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Branchen | Schweiz | Augenoptik

Vier von fünf Schweizern tragen Sehhilfen

Der Direkteinstieg von EssilorLuxottica verschiebt die Kräfteverhältnisse auf dem wachsenden Augenoptikmarkt der Schweiz. Das kann auch eine Chance für innovative Anbieter sein. 

Von Oliver Döhne | Bonn

Eine klare Aussicht auf die schöne heimische Bergwelt haben nur noch 17 Prozent der Schweizer – zumindest ohne Hilfsmittel. Das ergab eine Umfrage des Konsumforschers GfK im Auftrag von Optikschweiz, dem Verband für Optometrie und Optik von 2021. Der zufolge tragen rund 55 Prozent der Befragten ausschließlich Brille, 22 Prozent abwechselnd Kontaktlinsen und Brille und etwa 3 Prozent nur Kontaktlinsen (drei weitere Prozent unterzogen sich einer Augenoperation). 

Zu einem ähnlichen Ergebnis kam der European Council of Optometry and Optics (ECOO) in seinem Blue Book von 2020, nämlich dass 68 Prozent Brille und rund 20 Prozent Kontaktlinsen tragen. Wie überall sorgt das unentwegte Starren auf Handys und andere Bildschirme, privat, aber auch in Ausbildung und Beruf, für einen zunehmenden Bedarf. Ganz zu schweigen von der alternden Bevölkerung der Schweiz: Mehr als die Hälfte ist über 46 Jahre alt.

Schweizer greifen früher zu Sehhilfen

Gegenüber Deutschland liegt der Anteil von Personen, die Brille oder Kontaktlinsen tragen, in der Schweiz höher. Gleiches gilt in beiden Kategorien für die Ausgaben pro Kopf. Gründe könnten sein, dass eine gute Sicht in der Schweiz stärker als Faktor für Lebensqualität zählt. Zudem geht eine schicke Brille dort womöglich eher als Statussymbol und Modeaccessoire durch.

Auch verschreiben Augenoptiker in der Schweiz Kindern und Jugendlichen mittlerweile deutlich schneller Sehhilfen als früher. Erhielten 2001 erst 10 Prozent ihre erste Brille bis zum 9. Lebensjahr, waren es 2021 rund 16 Prozent. Zwischen dem 10. und 20. Lebensjahr bekamen bereits 46 Prozent ihre erste Sehhilfe. Auch diese Werte gingen aus der Gfk-Umfrage hervor.  

Besonders der höhere Anteil der Kontaktlinsenträger in der Schweiz fällt auf. Hier ist die Schweiz hinter den Niederlanden laut ECOO die Nummer 2 in Europa. Dabei sind in der Schweiz Tageskontaktlinsen besonders beliebt. Multifokallinsen haben, trotz großen Potenzials, laut GfK in der Schweiz nur einen Marktanteil von rund 13 Prozent unter den Kontaktlinsen. Mit Alcon hat einer der großen Kontaktlinsenhersteller seinen Hauptsitz in Genf, erzielt aber nur rund 1 Prozent seines Umsatzes im eigenen Land, unter anderem mit der Tageslinsen-Marke Dailies. Zu den beliebtesten Marken gehören Acuvue von Johnson & Johnson und Biofinity von CooperVision. 

Unabhängige Optiker suchen neue Lieferanten

Einschneidendes Ereignis für den Augenoptikmarkt der Schweiz war 2021 der Einstieg des französisch-italienischen Branchenriesen EssilorLuxottica in das Endkundengeschäft vor Ort mit eigenen Läden. Dieser erfolgte durch die milliardenschwere Übernahme der niederländischen GrandVision, die in der Schweiz die Optikerketten McOptik (Discounter, vorrangig im Tessin), Visilab (mittelpreisig) und Koch Optik (Premium) besitzt. Durch diese Übernahme kommt EssilorLuxottica im Endkundengeschäft der Schweiz auf einen Umsatzanteil von rund 30 Prozent.

Hauptkonkurrent von EssilorLuxottica ist Fielmann. Fielmann unterhielt 2022 laut Geschäftsbericht in der Schweiz 46 Filialen und war mit 460.000 Stück für rund 46 Prozent aller in der Schweiz abgesetzten Brillen verantwortlich. Gemessen am Umsatz lag der Marktanteil nach eigenen Angaben bei 17 Prozent. 

Dominanter Lieferant von Brillengläsern ist Essilor, das auch einen Mehrheitsanteil am schweizerischen Produzenten Reize besitzt. Nach dem Einstieg von EssilorLuxottica ins Endkundengeschäft könnten sich Branchenkennern zufolge viele unabhängige Augenoptiker nun verstärkt von Essilor als Gläserlieferant abwenden und andere Firmen wie Rodenstock, Zeiss, Eyetech oder Hoya bevorzugen. Rodenstock und Zeiss sind laut Branchenkennern in der Schweiz für ihre technischen Innovationen geschätzt. Der Schweizer Hersteller Eyetech bietet unabhängigen Optikern neben den Brillengläsern auch Marketinghilfe an. Die japanische Hoya, Essilors globaler Konkurrent, hatte nach Übernahme des traditionellen schweizerischen Brillenglasherstellers Knecht & Müller jedoch in der Schweiz einen holprigen Start und besonders die Werksschließung am Standort Stein am Rhein kam im Land nicht gut an.

Optiswiss kooperiert mit deutschen Firmen

Optiswiss, der größte unabhängige Brillenglasproduzent der Schweiz mit Produktion in Basel, könnte aufgrund der Marktverschiebung durch den EssilorLuxottica-Deal jetzt weniger oder gar nicht mehr an McOptik liefern. Optiswiss hat sich aber ohnehin verstärkt dem Onlinegeschäft zugewendet, in Kooperation mit den Firmen Viu und Glassy. Der Onlineanteil im Vertrieb liegt in der Branche bei schätzungsweise 10 bis 12 Prozent.

Optiswiss verlängerte im Mai 2023 zudem seine Partnerschaft mit dem deutschen Optikgeräteproduzenten Oculus zur biometrisch gestützten Fertigung und Anpassung von Gleitsichtgläsern. Eine Zusammenarbeit pflegt Optiswiss auch mit der ebenfalls deutschen epitop, die auf E-Health und Telemedizin spezialisiert ist. Mit der niederländischen Luxexcel, die seit 2023 zu Meta gehört, kooperiert Optiswiss schon einige Jahre bei 3D-Druck und Virtual/Augmented Reality-Brillen.  

Auch bei den Fassungen erwarten Branchenkenner, dass sich viele unabhängige Augenoptiker stärker unabhängigen Brillenherstellern zuwenden, um der Marktmacht von EssilorLuxottica entgegenzutreten. Das kann auch eine Chance für innovative Neueinsteiger sein.

Der Umsatz mit Fassungen lag 2023 bei rund 280 Millionen Euro und dürfte in den kommenden Jahren im Schnitt um 4,4 Prozent pro Jahr zulegen, während der Brillenmarkt schätzungsweise um die 1,4 Milliarden Euro ausmacht. Laut Branchenkennern sind in der Schweiz unter anderem minimalistische Brillenfassungen mit klaren Linien und hochwertigen Materialien besonders gefragt. Innovative kleinere Designermarken aus der Schweiz sind unter anderem Götti, Massada, Einstoffen, Marcus Marienfeld und Nirvan Javan. 

Insgesamt dürfte sich der Schweizer Augenoptikmarkt stark zwischen Filialen der großen Anbieter und unabhängigen Augenoptikern polarisieren. 

Schweizer Import von Augenoptik 2022 (in Millionen US-Dollar)

Produkt (HS-Position)

Import 

aus Deutschland

größte Konkurrenten

Sonnenbrillen (90041)

152,4

7,8

Italien, China, Japan

Kontaktlinsen (90013)

86,7

15,8

USA, Vereinigtes Königreich

Brillengläser, nicht aus Glas (90015)

64,2

18,1

Tschechien, Thailand

Brillen, außer Sonnenbrillen (90049)

53,7

16,1

China, USA

Brillenfassungen aus Kunststoffen (900311)

36,3

3,0

China, Italien

Brillenfassungen, nicht aus Kunststoffen (900319)

31,8

2,3

China, Japan, Italien

Ferngläser, Fernrohre (9005)

28,6

5,0

Österreich, China

Teile von Brillenfassungen (90039)

4,5

0,9

China, Italien

Brillengläser aus Glas (90014)

2,2

0,9

Tschechien, Italien

Quelle: UN Comtrade 2023

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