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Wirtschaftsumfeld | Schweden | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten

Arbeitsmarkt

Die hohe Arbeitslosigkeit und der ausgeprägte Wechselwille der Schweden begünstigt hohe Bewerbungsraten. Teilweise mangelt es aber an Qualifikation - und einer Unterkunft.

Von Michał Woźniak | Stockholm

Arbeitsmarkt erholt sich nur langsam

Unter den drei skandinavischen Ländern erholt sich der schwedische Arbeitsmarkt am langsamsten von den pandemiebedingten Verwerfungen. Meldeten Dänemark und Norwegen im Laufe des Frühjahrs 2022 bereits Rekordbeschäftigung, sank laut Eurostat die schwedische Arbeitslosenquote im Juli 2022 erstmalig wieder unter den Vergleichswert von Juli 2019 und betrug 7 Prozent. Gleichzeitig hatten laut Angaben des schwedischen Statistikamtes SCB insgesamt knapp 4,9 Millionen Schwedinnen und Schweden im Alter zwischen 15 und 74 Jahren einen Job.

Wie aus der Mai-Ausgabe der drei- bis viermal jährlich durchgeführten Unternehmensumfrage der schwedischen Zentralbank Riksbank 2022 hervorgeht, ist die Bewerberlage zumindest quantitativ sehr gut. Aber: "In vielen Fällen entsprechen die Bewerber für freie Stellen nicht den Anforderungen", resümieren die Umfrageautoren. Es besteht ein erheblicher Mangel an Spezialisten, erfahrenen Mitarbeitern und Fachkräften. "Dazu gehören qualifizierte Verkäufer, Fahrer, Ingenieure oder Dateningenieure", erklären die Experten der Riksbank.

Allgemeine Arbeitsmarktdaten (2021)

Bevölkerung (in Mio.) 1)

10,5


Erwerbspersonen (Bevölkerung älter als 15 und jünger als 65 Jahre, in Mio.)

5,3


Erwerbstätige (in Mio.)

4,9

Arbeitslosenquote, offizielle (in %, nach ILO-Definition)

6,5

Universitätsabschluss (Bevölkerung älter als 24 und jünger als 65 Jahre, in %) 2)

28,0

1) zum 1. Januar des Folgejahres; 2) Anteil in Prozent der ErwerbstätigenQuelle: Eurostat 2022; SCB 2022

Entsprechend steigt die Anzahl unbesetzter Stellen seit Frühjahr 2021 rapide. Bis dahin betrug der Durchschnitt der Anzahl der Vakanzen knapp über 30.000, so SCB, die diese Daten seit 2015 erhebt. Im Frühjahr 2022 waren allerdings mehr als 58.000 Stellen vakant. Überdurchschnittlich hoch ist der Anteil unbesetzter Stellen im Sektor Informations- und Kommunikationstechnologie mit knapp 4 Prozent. Gegenüber der Vor-Corona-Zeit haben die Rekrutierungsschwierigkeiten vor allem im Baugewerbe und bei den Verwaltungs- und Unterstützungsdienstleistungen zugenommen. In der verarbeitenden Industrie, im Handel und Transport war im 2. Quartal 2022 jeweils etwa jede hundertste Stelle nicht vergeben.

Jobs werden häufig gewechselt

Verläuft die Mitarbeitersuche erfolgreich, ist das Glück häufig nur vorübergehend. Personalfluktuation ist fester Bestandteil der schwedischen Arbeitswelt. Auch wenn dort die Arbeitslosenversicherung freiwillig ist und vom Arbeitnehmer selbst abgeschlossen werden muss, herrscht keine Wechselangst. Lebensläufe mit einem neuen Arbeitgeber alle zwei bis drei Jahre sind eher die Norm als die Ausnahme. Neben neuen Herausforderungen bringt auch die Aussicht auf ein höheres Gehalt Mitarbeiter zum Jobwechsel.

All diese Faktoren verleiten viele Arbeitgeber momentan zum Outsourcing. "Die hohe Personalfluktuation, der Mangel an gefragten Qualifikationen und die Ungewissheit über die Zukunft treiben die Nachfrage nach Zeitarbeitskräften und insbesondere nach Personaldienstleistungen an", unterstreichen Experten der Riksbank. Personalvermittler freuen sich - zumindest vorübergehend - über den Kundenansturm.

Netzwerken ist wichtig

Ihre Dienstleistungen könnten vor allem für Schwedenneulinge hilfreich sein. Die gesamte schwedische Wirtschaftswelt baut auf Netzwerken auf. Die Personalrekrutierung ist keine Ausnahme. Einerseits bevorzugen Kandidaten Arbeitgeber, die bereits ein gewisses Standing haben und mit dem Freunde/Kollegen/Branchenmitstreiter bereits Erfahrungen gesammelt haben. Andererseits ist das aktive Abwerben - insbesondere bei Bedarf nach Spezialwissen und Erfahrung - eine der aussichtsreichsten Rekrutierungsstrategien.

Wer es auf eigene Faust versuchen will, sollte sich aufs Internet konzentrieren. Neben der Webseite der staatlichen Arbeitsmarktbehörde stehen zahlreiche private Jobportale zur Verfügung (für eine Auswahl siehe Kontaktadressen). Ein guter Kanal ist zudem die Businessplattform LinkedIn, die je nach Quelle bis zu 4 Millionen Nutzer in Schweden hat.

Wenig Praxiserfahrung bei jungen Arbeitnehmern

Die Ansprache kann dabei auch auf Englisch geschehen. Arbeitnehmer verfügen fast immer über gute bis sehr gute Englischkenntnisse - auch in Tätigkeitsbereichen mit geringen Ausbildungsqualifikationen. Teilweise beginnt der Englischunterricht bereits in der ersten Schulklasse. Zudem ist die Sprache im Alltag allgegenwärtig - vom Fernsehen über das Kino bis zur Werbung. Eine zweite Fremdsprache sprechen dagegen deutlich weniger Menschen. Seit einigen Jahren kann in der Schule anstelle einer weiteren Fremdsprache zusätzlicher Englischunterricht gewählt werden, was viele nutzen.

Insgesamt gelten schwedische Arbeitskräfte als kompetent und leistungsfähig. Der praktisch ausgerichtete Unterricht ab der zehnten Klasse versorgt die Wirtschaft mit gut ausgebildeten und qualifizierten Absolventen. Allerdings fehlt ein duales Ausbildungssystem. Entsprechend bemängeln Arbeitgeber, dass es jungen Kandidaten an Praxiserfahrung fehlt.

Problem Wohnungssuche

Auch deswegen sind ausländische Fachkräfte keine Ausnahme. Laut SCB wurde etwa jeder fünfte Einwohner Schwedens nicht dort geboren. Dazu gesellen sich Expats und ausländische Saisonarbeiter. Regionale und lokale Selbstverwaltungen legen stellenweise spezielle Programme auf, um Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben.

Die damit verbundenen Formalitäten sind mitunter umständlich. Selbst Bürger der Europäischen Union, die von der Freizügigkeit profitieren, sehen sich mit dem schwedischen Paragrafen 22 konfrontiert: Um in Schweden angestellt zu werden, muss eine Identifikationsnummer (Personennummer) vorliegen. Um sie zu beantragen, müssen aber genügend Mittel für den Unterhalt nachgewiesen werden - am besten per Arbeitsvertrag.

Weit schwieriger zu meistern ist allerdings eine andere Hürde. Selbst Schweden, die wegen eines Jobs umziehen müssen, sind betroffen: Der Mietmarkt ist klein und Mieten sind hoch. Der staatlich geregelte, sogenannte Mietmarkt aus erster Hand (Hyresrätt), ist nur über eine Warteliste zugänglich. Wartefristen von mehreren Jahren sind keine Seltenheit. Früher konnte dies mit einem Hauskauf auf Kredit umgangen werden. Nachdem Banken aber ihre Vergaberegeln verschärft haben und die Immobilienpreise stark gestiegen sind, ist ein Kauf häufig nicht möglich.

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