Kairo gehört zu den wichtigsten Standorten für Start-ups in Afrika und Nahost. Neben dem großen Heimatmarkt nehmen Techunternehmen auch die weitere Region ins Visier.
Die Start-up-Szene in Afrika dominieren in den letzten Jahren die "Big Four". Das sind Nigeria, Südafrika, Kenia und Ägypten. In diese Länder fließen rund 80 Prozent des Risikokapitals, das auf dem Kontinent investiert wird. Gemeinsam ist ihnen, dass sie zu den größten Volkswirtschaften und den bevölkerungsreichsten Ländern Afrikas zählen. Zudem erreichen sie mit Ausnahme Nigerias beim Pro-Kopf-Einkommen im regionalen Kontext mittlere bis hohe Werte und haben eine ausreichend leistungsfähige digitale Infrastruktur.
Ägypten spielt arabische Karte
Als bevölkerungsreichstes Land der Arabischen Welt mit rund 107 Millionen Einwohnern bietet Ägypten nicht nur ein großes Nachfragepotenzial im eigenen Land. Die Anpassung an die arabische Sprache und kulturelle Gepflogenheiten erleichtert Start-ups aus Ägypten auch den Zugang zu regionalen Märkten, etwa auf der Arabischen Halbinsel. Im Vergleich zu diesen verfügt Ägypten über eine erheblich größere Zahl von technisch ausgebildeten jungen Menschen. Zudem sind die Lohnkosten deutlich geringer.
Die regionale Integration der Ökosysteme ist bereits im Gang. So hat der saudische Risikokapitalfonds Edafa Venture Capital im Dezember 2024 in Ägypten die Plattform Startup Sync ins Leben gerufen. Startup Sync soll ägyptische Start-ups nicht nur beim Aufbau der Expertise und wichtiger Kontakte zur Entwicklung ihrer Gründungen helfen, sondern sie auch bei der Expansion in die Märkte der Golfstaaten unterstützen.
Ein konkretes Beispiel für die Expansion ist der ägyptische FinTech-Anbieter Khazna. Anfang 2025 hat der Zahlungsdienstleister eine Finanzierung von 16 Millionen US$ erhalten. Khazna will die Investition nutzen, um eine Lizenz für digitales Banking in Saudi-Arabien zu erwerben und seine Aktivitäten auf diesen attraktiven Markt auszuweiten.
Apps ordnen den Markt
Der Wohnungsmarkt in den ägyptischen Städten ist nicht besonders transparent. Und die Lage ist angespannt. Mit einer Zunahme der Bevölkerungszahl um etwa 1,5 bis 2 Millionen Menschen im Jahr steigt der Bedarf an Wohnraum stetig. Viele Neubauten entstehen im oberen Preissegment, günstiger Wohnraum oft informell. Die Mieten im Bestand unterliegen aktuell einer hohen Fluktuation. Wenig verwunderlich, dass Apps, die Licht ins Dunkel der Wohnungssuche bringen, derzeit Konjunktur haben in Ägypten. Eine der bekanntesten ist die Immobilienplattform Nawy.
Die Mehrheit der Ägypter zahlt mit Bargeld, wie eine Untersuchung der Central Bank of Egypt zeigt. Im Rahmen ihrer Financial Inclusion Strategy, an deren Ausarbeitung die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) beteiligt war, hat die Zentralbank zunächst das Zahlungsverhalten erfasst. Lediglich 11 Prozent der Bevölkerung über 16 Jahren hatten bis 2020 eine digitale Zahlung vorgenommen. Über ein transaktionales Konto bei einer Bank oder einem Finanzdienstleister verfügten demnach 2016 nur 26,4 Prozent. Bis 2022 war der Anteil auf 60,6 Prozent gestiegen, nicht zuletzt durch den vereinfachten Zugang über digitale Plattformen.
Ökosystem in Kairo wächst stetig
Der Großraum Kairo beherbergt nach Angaben der Informationsplattform Rasmal über 90 Prozent der Start-ups in Ägypten. Die Regierung setzt für die nächsten Jahre große Hoffnungen auf die Gründerszene. Das Ministerium für Planung, wirtschaftliche Entwicklung und internationale Zusammenarbeit erarbeitet eine Egypt Startup Charter, die Förderinstrumente für Gründer zusammenfassen soll. Mehr als 5.000 junge Unternehmen sollen davon profitieren und indirekt ein halbe Million Arbeitsplätze geschaffen werden.
Auswahl an Inkubatoren in ÄgyptenName | Fokus | Anmerkungen |
---|
TIEC | IT | Gegründet durch das Ministry of Communications and Information Technology |
CREATIVA Innovation Hubs | Vorbereitung | Hubs in Mansoura, Monufia, Menia, Sohag. Qena und Assuan, die junge Menschen an Technologie und Selbstständigkeit heranführen sollen |
GESR | Übergreifend | Begleitung von Gründern durch die ersten Phasen |
StartEgypt | Übergreifend | Zusammenarbeit mit Flat6Labs |
Innoventures | Übergreifend | Förderung lokaler Technologie |
Misr Digital Innovation (MDI) | Technologie | Gegründet durch Bank Misr |
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest
Die Bedingungen sind landesweit bisher noch sehr unterschiedlich. Das betrifft beispielsweise den Zugang zum Internet, der in ländlichen Räumen nicht überall gegeben ist. Eine weitere Baustelle ist einer Studie des ägyptischen Think-tanks Entlaq zum FinTech-Sektor zufolge das regulatorische Umfeld, etwa langwierige Genehmigungsprozesse, hohe Compliancekosten oder rechtliche Lücken beim Datenschutz. Der Schwung bei den Gründungen ist dennoch ungebrochen. Im Jahr 2024 nahm Ägypten dem Africa Tech Venture Report von Partech zufolge nicht nur den ersten Rang unter den Frühfinanzierungen der Serie A in Afrika ein, sondern auch bei den Seed+-Finanzierungen.
Auswahl an Acceleratoren in ÄgyptenName | Fokus | Anmerkungen |
---|
ebni | IoT | Non-Profit-Accelerator |
Startupbootcamp | Fintech | Ägyptische Filiale des SBC Netzwerks |
FLAT6LABS | Übergreifend | Spezialisiert auf Seed-Funding Mangement |
AUC Venture Lab | Übergreifend | Gegründet durch American University in Cairo (AUC) |
Falak | Übergreifend | Kombination von Investition und Bildung |
Pmaestro | Übergreifend | Regionale Ausrichtung |
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest
Die wichtigste Veranstaltung für den Technologiesektor in Ägypten insgesamt ist die jährlich stattfindende Messe Cairo ICT. Der nächste Termin ist vom 16. bis 19. November 2025. Speziell an die Start-up-Szene richten sich Events wie der Techne Summit in Alexandria (4. bis 6. Oktober 2025), der Startups Without Borders Summit in Kairo (31. Oktober bis 1. November 2025) oder der Rise Up Summit, ebenfalls in Kairo (voraussichtlich im Mai 2026).
In Afrika an dritter Stelle
Nach Zahlen von Partech Partners haben ägyptische Start-ups 2024 insgesamt 297 Millionen US-Dollar (US$) an Risikokapital angezogen. Damit lagen sie auf dem dritten Rang auf dem afrikanischen Kontinent nach Nigeria und Südafrika. Die Zahl der abgeschlossenen Kapitalbeteiligungen lag mit 89 fast die Hälfte über dem Vorjahr – ein Indikator für die Vielfältigkeit der Szene in Ägypten. Den größten Anteil hatte erneut der Bereich FinTech, vor allem digitale Zahlungssysteme, Geldleihplattformen oder B2B-Marktplätze. Eine starke Entwicklung zeigen auch die Bereiche e-Commerce, Transport und Logistik sowie Gesundheits- und Bildungsapps.
Ein riesiges Potenzial für die Entwicklung der Gründerszene sind die rund 3,6 Millionen Studierenden an den ägyptischen Hochschulen. Von den 544.000 Absolventen 2023 haben über 200.000 naturwissenschaftliche und technische Fächer studiert, darunter circa 50.000 im IT-Bereich. Über 50 Inkubatoren, Acceleratoren und Coworking-Spaces erleichtern den Einstieg. Auch Afrikas erstes Unicorn war mit MNT Halan ein ägyptisches Start-up.
Von Marcus Knupp
|
Kairo