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Viele Neuwagen werden mit der Bahn verschickt | © RONALD RAMPSCH/stock.adobe.com

Special | V4-Länder | Slowakei

Slowakei: Das Euroland zieht bei Investoren

Osten des Landes kommt in Bewegung

Die Slowakei ist die kleinste Volkswirtschaft unter den V4-Ländern. Doch gehört sie als Standort der internationalen Auto-, Maschinenbau- und Elektronikindustrie zu Deutschlands 25 wichtigsten Handelspartnern.

Von Miriam Neubert | Bratislava

Deutschland liefert vom Wert her mehr Waren in die Slowakei als nach Indien, Brasilien oder Kanada. Im Jahr 2022 erreichte der gemeinsame Warenaußenhandel nominal mit über 36 Milliarden Euro einen neuen Höchstwert. Fast 640 Niederlassungen deutscher Unternehmen haben sich laut Eurostat zwischen Donau und Karpaten angesiedelt. Sie sind Katalysatoren des bilateralen Handels.

Seit 30 Jahren ein unabhängiger Staat, setzt die Slowakei als einziges V4-Land auf den Euro, der 2009 eingeführt wurde. Die Gemeinschaftswährung hat die Transaktionskosten gesenkt, was für die extrem exportorientierte Wirtschaft von großer Bedeutung ist.

Starke Abhängigkeit von der Kfz-Industrie

Besonders viele Zulieferer haben sich im Gefolge der vier Autohersteller Volkswagen Slovakia, Kia, Stellantis, Jaguar Land Rover angesiedelt. Weitere werden mit Volvo Cars kommen. Das Unternehmen investiert 1,2 Milliarden Euro in ein Werk für Elektroautos. In der Elektronikindustrie bereiteten Samsung und Foxconn den Boden für viele Komponentenhersteller. Ein Teil ist aber auf die Kfz-Industrie ausgerichtet, ebenso in der Metallbranche, dem Maschinenbau, sowie der Gummi- und Kunststoffverarbeitung.

Stärker als die anderen V4-Länder hat sich die Slowakei an die Autoindustrie gebunden. Auf über 50 Prozent der Industrieumsätze beziffert der Verband der Automobilhersteller den Anteil der Kfz- und Teilehersteller, unter Einrechnung der Zulieferer auch anderer Branchen. An den Exporten halten diese 42 Prozent. Bei der Pkw-Herstellung liegt das Land auf Rang 4 in der EU und ist bei der Produktion pro Kopf Weltmeister.

Schon gewusst?

184 Fahrzeuge pro 1.000 Einwohner produziert die Slowakei - so viel wie kein anderes Land.

Neue Investitionen unterstützen Diversifizierung

Der industrielle Radius reicht über den Fahrzeugbau hinaus, wie neue Investitionen bestätigen. Besonders die Kühl- und Heiztechnik expandiert und setzt auf Wärmepumpen - mit Vaillant Group in Senica, Stiebel Eltron in Poprad oder Hoval in Istebné. Die Nähe zu den europäischen Kunden wird wichtiger. So hat Siemens Healthineers seinen Forschungsstandort im ostslowakischen Košice um seine erste Fertigung für Ultraschallsysteme in Europa ergänzt. Dadurch entfällt der Luftfrachttransport aus Asien.

Überhaupt gewinnt der Osten der Slowakei an Dynamik, wo Elektronik und Kfz-Elektrik bereits ein Schwerpunkt sind. Bosch eBike Systems baut bis Ende 2023 in Prešov eine Produktion von E-Bike-Motoren auf. Volvo startet bei Košice mit seiner Großinvestition in die Elektromobilität. Dies trägt dazu bei, das strukturelle West-Ost-Gefälle des Landes abzubauen.

"Die Slowakei ist ein Markt mit vielen Chancen für deutsche Unternehmen", sagt Peter Kompalla, Geschäftsführer der AHK Slowakei. Wer Lieferanten suche, stoße auf ein breites Spektrum, das von Aminosäuren über Zahnräder bis hin zu IT-Sicherheitssystemen reiche. Auf der Absatzseite sieht Kompalla neue Geschäftsfelder, die sich aus dem Digitalisierungs- und Nachhaltigkeitsdruck ergeben.

Für die digitale Transformation setzt das Land allein an EU-Aufbaugeldern bis 2026 rund 1,3 Milliarden Euro ein - etwa für ein Netz aus digitalen Innovation-Hubs. Die Hubs konzentrieren sich auf die Digitalisierung kleiner und mittlerer Unternehmen, verbreiten die Nutzung von Cloud Computing, Big Data sowie Technologien der künstlichen Intelligenz.

Wind, Sonne und Geothermie als neue Quellen

Zu der digitalen kommt die grüne Transformation. Für die Slowakei bleibt Kernkraft einer der Schlüssel zu einer kohlenstoffarmen Zukunft. Im Februar 2023 ging ein neuer Reaktorblock im Atomkraftwerk Mochovce ans Netz, der vierte folgt in zwei Jahren. Auch erneuerbare Quellen werden ausgebaut. Solarparks planen die Stromgesellschaften Slovenské elektrárne und JESS. In Bewegung kommen Windenergie und potenziell die Geothermie. Der Energiekonzern SPP will bis 2025 rund 65 Millionen Euro in Windparks investieren. Viele Firmen versuchen durch Eigenproduktion ihre Energiekosten zu senken und bewerben sich um EU-Fördergelder.

Dekarbonisierung betrifft auch industrielle Prozesse, Anlagen und Gebäude. Die Slowakei dotiert hier Effizienz etwa bei Kreislauflösungen, dem Austausch von Ausrüstungen durch neueste Technologien oder der Wasseraufbereitung. Gefordert ist besonders U.S. Steel, der größte Emittent von Treibhausgasen, der zwei seiner drei Hochöfen durch elektrische Lichtbogenöfen ersetzen will.

Fördergelder schieben Infrastrukturprojekte an 

Den Investitionsstau im Gesundheitssektor beziffert der Staat auf 5 Milliarden Euro. Aus dem Aufbauplan fließen 1,1 Milliarden Euro in den Bau von zwei Universitätskrankenhäusern und die Modernisierung verschiedener Kliniken. Im Schienenverkehr betrifft der Investitionsbedarf 8 Milliarden Euro. Es geht um Modernisierung, Elektrifizierung und Ausbau. Die Regierung hat prioritäre Investitionsprojekte in Autobahn- und Eisenbahnbau definiert und über einen Zeitplan bis 2030 mehr Planungssicherheit geschaffen. Sie läutete die neue Phase der EU-Kohäsions- und Strukturförderung ein und will noch 2023 ein wahres Feuerwerk von 138 Calls starten. Über diese sollen 5,8 Milliarden Euro ausgeschrieben werden, fast die Hälfte der verfügbaren Mittel.

Politische Unsicherheiten belasten jedoch zurzeit. Die Koalition, die 2020 mit dem Versprechen der Korruptionsbekämpfung an die Macht kam, ist zerbrochen. Der Populismus gewinnt an Zulauf. Das slowakische Wachstumsmodell hat erfolgreich auf ausländische Investitionen und den Export gebaut. Es stößt aber an Grenzen: Laut Eurostat ist das BIP pro Kopf in Kaufkraftparitäten 2021 auf 69 Prozent des EU-Schnitts zurückgefallen. Die Forschungsausgaben erreichen erst 0,93 Prozent des BIP (EU-Durchschnitt: 2,26 Prozent). Mit dem Impuls der EU-Aufbau- und Fördermittel will das Land auch als Innovator einen neuen Anlauf nehmen.

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