Branche kompakt | Tschechische Republik | Abfallwirtschaft
Branchenstruktur
In Tschechiens Entsorgungswirtschaft herrscht ein starker Wettbewerb. Viele Spezialfirmen bieten ihre Dienstleistungen an. Dabei gibt es noch viele ungenutzte Geschäftspotenziale.
17.01.2024
Von Gerit Schulze | Prag
In Tschechien werden jährlich rund 35 Millionen Tonnen Abfall wiedergenutzt oder verarbeitet. Damit ist die Entsorgungswirtschaft ein wichtiger Geschäftszweig. Die Verwertungsquote stagniert seit einigen Jahren, wobei die Abfallmenge gestiegen ist.
Kunststoffrecycling gewinnt an Bedeutung
Durch die geplante Einführung eines Pfandsystems für PET-Flaschen dürfte sich das Aufkommen an eingesammelten Plastikmüll erhöhen. Damit steigt der Bedarf an Verarbeitungskapazitäten. Der polnische Petrochemiekonzern Orlen Unipetrol bereitet eine Großinvestition für Kunststoffrecycling vor. Dabei sollen nach dem Pyrolyseverfahren aus Plastikresten flüssige Ausgangsstoffe gewonnen werden. Eine zweijährige Pilotphase ist bereits erfolgreich abgeschlossen. Die nun geplante große Anlage in Litvínov könnte laut Presseberichten über 120 Millionen Euro kosten.
Da dieses Verfahren wegen seiner Ökobilanz umstritten ist, setzt Orlen Unipetrol auch auf mechanisches Recycling zur Granulatgewinnung. Dafür hatte der Chemiekonzern 2022 den tschechischen Marktführer Remaq gekauft. Dieser recycelt vor allem Polyethylen, Polypropylen und Polystyrol und hat Kapazitäten für 3.000 Tonnen pro Monat.
Nachholbedarf bei Elektronikmüll
Nachholbedarf hat Tschechien noch bei der Entsorgung von Elektronikmüll. Bislang haben sechs Firmen Lizenzen für das Einsammeln und Verwerten: Asekol, ČEZ Recyklace, Ekolamp, Elektrowin und Rema Systém. Laut Umweltministerium wurden 2022 über 300.000 Tonnen Elektronikgeräte im Land verkauft. Im gleichen Zeitraum wurden 133.000 Tonnen Altgeräte von Händlern, Herstellern und über Sammelsysteme zurückgenommen. Das entspricht einer Quote von 58 Prozent der Neuverkäufe. Tschechien bleibt damit unter der Vorgabe der Europäischen Union, die in der Richtlinie 2012/19/EU für 2021 einen Wert von 65 Prozent vorsah.
Mit der Entsorgung alter Fotovoltaikanlagen hat das Umweltministerium sieben Spezialfirmen beauftragt (Asekol Solar, Ecopartner, FitCraft Recyklace, Mintes, PV Recovery, Recycling Systems und REsolar). Das tschechische Unternehmen Silver Silicon aus Javornice hat eine Technologie entwickelt, mit der es nach eigenen Angaben 98 Prozent der Bestandteile von Solarmodulen wiedergewinnen kann. Es baut derzeit Kapazitäten für 1.000 Tonnen pro Jahr auf, die sich mittelfristig verzehnfachen sollen.
Zahl der Autowracks könnte steigen
Ein Geschäftsfeld mit guten Perspektiven ist die Entsorgung von Altautos. Tschechien gehört in Europa zu den Ländern mit dem ältesten Fuhrpark. Die etwa 6,6 Millionen Pkw im Land sind durchschnittlich 16 Jahre alt. Pro Jahr werden rund 180.000 Autowracks entsorgt. Das Firmenregister des Umweltministeriums enthält 295 Unternehmen, die sich mit der Verwertung von Altfahrzeugen befassen.
Abfallart | Abfälle insgesamt | Siedlungsabfälle |
---|---|---|
Produktion (in Mio. t) | 39,9 | 5,9 |
Abfallnutzung (in %), darunter | 87,0 | 50,0 |
Wiederverwertung | 84,0 | 38,0 |
energetische Nutzung | 3,0 | 12,0 |
Abfallbeseitigung in Deponien (in %) | 10,0 | 48,0 |
Sonstige Müllentsorgung (in %) | 3,0 | 2,0 |
Den größten Anteil am Müllaufkommen hat die Bauindustrie. Auf Bauschutt und Abbruchreste entfällt mehr als die Hälfte der gesamten Abfallmenge im Land. Sie werden nach Angaben des Umweltministeriums aber fast vollständig wiederverwertet. Große Volumina entstehen außerdem bei der Wasserreinigung, im Groß- und Einzelhandel sowie im verarbeitenden Gewerbe.
Abfallart (EU-Abfallverzeichnis-Code) | 2020 (in 1.000 t) | 2021 (in 1.000 t) | Veränderung 2021/ 2020 (in %) 2) |
---|---|---|---|
Insgesamt, darunter | 38.504 | 39.897 | 3,6 |
Bau- und Abbruchabfälle (17) | 25.050 | 25.937 | 3,5 |
Siedlungsabfälle (kommunale Abfälle) (20) | 5.766 1) | 6.000 1) | 4,1 |
Abfälle aus Kläranlagen (19) | 2.947 | 3.217 | 9,2 |
Abfälle, die bei der Wärmegewinnung entstehen (10) | 1.164 | 1.086 | -6,7 |
Verpackungsabfälle (15) | 1.153 | 1.079 | -6,4 |
Abfälle der Metall- und Kunststoffindustrie (12) | 607 | 659 | 8,5 |
Abfälle aus der Holz- und Papierindustrie (03) | 254 | 272 | 7,3 |
Abfälle der Land- und Forstwirtschaft sowie der Nahrungsmittelindustrie (02) | 255 | 260 | 2,0 |
Ölabfälle und Abfälle aus flüssigen Brennstoffen (13) | 147 | 152 | 3,0 |
Besondere Sorgfalt erfordert der Umgang mit Gefahrenstoffen. Hier beträgt die Abfallmenge pro Jahr bis zu 1,8 Millionen Tonnen. Jeweils eine halbe Million Tonnen entfallen dabei auf das verarbeitende Gewerbe und auf die Wasserwirtschaft wegen Klärschlamm.
Nach Angaben des Umweltministeriums sind derzeit über 8.000 Unternehmen mit der Sammlung, Sortierung, Deponierung und Verarbeitung von Abfällen beschäftigt. Im Register des Ministeriums lassen sich spezialisierte Firmen für alle Formen der Abfallbehandlung finden.
Außerdem können in dem Verzeichnis die Entsorgungseinrichtungen recherchiert werden. Demnach gibt es 160 Mülldeponien, rund 250 größere Kompostieranlagen und 14 Verbrennungsanlagen.
Ausländische Konzerne stark im Geschäft
Hinter den umsatzstärksten Unternehmen der tschechischen Abfallwirtschaft stehen meist internationale Konzerne. Auf über eine halbe Milliarde Euro Erlöse mit Metallsammlung und -verwertung kam zuletzt TSR Czech Republic, die zur deutschen Remondis Gruppe gehört. Daneben zählen die österreichische FCC Group, die dänische Marius Pedersen und die tschechische AVE zu den größten Branchenunternehmen.
In Prag teilen sich das kommunale Unternehmen Pražské služby (PSAS) und AVE CZ noch bis 2025 den Großteil des Abfallgeschäfts. Sie erfüllen als Konsortium einen Zehnjahresvertrag mit der tschechischen Hauptstadt. Außerdem sind IPODEC und Komwag mit der Müllbeseitigung in der Millionenstadt beschäftigt.
Ein Unternehmen dominiert bei Verpackungen
Bei Verpackungsabfällen dominiert Eko-Kom den Markt in Tschechien. Es ist gemäß dem Verpackungsgesetz autorisiert, landesweit Verpackungsabfälle zu sammeln, zu sortieren und zu verwerten. Eko-Kom hat Verträge mit über 21.000 Kunden abgeschlossen, die Gebühren für die in Umlauf gebrachten Verpackungen zahlen. Jährlich erfasst der Entsorgungsbetrieb 1,3 Millionen Tonnen Abfälle. Dafür stehen 840.000 Sammelcontainer zur Verfügung.
Pro Kopf wurden 2022 in Tschechien 78 Kilogramm Papier, Kunststoff, Glas, Metall und Getränkekartons abgegeben. Von den eingesammelten Kunststoffen wurden 2022 noch 39 Prozent verbrannt. Recyclingquoten von fast 100 Prozent erreicht Eko-Kom bei Papier und Glas.
Unternehmen | Sparte | Umsatz 2022 (Mio. Euro) | Veränderung 2022/2021 *) |
---|---|---|---|
TSR Czech Republic (Remondis Gruppe) | Sammlung und Verwertung von Eisenschrott und Buntmetall | 527 | 0,6 |
FCC Česká republika (FCC Gruppe) | Sammlung, Verwertung, Verbrennung von Abfall, Deponiebetrieb | 199 | 10,9 |
AVE CZ odpadové hospodářství (EP Industries) | Abfallsammlung und -verwertung, Deponiebetrieb, Altlastensanierung | 182 | 3,7 |
Marius Pedersen (Marius Pedersen Gruppe) | Abfallsammlung und -verwertung, ökologische Sanierung | 166 | -1,3 |
Eko-kom (verschiedene Aktionäre) | Sammlung und Verarbeitung von Verpackungsabfällen | 147 | 21,6 |
Pražské služby (Stadt Prag) | Abfallsammlung und -verwertung, energetische Nutzung, Sammelstellen | 155 | 5,8 |
Recovera Využití zdrojů (Veolia Gruppe) | Sammlung, Verwertung von Abfall, Deponiebetrieb, Altlastensanierung | 97 | 12,9 |
Hamburger Recycling CZ (Prinzhorn Gruppe) | Abfallsammlung und -verwertung von Altpapier | 30 | -0,5 |
Komwag (Reiwag Facility Services und Stadtbezirk Prag 2) | Abfallsammlung und -verwertung, Abfallkörbe auf öffentlichen Flächen | 15 | 5,1 |
RPG Recycling (REC Gruppe) | Sammlung und Verwertung von Gummireifen | 12 | 18,7 |