott (USA; 5,3 Milliarden US$), National Petroleum Construction Company (VAE; 4,7 Milliarden US$), JGC Corporation (Japan; 4,6 Milliarden US$), Samsung Engineering (Südkorea; 4,3 Milliarden US$), Tecnicas Reunidas (Spanien; 3,1 Milliarden US$), Hyundai Engineering (Südkorea; 2,9 Milliarden US$), China Harbour Engineering (China; 2,8 Milliarden US$), SEPCO (China; 2,7 Milliarden US$), Hyundai E&C (Südkorea; 2,6 Milliarden US$), SEPCO III (China; 2,3 Milliarden US$), Subsea 7 (Vereinigtes Königreich; 2,2 Milliarden US$), Doosan Enerbility (Südkorea; 2,1 Milliarden US$) und Sinohydro (China; 2,1 Milliarden US$).

Als Hauptauftragnehmer aus Deutschland werden unter anderem ThyssenKrupp (0,4 Milliarden US$), Siemens (0,3 Milliarden US$), Bauer (0,2 Milliarden US$), Keller (0,1 Milliarden US$) und Linde (0,04 Milliarden US$) gelistet.

Architektur- und Ingenieurfirmen aus Deutschland gefragt

In Saudi-Arabien waren in den vergangenen zehn Jahren auch mehrere deutsche Architektur- und Ingenieurfirmen in den Bereichen Planung, Design und Projektmanagement aktiv. Zu ihnen gehören unter anderem Fichtner, Gerber Architekten, ILF Consulting Engineers, Albert Speer & Partner, Dornier Consulting, Bernard Gruppe, Lahmeyer und Dorsch.

Weitere internationale Architektur- und Ingenieurfirmen sind Buro Happold (Vereinigtes Königreich), Worley Parsons (Australien), Dar Al Handash (Libanon), Amec Foster Wheeler (Vereinigtes Königreich), Khatib & Alami (Libanon), Skidmore Owings & Merrill (Vereinigtes Königreich), KBR (USA), Jacobs (USA), Hill International (USA), Aecom Technology (USA) und Fluor Corporation (USA).

Große lokale Architektur- und Ingenieurfirmen sind unter anderem Zuhair Fayez Partnership, Saudi Consulting Services, Omrania & Associates, Echo Architecture, Omranlyoun Consulting Engineers, Arabian Consulting Engineering Centre, Dar Engineering, Dar al Riyadh Consultans, Sofcon Group und AlnalmArchitects Engineers Urban Planners.

Geschäftspraxis: Bei Gigaprojekten liegen ECI-Modelle im Trend

Die Abwicklung von Bauprojekten erfolgt in Saudi-Arabien im Wesentlichen nach international üblichen Verfahren. Vielfach wird die Projektsteuerung und -überwachung renommierten internationalen Architektur- und Ingenieurbüros übertragen. Der Prozess bis zur Vergabe der Aufträge kann sehr mühsam und langwierig sein.

Saudi-Arabien setzt zunehmend auf PPP-Modelle (Public-private-Partnership). Die Zahl der staatlichen Vorhaben, die auf EPC-Basis (Engineering, Procurement, Construction) ausgeschrieben werden, dürfte sich weiter verringern.

Bei der Realisierung der Gigaprojekte ist die Nutzung von ECI-Modellen (Early Contractor Involvement) ein neuer Trend. Dabei werden mit Baufirmen Rahmenvereinbarungen geschlossen, bevor die Design-Arbeiten vollständig abgeschlossen sind. Die Koordination mit den Bauunternehmen während des Planungsprozesses soll die Projektumsetzung beschleunigen.

Hohe Markteintrittsbarrieren bleiben eine Herausforderung

Die weiterhin hohe Wettbewerbsintensität, eine relativ geringe Markttransparenz und die häufig enormen Dimensionen der Bauvorhaben sind für ausländische Unternehmen die höchsten Markteintrittsbarrieren. Demgegenüber sind die rechtlichen Hürden für die Etablierung einer Präsenz in Saudi-Arabien vergleichsweise gering. Besondere Probleme können allerdings die zunehmend verschärften Regelungen zur Beschäftigung einer Mindestzahl von Einheimischen (Saudisierungspolitik) bereiten.

Ausländische Architekten, Ingenieure und andere Baudienstleister haben die Möglichkeit, gemeinsam mit saudi-arabischen Partnern eine "Professional Partnership" zu gründen. Über die Registrierung entscheidet das Ministry of Commerce and Investment (MCI). Wichtige Voraussetzungen für eine Zulassung sind ein guter Ruf und eine mindestens zehnjährige Tätigkeit des ausländischen Partners. Ein Gesellschaftsvertrag ist abzuschließen.

Ausländische Unternehmen können in Saudi-Arabien eine unselbstständige Zweigniederlassung gründen. Hier sind Mindestkapitalvorschriften (500.000 Saudi-Riyal) zu erfüllen. Erforderlich sind eine Lizenz des Ministry of Investment (vormals: Saudi Arabian General Investment Authority/SAGIA) und eine Eintragung in das Handelsregister.

Da die Zweigniederlassung keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, ist ein Haftungsdurchgriff auf die Muttergesellschaft möglich. Handelsaktivitäten sind einer Zweigniederlassung untersagt. Eine zeitlich befristete Einrichtung einer Niederlassung kann genehmigt werden, wenn staatliche Aufträge erfüllt werden. Dabei muss die ausländische Firma allerdings der Hauptauftragnehmer sein.

Als selbständige Niederlassungsform wird zumeist die Limited Liability Company (LLC, GmbH) gewählt. Die LLC besteht aus mindestens zwei und höchstens 50 Gesellschaftern. Ein lokaler Partner ist nicht erforderlich, aber eventuell sinnvoll. Der Antrag auf Gründung einer LLC ist an das Ministry of Investment zu richten. Für Joint Ventures, die ausländische und lokale Unternehmen zur Durchführung von Bauprojekten gründen, wird in der Regel die Rechtsform der LLC gewählt.

Zwei Fachmessen bieten sich für eine erste Sondierung des saudi-arabischen Baumarktes an. Ihre Bedeutung ist aber begrenzt. Im November 2023 findet in Riad die Saudi Build statt. Seit 2011 hat die "Saudi Build" Konkurrenz durch die BIG 5 Saudi in Riad bekommen. Hier war Deutschland im Februar 2023 wieder mit einem offiziellen Gemeinschaftsstand vertreten.

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