Rechtsbericht | Japan | Arbeitsrecht
Arbeitsrecht
Japan hat ein ausgefeiltes Arbeitsrecht, das sukzessive den sich ändernden Bedingungen angepasst wird.
18.07.2023
Von Jürgen Maurer, Julia Merle
Gesetzliche Regelungen auf einen Blick
Vergütung: Tarifverträge in der Regel auf Unternehmensebene; allgemeine Regelungen in Art. 24ff. Labor Standards Act |
Mindestlohn: Je nach Region und Branche unterschiedlich (MHLW Link); Minimum Wages Act |
Arbeitsstunden pro Woche: 40 Stunden (Art. 32 Labor Standards Act) |
Regelarbeitstage pro Woche: maximal 6 Tage, da mindestens 1 freier Tag pro Woche (Art. 35 Labor Standards Act) |
Zulässige Überstunden: 15 Stunden pro Woche; Art. 36 Labor Standards Act: 45 Stunden pro Monat, 360 Stunden pro Jahr |
Bezahlte Feiertage: 16 Tage (Act on Public Holidays, Japanisch) |
Bezahlte Urlaubstage: MHLW ; Art. 39 Labor Standards Act: nach 6 Monaten Dauerarbeit mit 80 Prozent oder mehr tatsächlichen Arbeitstagen: 10 Tage, danach abhängig von Dienstjahren/Betriebszugehörigkeit zusätzliche Urlaubstage bis maximal 20 Tage pro Jahr |
Sonderzahlungen pro Jahr in Monatslöhnen (Boni): kein gesetzlicher Anspruch; normalerweise zweimal pro Jahr, im Sommer und Winter. Ermittelt auf Grundlage der Unternehmensentwicklung und Verhandlungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern |
Tage mit bezahltem Arbeitsausfall: Heirat, Trauerfälle, Geburten, etc.; auf Unternehmensebene geregelt |
Tage mit Lohnfortzahlung bei Krankheit: Kein gesetzlicher Anspruch |
Probezeit: Meist zwischen einem Monat und drei Monaten; in Einzelfällen auch sechs Monate |
Rechtsgrundlagen
Den rechtlichen Rahmen für die Einstellung und Beschäftigung von Arbeitnehmern in Japan stellt das Arbeitsstandardgesetz von 1947 (ASG, Labor Standards Act) dar. Dieses trat im Wesentlichen zum 1. April 2019 in überarbeiteter Form in Kraft. Verschiedene Aspekte der "Work Style Reform" (Reform der Arbeitsweise) wurden integriert. Die vorläufig letzte Stufe der Reform ist am 1. April 2023 in Kraft getreten. Daneben gilt insbesondere das Arbeitsvertragsgesetz (AVG, Labor Contracts Act). ASG und AVG stellen allerdings lediglich einen Mindeststandard dar.
Kernpunkte der Work Style Reform
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Um dem demografischen Wandel zu begegnen, will Japans Regierung ältere Mitarbeitende länger im Arbeitsprozess halten. Dazu hat sie den Act on Stabilization of Employment of Elderly Persons mehrmals ergänzt. Bislang sehen viele Unternehmen vor, dass Mitarbeiter mit 60 Jahren in den Ruhestand gehen müssen, auch wenn der offizielle Rentenbeginn erst ab dem 65. Lebensjahr erfolgt. Seit April 2021 sollen die Unternehmen die Weiterbeschäftigung bis 65 Jahre und wenn möglich bis zum Alter von 70 Jahren anstreben, etwa durch Verlängerung des bestehenden Vertrages oder durch die Neueinstellung mit einem anderen Vertrag.
Vertragsabschluss
Arbeitsverträge sind im vorgegebenen rechtlichen Rahmen prinzipiell frei gestaltbar. Sie können unbefristet, für die Dauer zeitlich begrenzter Projekte oder auf bis zu drei Jahre, für bestimmte Tätigkeiten bis zu fünf Jahre, befristet abgeschlossen werden (§ 14 ASG). Die längere Frist gilt für Arbeitnehmer mit speziellem Wissen, besonderen Fertigkeiten oder Erfahrungen sowie für Arbeitnehmer ab 60 Jahren. Beim Abschluss eines Arbeitsvertrages sind bestimmte Arbeitsbedingungen, insbesondere Entgelt und Arbeitszeit, klar und zutreffend anzugeben (§ 15 ASG). Weichen die tatsächlichen Konditionen von den angegebenen ab, kann der Arbeitnehmer vom Arbeitsvertrag zurücktreten.
Wichtiger noch als der Arbeitsvertrag ist eine Arbeitsordnung (Standardarbeitsregeln, "shuugyou kisoku"), die für Betriebe mit zehn oder mehr Mitarbeitenden nach § 89 ASG vorgeschrieben ist. Darin werden sämtliche Arbeitsbedingungen schriftlich formuliert. Sie muss detaillierte Angaben zu Arbeitszeit (Beginn, Ende, Pausen, Ruhetage und Urlaub, eventuelle Einzelheiten für Schichtarbeit), Entlohnung (Berechnungs- und Zahlungsmethoden; Zeitpunkt, bis wann spätestens gezahlt wird; Einzelheiten zu Gehaltserhöhungen) und dem Ausscheiden aus dem Unternehmen enthalten.
Falls darüber hinaus zu folgenden Punkten Regelungen bestehen, müssen diese ebenfalls in die Arbeitsordnung aufgenommen werden: Festlegungen zu Abfindungen bei der Pensionierung oder einem Ausscheiden aus dem Betrieb aus einem anderen Grund (Definition des Kreises der betroffenen Personen, Art der Festsetzung, Berechnung und Zahlung, Zeitpunkt der Auszahlung), zu Boni und Mindestlöhnen, zu vom Arbeitnehmer zu tragenden Kosten für Verpflegung, Arbeitsmittel und Ähnliches, zu Sicherheit und Hygiene am Arbeitsplatz, zu beruflicher Bildung, Entschädigung bei Arbeitsunfällen und Unterstützung bei nicht arbeitsbedingten Erkrankungen und Verletzungen, Art und Umfang von Auszeichnungen und Abmahnungen sowie sonstige für alle Arbeitnehmer eines Betriebes geltende Bestimmungen.
Ähnlich wie in Deutschland sind Probezeiten üblich. Diese liegen meist zwischen einem Monat und drei Monaten, in Einzelfällen auch bei sechs Monaten. Während der Probezeit können beide Seiten den Arbeitsvertrag kurzfristig beenden; nach Ablauf der ersten 14 Tage der Probezeit aber durch den Arbeitgeber nur noch mit einer 30-tägigen Kündigungsfrist (§ 21 ASG). Der Arbeitgeber kann einen Arbeitnehmer in der Probezeit unter geringeren Anforderungen entlassen als einen regulären Arbeitnehmer; allerdings sind auch während der Probezeit "vernünftige und sozial akzeptable" Gründe erforderlich, um einen Arbeitnehmer zu entlassen.
Rechte und Pflichten der Vertragsparteien
In Japan besteht kein gesetzlicher Anspruch auf eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Viele Unternehmen zahlen dennoch das Gehalt für eine bestimmte Zeit weiter. Häufig nehmen Beschäftigte aber im Krankheitsfall ihren regulären bezahlten Urlaub. Ab dem vierten Krankheitstag haben Arbeitnehmer gegenüber der Krankenversicherung einen Krankengeldanspruch.
Vertragsbeendigung
Um den Missbrauch des Kündigungsrechts einzuschränken, bedarf eine ordentliche Kündigung von Mitarbeitenden durch den Arbeitgeber objektiver, sozial angemessener Gründe, ansonsten ist sie unwirksam (§ 16 AVG).
Grundsätzlich darf eine Kündigung nicht während krankheitsbedingter Abwesenheit (wegen Arbeitsunfall oder Berufskrankheit) von Mitarbeitern sowie 30 Tage danach vorgenommen werden. Das Gleiche gilt für Frauen im Mutterschutz (§ 19 ASG). Die Kündigungsfrist beträgt für den Arbeitgeber 30 Tage (§ 20 ASG). Ausnahmen von dieser Frist gelten unter anderem für Tagesarbeiter, die bis zu einem Monat beschäftigt wurden (§ 21 ASG).
Eine außerordentliche Kündigung ist möglich, wenn ein Betrieb aufgrund einer Naturkatastrophe nicht fortgeführt werden kann oder wenn schwerwiegende Verfehlungen des Arbeitnehmers vorliegen (§ 20 ASG). Bei einer Disziplinarkündigung kann für den Arbeitnehmer der Anspruch auf die gesamte oder einen Teil der Abfindung verloren gehen. Die Möglichkeit einer Disziplinarkündigung wird in der Regel in der Arbeitsordnung festgelegt.
Im Interview erklärt Anwalt Tobias Schiebe von der Kanzlei Arquis in Tokyo, wie in Japan die Rechtspraxis gelebt wird.