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Rechtsbericht | Schweden | Arbeitsrecht

Arbeitsrecht

Im Laufe des Jahres 2022 findet eine tiefgreifende Reform des Arbeitsrechts und insbesondere des Kündigungsschutzgesetzes statt.

Von Dr. Kerstin Kamp-Wigforss (AHK Schweden) | Stockholm

Gesetzliche Regelungen auf einen Blick

Vergütung: frei vereinbar soweit kein Tarifvertrag gilt

Mindestlohn: ausschließlich im Tarifvertrag geregelt, soweit ein solcher Anwendung findet

Arbeitsstunden pro Woche: 40 Stunden

Regelarbeitstage pro Woche: 5

Zulässige Überstunden: Gesetzlich geregelt; höchstens 200 Überstunden pro Jahr (maximal 48 Überstunden binnen vier Wochen oder maximal 50 binnen eines Kalendermonats); weitere 150 extra Überstunden pro Jahr sind bei Vorliegen besonderer Gründe möglich (vier Wochen- beziehungsweise Monatslimit wie oben); darüber hinaus sind noch weitere Überstunden bei Notfällen möglich (Naturkatastrophen, Unglücksfälle - Anzahl ist einzelfallabhängig); höchstzulässige Arbeitszeit in einem Sieben-Tage-Zeitraum inklusive Überstunden: 48 Stunden im Durchschnitt innerhalb von vier Monaten gerechnet

Bezahlte Feiertage: 11 Tage plus Heiligabend, Silvester und der Tag vor Mittsommer, die als Sonntage gelten; nähere Informationen finden Sie in der GTAI-Publikation Feiertage Schweden

Bezahlte Urlaubstage: gesetzlicher Mindestanspruch von 25 Tagen bei einer 5-Tage-Woche; um Überstunden bei Vertrauensarbeitszeit pauschal abzugelten, sollten 28 beziehungsweise 30 Tage Urlaub gewährt werden; der Arbeitnehmer hat Anspruch auf einen ununterbrochenen vierwöchigen Urlaub im Zeitraum Juni bis August

Sonderzahlungen pro Jahr in Monatslöhnen (13. und/oder 14. Gehalt): nicht üblich

Tage mit bezahltem Arbeitsausfall: Eltern teilen sich den Anspruch auf 480 Tage Elternzeit pro Kind; jeder Elternteil kann seinen Anspruch bis auf drei Monate an den anderen abtreten; während der Elternzeit wird von der staatlichen Versicherungskasse eine an das vorherige Einkommen angelehnte finanzielle Unterstützung ausgezahlt; die meisten Tarifverträge beinhalten die Pflicht zur Zahlung eines zusätzlichen Elterngelds durch den Arbeitgeber, größere Unternehmen zahlen diesen oftmals freiwillig; kein zusätzlicher Mutterschutz

Tage mit Lohnfortzahlung bei Krankheit: Gesetzlich festgelegt: 1. Tag Karenzabzug (kein Entgelt), 2. bis 14. Tag Entgeltfortzahlung durch Arbeitgeber in Höhe von 80 Prozent des Gehalts, ab 15. Tag übernimmt die staatliche Versicherungskasse Entgeltfortzahlung zu 80 Prozent mit einer Deckelung; für die ersten sieben Arbeitstage muss der Mitarbeiter keinen ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheid vorlegen.

Probezeit: frei vereinbar bis zu sechs Monaten

Quelle: Recherchen von GTAI und AHK Schweden

Rechtsgrundlagen

Ein Gesetzbuch, das allumfassend die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber regelt, gibt es in Schweden ebenso wie in Deutschland nicht. Grundlage des Arbeitsrechts ist vielmehr eine Vielzahl von Gesetzen (unter anderem das Kündigungsschutzgesetz (LAS) sowie das betriebliche Mitbestimmungsgesetz (MBL)). Zusätzlich sind tarifliche Regelungen (nur bei Tarifvertragsbindung), der jeweilige Arbeitsvertrag, die Rechtsprechung sowie die guten Sitten auf dem Arbeitsmarkt zu beachten. Bei der Auslegung von Gesetzen werden Vorarbeiten (Gesetzesentwürfe und Begründungen) zu den Gesetzen herangezogen. Viele arbeitsrechtliche Bereiche basieren auf der Umsetzung von EU-Richtlinien, zum Beispiel das Arbeitszeit- oder das Entsendungsgesetz. Zur Auslegung solcher Gesetze wird die Auslegung der entsprechenden EU-Richtlinie herangezogen.

In der Hierarchie nimmt das Gesetz mit seinen teilweise zwingenden Bestimmungen den höchsten Stellenwert ein, gefolgt (in dieser Reihenfolge) von Tarifverträgen (bei Tarifbindung) und schließlich dem individuellen Arbeitsvertrag. Zwingende Regelungen dürfen nur zugunsten des Arbeitnehmers verändert werden; freie vertragliche Vereinbarungen zulasten des Arbeitnehmers sind unwirksam und haben bei einer gerichtlichen Überprüfung keinen Bestand.

Weitere Informationen gibt der kostenpflichtige Praxisleitfaden der Deutsch-Schwedischen Handelskammer.

Vertragsabschluss 

Der Arbeitsvertrag in Schweden regelt prinzipiell die gleichen Fragestellungen wie ein Arbeitsvertrag in Deutschland und dient der Festlegung der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien (Arbeitsleistung, Entgelt, Arbeitszeit und ähnliches).

Grundsätzlich ist eine besondere Form für den Abschluss von Arbeitsverträgen nicht erforderlich; diese können daher sowohl schriftlich als auch mündlich abgeschlossen werden. Ein schriftlicher Abschluss empfiehlt sich aus Beweisgründen (besonders bei Befristungen) aber stets.

Der Arbeitgeber ist allerdings verpflichtet, dem Arbeitnehmer spätestens einen Monat nach Arbeitsbeginn verschiedene Angaben über das Arbeitsverhältnis schriftlich mitzuteilen. Unter anderem sind dies Name und Adresse des Arbeitgebers und Arbeitnehmers, Position und Arbeitsaufgaben, Art des Arbeitsverhältnisses (befristet, unbefristet, Probearbeitsverhältnis), Arbeitszeit, Gehalt, Urlaubstage, eventuell geltender Tarifvertrag. Die zwingenden Angaben wurden mit Gesetzesänderung vom 29. Juni 2022 erweitert, unter anderem um die Voraussetzungen und das Verfahren für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie die Zahlung der Arbeitgeberabgaben an den Staat.

Es können wirksam nur die gesetzlich vorgesehenen Befristungen innerhalb ihrer Höchstgrenzen vereinbart werden. Bei Fehlern oder Überschreitung der Grenzen liegt ein unbefristetes Arbeitsverhältnis vor.

Rechte und Pflichten der Vertragsparteien

Für den Arbeitnehmer besteht die zentrale Hauptpflicht in der Erbringung der vereinbarten Arbeitsleistung, die des Arbeitgebers in der Zahlung der vereinbarten Vergütung. Die Vergütung ist entweder im Vertrag festgelegt oder ergibt sich aus einem Bezugsrahmen wie zum Beispiel einem Tarifvertrag (bei Tarifvertragsgeltung).

Die auch in Schweden geltende Geheimhaltungsregelung verpflichtet den Arbeitnehmer zur Verschwiegenheit in Bezug auf Geschäftsgeheimnisse. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen sich gegenseitig Loyalität, Achtung und Rücksichtnahme erweisen.

Vertragsbeendigung 

Regelungen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses basieren grundsätzlich auf dem LAS. Dieses gilt bereits ab dem ersten Arbeitstag und auch für Arbeitgeber mit nur einem Arbeitnehmer im Betrieb. Der Arbeitgeber muss Kündigungen schriftlich vornehmen. Als sachliche Kündigungsgründe des Arbeitgebers müssen persönliche/verhaltensbedingte oder betriebsbedingte (Arbeitsmangel) Gründe vorliegen.

Der Arbeitgeber hat die Beweislast für das Vorliegen des Kündigungsgrundes. Ein betriebsbedingt gekündigter oder befristet beschäftigter Arbeitnehmer hat einen Wiedereinstellungsanspruch auf eine offene Position im selben Betrieb, für die er die hinreichenden Qualifikationen hat, wenn er länger als zwölf Monate während der letzten drei Jahre beim Arbeitgeber beschäftigt war.

Die gesetzliche Mindestkündigungsfrist beträgt sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer einen Monat. Bei Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt sie - je nach Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers - zwischen einem und sechs Monaten. Fristlose Kündigungen sind nur möglich, wenn schwerwiegende Verletzungen der arbeitsvertraglichen Pflichten vorliegen, zum Beispiel Straftaten gegen den Arbeitgeber. Abfindungen sind gesetzlich oder tarifvertraglich nicht geregelt und werden allenfalls auf freiwilliger Basis gezahlt.

Es kommt in Schweden zu wenigen Kündigungsschutzklagen vor Gericht, da vor der Kündigung in der Regel eine Verhandlungspflicht für den Arbeitgeber mit der Gewerkschaft des Arbeitnehmers besteht. Bei diesen Verhandlungen werden bei Zweifeln am Vorliegen eines Kündigungsgrundes meistens außergerichtliche Einigungen getroffen. Die bisher für den Arbeitgeber geltenden nachteiligen prozessualen Regelungen sind ab 1. Oktober 2022 geändert: Bei Kündigungen durch den Arbeitgeber endet im Kündigungsschutzprozess das Arbeitsverhältnis am Ende der Kündigungsfrist beziehungsweise mit Zugang der außerordentlichen Kündigung und besteht nicht mehr während des Prozesses fort. Verliert der Arbeitgeber den Prozess, lebt der Arbeitsvertrag wieder auf.

Der bisher geltende Anspruch des Arbeitnehmers, bis zum 68. Lebensjahr zu arbeiten, wird ab 2023 bis zum 69. Lebensjahr verlängert.

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